Sagen und Legenden: Die Kronen der Reiche

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Snow
Teidam
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Sagen und Legenden: Die Kronen der Reiche

Beitrag von Snow » 30. Okt 2005, 11:29

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Völlig unvermittelt erinnere ich mich manchmal an Dinge, die mein Vater mir erzählte, als ich noch ein Kind war. Das waren Dinge aus jenen lange zurückliegenden Tagen, da er noch selbst als ein "vai'ganas", ein reisender Natla-Händler, in den Stätten des Sonnenlichts unterwegs war, Dinge zudem, mit denen ein Kind wie ich noch nicht viel zu beginnen wußte, wenn sie dem staunenden Natla-Jungen auch durchaus spannend und wundersam erschienen. Es kann nicht ausbleiben, daß meine eigene Erinnerung mich in vieler Hinsicht trügt oder daß meinen Vater schon damals die seinige trog; wir Natla haben wenig Auge und Ohr für Dinge, die nicht unmittelbar mit dem Gelderwerb zusammenhängen. Doch da es offenbar einige Wesen hierzulande gibt, die Interesse für solche alten Dinge aufbringen, und da darüberhinaus seit dem Auftauchen des unseligen Steins die Erinnerungen der Lichtlandbewohner noch viel verworrener und zusammenhangloser geworden zu sein scheinen als meine eigenen, möchte ich doch ein paar jener Erzählungen zu Papier bringen in der Hoffnung, daß sie vielleicht irgendjemandem der Hiesigen von Nutzen sein werden.

Khadazzar


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Die Kronen der Reiche

Zu den Dingen, die immer wieder die Phantasien nachrückender Generationen beflügelten, gehörten schon seit jeher - neben bedeutenden Waffen und Zauberwerken - die Insignien der Macht vergangener Herrscher. Auch aus uns bekannten Gegenden hört man gelegentlich von solch lange verschollenen, manchmal magischen, manchmal kostbaren, manchmal auch nur einfach bizarren Artefakten, zusammengefaßt hin und wieder unter dem Namen "Kronen der Reiche", auch wenn es sich strenggenommen bei vielen um gar keine Krone im engeren Sinn handelt.
Die genaue Zahl dieser alten Kronen, von denen jede ihre eigene Geschichte besitzt, ist vollkommen unklar. Manche nennen nur drei Kronen als die ursprünglichen, namentlich die Krone des Windes von Sutranien, die Aschekrone des Onlokönigs und die Salzkrone von Orewu. Diesen drei Abzeichen ist gemein, daß sie alle in unaussprechlicher Vorzeit zusammengefügt wurden, daß sie seit Äonen als verloren gelten und daß man nichts mehr über sie weiß; zudem sind sie alle verknüpft mit dem Thema Tod und Vergänglichkeit: Asche (toter Überrest lebendigen Feuers), Wind (der die Seelen der Verstorbenen in die Unendlichkeit davonweht) und Salz (das den Boden unfruchtbar macht).
Andere wiederum sprechen von sieben, von zehn, von dreizehn, siebzehn oder gar noch mehr Kronen, und auch die Namen und Herkunftsorte, die genannt werden, und die den Kronen zugeschriebenen Kräfte variieren in fast allen Erzählungen.
Ganz sicher weder eine der kostbarsten noch eine der mächtigsten oder ansehnlichsten Kronen stellte dabei wohl die des Häuptlings der Uled Kerdai dar, auch bekannt als

Die Muschelhaube von Kerdis

Die Uled Kerdai, so erzählt die Sage, waren einst ein mächtiger Stamm von Rinderzüchtern in der Steppe von Kerdis. Niemand weiß mehr, ob es sich bei ihnen um Menschen oder um Wesen anderer Art handelte, oder ob die Steppe nun nach ihnen benannt ist oder sie nach der Steppe. Überliefert wird freilich, daß sie mit einem verwandten, aber rivalisierenden Stamm, den Matussai, in grimmiger Fehde lagen. Als es so aussah, als ob die Uled Kerdai den Sieg in dem langwährenden Krieg davontragen würden, verbündeten die Matussai sich in ihrer Not sogar mit den damals überaus zahlreichen, echsenartigen Nomaden von Mentoran, die prompt plündernd und brandschatzend in die Dörfer der Uled Kerdai einfielen und viele ihrer Krieger niedermetzelten.
Dennoch gelang es dem listenreichen Häuptling der Uled Kerdai, die sicher scheinende Niederlage abzuwenden. Er suchte und gewann die Hilfe des mächtigsten Wesens von Mentoran, des Schwarzen Wüstenlöwen. Dabei handelte es sich mitnichten um ein simples Tier, sondern vielmehr um ein uraltes, zauberkundiges Wesen in der Gestalt eines Löwen mit tiefschwarzem Fell und einer Mähne aus gesponnenen Goldfäden, das angeblich noch den Kolrun selbst durch die Reiche wandern gesehen hatte und das mit seiner Familie ein Lager an der Grenze zwischen Mentoran und Kerdis bezogen hatte. Der Häuptling der Uled Kerdai handelte ein Abkommen mit dem Wüstenlöwen aus, indem er ihm im Gegenzug für seine Hilfe im Krieg einen alljährlichen Tribut an wohlgenährten Rindern für das Löwenrudel versprach.
Der Löwe hielt Wort, fiel in der kommenden Nacht in Mentoran ein und wütete unter den entsetzten Nomaden wie der Tod selbst. Es heißt, daß seit jenem Tag die Macht der Nomaden in Mentoran gebrochen war und daß sie nie mehr in der Lage waren, sich von diesem Schlag zu erholen. Die Matussai wiederum, von ihren Verbündeten verlassen, hatten der vereinigten Kraft der Uled Kerdai und des Schwarzen Löwen nichts mehr entgegenzusetzen, mußten sich ergeben oder wurden niedergemacht.
Zum Andenken an diesen Sieg ließ der Häuptling der Uled Kerdai, der sich nun stolz "König von Kerdais" nannte, sich jene Krone anfertigen, von der hier die Rede ist. Er hatte offenbar von solchen bei anderen Völkern üblichen Herrschaftsabzeichen gehört und tat nun sein Möglichstes, diese Vorbilder gleichzeitig nachzuahmen und seinem eher barbarischen Geschmack anzupassen. Es gibt von dem Stück eine Beschreibung, die so detailliert ist, daß man wohl davon ausgehen kann, ein solches Stück müsse tatsächlich einmal existiert haben.
Offenbar bestand der gesamte obere Teil der Krone aus der Hälfte eines gewaltigen, ausgehöhlten Staubschleifereis, die umgekehrt auf dem Kopf des Trägers saß und dessen Schale in filigraner Handarbeit vielfach durchbrochen und mit feinsten Schnitzereien und Lochmustern verziert war. Der untere Rand war dagegen verkleidet mit einer etwas über handbreiten Bahn dunkelroten Samtstoffs, der wiederum über und über bestickt war mit winzigen Perlen, geschnitzten Horn- und Knochensymbolen, glitzernden Quarzsteinchen und vor allem zahllosen Muscheln und Schneckenhäusern. Diese Muscheln, die offenbar bis aus Lardikia herbeigeschafft worden waren, scheinen für den Häuptling eine besondere Machtfülle demonstriert zu haben und verhalfen der "Muschelhaube von Kerdis" denn auch zu ihrem heutigen Namen. Auf der Spitze des Staubschleifereis war zudem nach Art mancher Helmzierden ein Strauß vielfarbiger Federn befestigt, bestehend vermutlich aus den gefärbten Schwanzfedern der in Kerdis noch immer häufigen Savannenvögel. Es ist ganz unumstritten, daß der Krone auch diverse magische Kräfte innewohnten; angeblich soll sie unzerbrechlich gewesen sein und ihren Träger beinahe unbezwingbar gemacht haben.
Leider endet die Geschichte der Uled Kerdai (und der Muschelhaube) nicht an dieser Stelle. Eines Tages, so heißt es weiter, kam ein reisender Natla in das Dorf des Häuptlings, um wie früher schon Rinder von den Uled Kerdai einzuhandeln. Als er des neuen Kopfputzes des Häuptlings gewahr wurde und die Geschichte vom Sieg über die Matussai und die Nomaden hörte, sagte er: "Gewiß, eine mächtige Krone habt Ihr da, hoher König. Und doch, um wieviel gewaltiger und mächtiger anzusehen wäre sie, würde sie noch geziert vom goldenen Mähnenhaar des Schwarzen Wüstenlöwen." - Diese Worte trafen den Häuptling und vergifteten seine Gedanken; er vermochte an nichts anderes mehr zu denken als an diesen neuen Schmuck für seine stolze Krone. Zudem ärgerten ihn die vielen Rinder, die er dem ständig hungrigen Löwenrudel aufgrund der eingegangenen Abmachung zu schicken verpflichtet war. Und so tat er das Undenkbare, schickte seine besten Krieger aus und befahl ihnen, den Schwarzen Löwen und sein Rudel zu erlegen.
Die Krieger töteten in blutigem Kampf sowohl die Löwin wie ihre Jungen, der Schwarze Wüstenlöwe selbst jedoch entkam. Fortan lebten die Uled Kerdai in beständiger Furcht vor der Rache des Löwen. Diese ereilte sie am Jahrestag des Sieges über die Matussai: Der Schwarze Wüstenlöwe übersprang die gewaltigen Dornhecken, die die Uled Kerdai zum Schutz um ihre Dörfer aufgetürmt hatte, und ermordete in wildem Blutrausch alles, was sich bewegte, Männer und Frauen, Greise und Kinder. Auch der Häuptling selbst fiel ihm zum Opfer, trotz des magischen Schutzes, den die Muschelhaube ihm bot. Als der Morgen graute und der Schwarze Wüstenlöwe ein letztes Mal sein rachedürstendes Brüllen über der Steppe hören ließ, regte sich kein Leben mehr in den Hütten des Stammes. Die Uled Kerdai hatten aufgehört zu existieren.
Aber auch der Wüstenlöwe, hundertfach verwundet von Speeren und giftigen Geschoßen, fühlte sein Ende nahen. Mit letzter Kraft packte er die Krone des Häuptlings, Sinnbild seiner Anmaßung, zwischen den Zähnen, und schleppte sie und sich fort in die Wüste von Mentoran, wo er sie, wie es heißt, tief im Sand vergrub, ehe er selbst zwischen den Dünen verschied.
Der Natla-Händler, der sich in der Nähe verborgen gehalten und alles beobachtet hatte, soll mit den nun verwaisten Rinder-Herden der Uled Kerdai, die er zusammentrieb und für gutes Geld verkaufte, ein exzellentes Geschäft gemacht haben. Ob es wahr ist, daß er auch die Leiche des toten Wüstenlöwen in der Wüste aufspürte und ihr das Fell abzog, und was gegebenenfalls aus dieser kostbaren Beute wurde, ist dagegen nicht bekannt.

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Völlig zusammenhanglose Geschichte diesmal - ich bin nur über den Ideenwettbewerb des Juweliers irgendwie ins Fabulieren gekommen. Und da es nur eine Sage ist, ist es ja auch völlig unwichtig, ob nach der gültigen FW-Historie so etwas in der Art je passiert sein könnte oder nicht. :wink:

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