Colindo Iaew - Alles nahm seinen Lauf...

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Ellias Sonnenglut
Wächter des Vulkans
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Colindo Iaew - Alles nahm seinen Lauf...

Beitrag von Ellias Sonnenglut » 3. Dez 2006, 21:55

... an jenem kühlen Augustmorgen des zweiten Jahres nach dem ersten Celle. Der Zauberer, der von Zauberei nur so viel verstand, dass es ausreichte, zu begreifen, dass er ihrer nicht mächtig war, blinzelte in zwei vereinzelt einfallende Sonnenstrahlen. Einen Moment lang meinte er zu träumen, als ihm statt des wolkenfreien Himmels jenen Morgens zwei vergilbte, lückenhafte Zahnreihen entgegengrinsten. Nachdem er sich mit einem raschen Griff nach seiner Bettstatt, vergewissert hatte, nicht zu träumen, verriet ihm ein weiteres, zögerndes Blinzeln, dass der allem Anschein nach bis zum Bersten gespannte Kieferbogen nicht etwa - wie zunächst im einem Anflug zauberertypischer Verwirrtheit angenommen - im freien Raum schwebte, sondern im Gesicht eines kleinen Mädchens prangte. Er kniff die Augen zusammen, öffnete sie wieder und sah... das selbe Bild. Ihr zerzaustes Haar hing ihm in langen Strähnen ins Gesicht und gab den Blick auf ihre linke Gesichtshälfte preis. Feine, geschwungene Linien ozeanblauer Farbe schmückten zu einem Gesamtbild verflochten, das vom Haaransatz bis zur Kinnspitze zu reichen schien, die leicheblasse Haut des Mädchens und verliehen ihr einen mystischen Teint.

Gähnend erhob sich der Welt größter Zauberer - solange er denn nicht zaubern musste - von der löchrigen Matratze, drückte einige Chiup-Federn zurück ins Futter seines Kissens und fand sich schweren Herzens damit ab, allem Anschein nach nicht zu träumen. Zwar hatte er sich sagen lassen, der Schein pflege zeitweilens zu trügen, doch verriet ihm diesmal eine Art magische Eingebung oder wohlmöglich auch Einbildung, dass das dort vor seinen Augen schwebende Mondgesicht pure Realität war. Widerwillig öffneten sich seine Augen nun in voller Gänze und immer noch etwas schlaftrunken stellte er fest, dass an dem Mondgesicht ein Körper zu kleben schien. Kurz flutete der Gedanke, mit einem gewagten Sprung durch das breite Deckenloch zu entkommen seine Gedankenbahnen, ward jedoch in Anbetracht der höchstwahrscheinlich darauf folgenden Knochenbrüche schnell wieder verworfen. Er kannte das Mädchen. Jeder kannte das Mädchen. Nach ihm selbst, so wusste er, war sie zweifelsfrei die größte Plage, die diese Welt je heimgesucht hatte. Ihr Name war... Walfary Astrariegel. Nun ja, so ähnlich jedenfalls, da war er sich ganz sicher. Seine linke Augenbraue schnellte im Lauftempo eines Dilinugs in die Höhe und warf eine Reihe misstrauischer Falten auf seine Stirnplatte, wie es immer dann der Fall war, wenn er nicht so recht wusste, ob er nun brüllen oder schreien sollte. Er verfügte über ein ausgesprochen feines Verständnis für Akustik und so verstand er es, auf jede nur erdenkliche Art dumm daherzuschwafeln. Er konnte tuschelnd sticheln, lauthals lallen, nuschelnd predigen, wie wild drauflosreden, aus dem Stehgreif schwadronieren, kariert, gescheckt und uniform reden, Phrasen dreschen, krächzen, schnattern und auch grölen. Er wusste andere in Grund und Boden zu quasseln und sich selbst um Kopf und Kragen zu reden, konnte Selbstgespräche, Monologe, Dialoge und Hasstiraden halten, wie ein Wasserfall oder Flussdelta reden, ohne Punkt, Komma und auf Wunsch auch gänzlich ohne Satzzeichen vor sich hinplappern und verstand es sogar (in ganz seltenen Fällen) schlau daherzureden. Kurzum: Wenn es jemanden gab, der mehr über das gesprochene Wort wusste als diesen Zauberer, so war er noch nicht geboren.

Ellias (später schlicht Narrenkönig gerufen, doch das ist eine andere Geschichte...) sollte an jenem Morgen eine große Überraschung erfahren und so war es. Nachdem er sich nun zum dritten Mal vergewissert hatte, dass dies alles kein Traum war, nahmen die Geschehnisse eine bizarre, eigenwillige Komik an. Kaum zu glauben, dass dort, über ihn gebeugt dieser Gör, diese Sera hing, von der man sich überall im Lande nur Schlimmstes erzählte. Vor den Boten entkommen sollte sie sein und trotz ihrer Jugend so erbarmungslos und kalt die Worte führen, dass man fürchten müsse, ihre Wortkunst selbst würde einen zu Grabe tragen. Es kursierten noch einige weitere Gerüchte über diese Walfary, so sagte man ihr zum Beispiel nach, ihre Speichel könne Wunden heilen, ihre Zehnägel wären schärfer als jede Klinge des Landes und auf ihrem Rücken würde ein schwarzes Flügelpaar sprießen. Doch das hielt Ellias für gröberen Unsinn. Mit dem Bekanntheitsgrad eines Wesens wuchs auch das Ausmaß der Gerüchte über sie und umso länger sie im Umlauf waren, umso gewagter war ihr Inhalt. Einst hatte Ellias von einem vorrüberziehenden Händler gar gehört, dort draußen gäbe es einen kleinen Tisch aus Eichenholz, der würde sich auf Befehl hin selbst decken. Auch hatte er von Höhlen gehört, gefüllt mit den kostbarsten Schätzen dieser Lande, die sich öffneten wenn man ”Roggen öffne dich”œ sprach. Nun, er war ein Mann harter Fakten und so gab er nicht viel auf Gerüchte. Einige wenige jedoch, vermochte er über diese Walfary zu bestätigen und das stimmte ihn misstrauisch. Im Moment jedenfalls stand sie an seinem Fußende, ihre Füße wippten leicht im Takt des Grillenzirpens vor dem Fenster und immer noch lag das gleiche, wie Ellias fand, leicht dämliche Grinsen auf ihren Lippen.

Zögernd richtete er sich auf, zupfte sich das Schlafgewand zurecht und brachte seine blonde Haarpracht in eine ihm einigermaßen annehmbar erscheinende Form, bevor er sich zu der kleinwüchsigen Sera (sie maß nur knapp 1,40 und somit sogar weniger als Berilac) wandte und grunzte: ”Was?”œ

Walfary erstarrte und einen Moment geschah gar nichts. Dann, plötzlich, wie aus dem Nichts, erstarb ihr Grinsen und eine vollkommen ausdruckslose Miene fand an ihrer statt Platz. Nicht gerade ein Gewinn, fand Ellias. ”Wie was?”œ, erwiderte sie und schob beide Augenbrauen in die Höhe.

”Was du hier machst...”œ, grummelte Ellias und streifte sich seufzend seine Sonntagsrobe über. Sie war weder gewaschen, noch gebügelt, aber daran störte er sich nicht, solange man den Farbton zumindest noch im Ansatz erahnen konnte: kakifarben. Er wusste selbst nicht so Recht, wieso ausgerechnet seine Sonntagsrobe kakifarben war, kam jedoch zu dem Schluss, dass es nichts brachte, darüber nachzudenken.

”Na... Stehen!”œ, entgegnete die Sera mit ernsthafter Verblüffung und fügte mit einem stolzen Unterton rasch hinzu, ”An deinem Bett... Fußende.”œ

Entnervt ließ Ellias die Augen rollen. ”Ja, das seh ich auch. Aber WIESO stehst du hier? Und vor allem... Wie kommst du hier rein? Das ist schließlich immer noch MEIN Herbergenzimmer.”œ

”Nun...”œ, erwiderte Walfary schnippisch, ”es ist nicht schwer, ein Zimmer zu betreten, in dessen Decke ein Loch klafft, im Durchmesser fünfmal so groß wie der eigene Körper. Außerdem... Stand die Tür offen.”œ Sie grinste.

Ellias grunzte. ”Ist ja gut, ist ja gut. Und was willst du nun?”œ Sein rechter Fuß holte Schwung, trat mit aller Wucht gegen einen hölzernen Schemel am Boden, der im hohen Bogen durch die Luft wirbelte und zitternd zu seinen Füßen zum Stehen kam. Er stellte einen Fuß darauf und begann sich die Schuhe zuzubinden. Diese hatten zwar eigentlich keine Schnürsenkel, aber er hielt es für besser, auf Nummer sicher zu gehen.

”Will was fragen”œ, nuschelte Walfary nun kleinlaut und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. ”Es ist, es ist...”œ

”Ja was?”œ, fuhr Ellias sie an und ertappte sich selbst dabei, wie sein Gedankenspektrum kurz in Richtung ”Saftige Hähnchenkeule”œ und ”Humpen Met”œ abdriftete. Entschuldigend fügte er hinzu: ”Ich meinte... Sprich weiter. Du hast meine ungeteilte Aufmerksamkeit.”œ Noch während des Sprechens begann sich ein ganzes Festbankett in seinen Gedanken zu formieren, er hielt es jedoch für besser, das zu verschweigen.

Für einen Moment deutete alles darauf hin, dass die Sera gleich losplärren würde, dann jedoch erklang ein unterirdisch lautes Schniefen und gefasst fuhr sie fort: ”Nun ja, ich dachte... Also ich meine, wir zwei Pole des Unheils, wir Ausgestoßene der Zivilisation, wir Abschaum, wir Spötter, wir Lästerzungen, ich meine...”œ Vor Ellias geistigem Auge baute sich schon die große Frühstückstafel auf und lies Walfarys Stimme zu einem leisen Chorus anschwellen, der immer und immer wieder das selbe Wort verlauten ließ: ”Essen! Essen! Essen!”œ

”Nun, was ich eigentlich sagen wollte”œ, ließen ihre Worte ihn aus seinen Träumen hochschrecken, ”ich dachte, wo wir zwei uns doch so ähnlich sind und so vortrefflich zueinander passen, wie wäre es da, wenn wir zusammen eine Gemeinschaft ins Leben riefen? Die Gilde der Lästerzungen zum Beispiel. Du als Oberhaupt und ich als Frau an deiner Seite. Na? Wäre das nichts?”œ, endete Walfary und ein schwärmender Ausdruck umfing ihr sonst so fahles Gesicht.

Ellias, in dessen Ohren der Chor nunmehr zu einem bedrohlichen Brummen angeschwollen war, welches er selbst in Richtung Magen vermutete, nickte nur kurz, was wohl mehr als Geste der Speichelbeseitigung, denn als Einverständnis gedeutet werden durfte und brachte sein Gegenüber zum Strahlen. ”œJa?”œ, hakte die Sera siegessicher nach. Ellias erschrak und um nicht gänzlich aus seiner so schönen Wunschvorstellung gerissen zu werden, murmelte er nur: ”Hmm? Ja... Sicher...”œ Eine folgeschwere Tat...

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Ellias Sonnenglut
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// Doppelpost zwecks Anmerkungen

Beitrag von Ellias Sonnenglut » 3. Dez 2006, 22:06

Jaja, mir war mal wieder langweilig (Nein, eigentlich nicht, aber es braucht eben ne vernünftige Ausrede ;)) Jedenfalls erhält unser hässliches Entlein, namens Clanprofil gerade eine Generalüberholung und im Zuge dessen entstand nicht nur unser (wie ich finde) wunderschönes neues Clanlogo, sondern auch dieser Text hier. Und da der nun mal aus meiner Feder stammt und ich meine Texte gern öffentlicher Kritik aussetze, an dieser Stelle eben nochmals.

Was den Text an sich anbelangt... Gewisse stilistische Parallelen zu Pratchett und Moers lassen sich denke ich nicht vollends von der Hand weisen, auch wenn ich mich natürlich weit entfernt von deren Genie (zumindest schriftstellerisch betrachtet) sehe. Das ganze nimmt die Entstehung Iaews auf die Schippe, all zu ernst sollte man das also sicher nicht sehen. Der Text macht etwa 2,5 Seiten in Word aus (Times News Roman, 12 px, Absätze mitgerechnet) und Fortsetzungen sind nicht vollends auszuschließen. Der Text ist gespickt mit Anspielungen auf Missstände, Klischees und reale Begebenheiten und das recht offensichtlich. Die Szene spielt in der Herberge Anatubiens (was nicht ganz realen Tatsachen entspricht), für noch nicht allzu lange spielende RPler könnten bestimmte Passagen schwer verständlich sein, zu Erklärungen bin ich auf Anfrage immer bereit. Ich hoffe auf konstruktive Kritik und positive Resonanz.

Gruß, Ell

Estron Dekal
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Beitrag von Estron Dekal » 4. Dez 2006, 14:02

Echt... lustig :D

Sonst kann ich dazu eigentlich nur noch fragen, warum in der Decke ein Loch ist? :shock:

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Ellias Sonnenglut
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Beitrag von Ellias Sonnenglut » 4. Dez 2006, 17:30

Ich fass das jetzt einfach mal als Kompliment auf ;) Und das Loch, tja, das Loch... Ellias schläft eben lieber unter freiem Himmel. *g* Vielleicht war auch einfach ein Meteoriteneinschlag oder das Gold wurde beim Bau der Decke knapp. Denk dir was aus, ich hab schlicht keine Ahnung...

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