Geschichten um und mit den Tinnuins

Hier ist Platz für Rollenspiel-Geschichten rund um Freewar. Hier dürft ihr eure kreative Energie einsetzen um Geschichten zu schreiben.
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Law Tinnuin
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Geschichten um und mit den Tinnuins

Beitrag von Law Tinnuin » 13. Mai 2007, 22:49

Seit einiger Zeit verweilen sie nun schon in Mirimotha: Die Geschwister Tinnuin. Doch was hat es eigentlich WIRKLICH mit den beiden Geschwistern auf sich und was führt sie in diese unwirklichen Lande? Über jene und andere Fragen rund um die Tinnuins soll dieser Thread Aufschluss geben.

In (mehr oder weniger) kurzen Geschichten, soll hier aus Sicht eines der beiden Geschwister von den Abenteuern und Erlebnissen in der Fremde berichtet werden. Die Autoren behalten es sich hierbei vor, Dinge zusammenzukürzen oder auszuweiten, wenn es der Spannung dienlich ist. Sollten Geschichten von anderen Charakteren als den Geschwistern berichten und sich deren Spieler fehlerhaft dargestellt fühlen, genügt selbstverständlich eine PN oder ein Brief an den Autor, mit Bitte um Anpassung.

Ansonsten wünschen viel Spaß beim Lesen,

Law & Gaerfin Tinnuin
Zuletzt geändert von Law Tinnuin am 31. Okt 2009, 18:54, insgesamt 8-mal geändert.

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Law Tinnuin
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Beitrag von Law Tinnuin » 13. Mai 2007, 22:50

Ein Geschwisterpaar für Mirimotha
oder Wie alles begann”¦


Ziellos trieben die Schatten des Zwielichts im morgendlichen Dämmergrau des eisigen Passes. Selbst zur Mittagsstunde schien er noch jegliche Lichtquelle im Umkreis mehrerer Leugen mit dem riesigen Gebirgsmassiv zu ersticken, das ihn umgab. Was dennoch an Licht hindurchbrach, filterten die riesenhaften, schneebedeckten Fichtenbestände heraus und warfen es als surreale Lichtbilder zurück in den silberweißen Schnee, der auf der Landschaft ruhte, wie ein Meer aus Schwanenfedern.
Und doch”¦ Der Idylle zum Trotz: Dies war kein Ort, der Leben gebar. Nichts weiter als die schaurig kalte Winterresidenz des Todes. Und inmitten der Finsternis: Sein perfides Machwerk, für jedes noch so geschulte Auge unsichtbar. Ein Netz, gewebt aus klirrender Kälte, kroch quälend langsam den Boden entlang, wucherte allerorts unter der Schneedecke empor und was sich einmal darin verfing, war hoffnungslos verloren. In jener Bastion des Todes beginnt meine Geschichte”¦

Es begab sich, dass eines Tages zwei Kinder in besagtem Areal auftauchten. Menschenkinder, wie es sie viele gab. Doch diese Kinder waren anders. Nun vielleicht waren sie es auch nicht, vielleicht waren sie nur ganz gewöhnliche Kinder. Leugnen ließ es sich jedenfalls nicht: Diese Beiden pilgerten nun schon über eine Woche lang unbeschadet durch den Pass, ganz so, als wäre ihnen die Kälte vollkommen gleich. Sie bewegten sich rasch und zielgerichtet, machten nur selten Halt und rasteten meist nur kurz. Das hübsche Mädchen, dessen rotgoldene Lockenpracht vom Wind zerzaust, wirr im Nacken anlag, war ihrem Bruder bei Antritt der Reise stets einige Schritte vorausgesprungen. Nun trottete sie dem großgewachsenem Knaben zwar etwas ermattet hinterher, machte aber dennoch keine Anstalten, ihr Schritttempo zu verlangsamen oder gar der Kälte und Erschöpfung zu erliegen. Dass sie bereits so lange unterwegs waren, wussten die Beiden nicht. Hier gab es keinen Sonnenaufgang, keinen Sonnenuntergang. Nur die immergleiche, ewigwährende Düsternis, die alles verschlang.
»Law”¦?«, erklang in diesem Moment zögerlich eine Stimme hinter dem Jungen.
Sie gehörte seiner Schwester.
»Ja?«, gab der Junge lakonisch zurück und wandte seinen Kopf so weit zur Schwester, wie es ihm unter der Last des nicht eben geringen Reisegepäcks möglich war, das auf seinen Schultern ruhte.
»Ich habe Hunger”¦Â«
Law seufzte. »Aber Fin, du hattest doch vor nicht einmal einer Stunde einen”¦Â«, setze er an, als ihm das Mädchen bereits ins Wort fiel. »Ja, vor einer Stunde, Law! Einer Stunde! Ich hab aber jetzt Hunger! JETZT!«
»Du hast doch ein Loch im Bauch.«, murrte Law. »Fett wie eine Kanonenkugel wirst du noch werden. Du weißt gen”¦Â«
Aber da fiel ihm das Mädchen bereits wieder ins Wort, blähte die Backen zu voller Größe auf und erwiderte pikiert ein bissiges: »Wie bitte?!«
»Ach”¦ Vergiss es”¦Â«, knurrte Law und stapfte zähneknirschend voraus.
»Oh nein! So leicht kommst du mir nicht davon, ich weiß ganz genau, was du gesagt hast, Law, ganz genau, hörst du?! Das werd ich alles dem Onkel erzählen, wenn wir wieder zurück sind! Law? Law?! Law Tinnuin! Hörst du mir überhaupt zu?!«, rief das kleine Mädchen ihrem Bruder aufbrausend hinterher und sah zu, wieder Anschluss an den Jungen zu gewinnen.

Nun und so zogen die Beiden noch einige Tage zankend und zeternd durch den frostigen Pass, stritten über Proviant, Kälte und Tempo, ohne dass sich die Landschaft veränderte. Sobald die ersten Bäume wieder hinter ihnen versanken, tauchten vor den schneebedeckten Berghängen am Horizont schon die nächsten auf, ragten wie Stelzen aus dem Puderschnee hervor und warfen die selben Lichter auf den gefrorenen Boden, wie die soeben aus dem Blickfeld der Kinder verschwundenen.
Bis irgendwann die Berge am Horizont immer näherrückten, die Fichten davor langsam in die Höhe wuchsen und mit Eiskristall bedecktes Geröll den Platz von Schnee und Eis einnahm.
»Da müssen wir hoch?« Das Mädchen kam als Erste am Fuße des Berges zum Stehen und riss die Augen weit auf, als hoffe sie, die von Dunstschleiern verdeckte Spitze zu erspähen.
»Da müssen wir hoch.«, gab Law ihr gewohnt lakonisch zur Antwort.
In diesem Moment hellte sich Fins Miene besorgniserregend auf. »Duhu, Law? Ähm na ja du trägst mich doch rauf, nicht wahr?«
»Was?«, erwiderte Law abwesend.
»Hochtragen. Ob du mich hochträgst, Law.«
»Äh”¦ Wieso sollte ich?« Law zog die linke, markantere Augenbraue in die Höhe und wies mit einem unterschwelligen Fingerzeig auf den Gepäckberg auf seinem Rücken.
»Das sag ich dem Onkel auch.«, schniefte Fin hörbar auf und macht sich widerstrebend an den Aufstieg. Law stutzte einen Moment, blickte der kleinerwerdenden Silhouette seiner Schwester nach und folgte dann leise vor sich hinmurmelnd. Dabei schien speziell das Wort Gebirgslawine eine tragende Rolle zu besitzen, dicht gefolgt von Gewitterhexe.

Während des Aufstiegs dachte Law darüber nach, wie er in diese Situation geraten war. In das beschauliche Dorf Konlir, im Herzen des Landes, sollte sie ihr Weg führen. Sobald der Pass überquert wäre, mussten sie zweifelsfrei in Latenia, einem der lebensfeindlichsten Gebiete überhaupt angelangt sein. Von dort würden es dann nur noch zwei, bei langer Rast höchstens drei Tagesmärsche sein, wenn die Reise auch weiterhin ohne Zwischenfälle verlief. Fast bedauernd blickte Law dem Ende ihrer strapaziösen Wanderung entgegen. Er selbst konnte sich nichts schöneres vorstellen.
In seiner Brust schlug das Herz eines Kämpfers und er genoss den Geruch von Abenteuer und Gefahr in der kühlen Luft. Er hoffte inständig darauf, dass ein Gelbbartyeti oder eine ähnlich grässliche Kreatur hinter der nächsten Ecke auf sie lauerte, damit er seine Schwester in all seiner Heldenhaftigkeit wieder aus den Fängen des Untiers befreien konnte. Doch ein Gelbbartyeti ließ sich nicht blicken und auch sonst verlief ihre Reise ruhig. Nur ab und an begegneten sie einem vereinzelten Schneehuhn oder beobachten wie über ihnen majestätisch ein Eisvogel durch die Lüfte glitt.
Eisvögel. So etwas hatte es bei ihrem Onkel nicht gegeben. Die Beiden waren bei ihrem Onkel aufgewachsen, ihre Eltern hatten sie nie kennen gelernt. Oft hatten sie ihren Onkel darauf angesprochen, wie sie gewesen waren, doch meist hatte er darüber geschwiegen. Nur einmal, im Suff, hatte er laut etwas davon gebrabbelt, sie seien Verbrecher und würdelose Hunde gewesen. Law wollte bis heute nicht daran glauben und reagierte äußert gereizt, wenn man ihn mit derartigen Gedanken konfrontierte. Adlig waren sie gewesen, das war alles was er sicher wusste. Adlige und Verbrecher? Ein Ding der Unmöglichkeit für Laws jugendlichen Verstand, der noch nicht begriff, dass ein Verbrecher nicht zwingend eine Straftat vor dem Gesetz begangen haben musste. Dennoch hätte er nur zu gern etwas mehr über seine Eltern gewusst. Doch stattdessen war er nun auf dem Weg nach Konlir, wo die Beiden dem Wunsch ihres Onkels entsprechend eine Ausbildung beginnen sollten.
Eine Ausbildung. Ja, das war etwas nach Laws Geschmack. Eine Ausbildung in der Kunst des Kampfes, das wäre es gewesen. Doch stattdessen sollte er bei einem Konlirer Philosophen in die Lehre gehen. Schon bei dem Gedanken wurde Law übel. Sein Wissen über Philosophen beschränkt sich darauf, dass er nichts über Philosophen wusste und das genügte ihm völlig. Insgeheim hoffte er, dass sie nie in Konlir ankommen würden”¦

***

»Law!«, schallte da ein aufgeregter Schrei seiner Schwester durch die Dunkelheit und ließ den Jungen aus seinen Gedanken aufschrecken. »Law! Law, sieh nur! So sieh doch!«
Law grunzte vernehmlich, zog sich mit zwei gekonnten Handgriffen rasch drei weitere, vom Schnee bedeckte Vorsprünge empor und kam neben seiner Schwester zum Stehen. »Oh”¦Â« Zu mehr kam er nicht, die Kinnlade klappte hinunter und er ließ seinen Blick ebenso überwältig über die weite Landschaft schweifen. Gleißend helles Sonnelicht strahlte ihnen entgegen und tauchte die Landschaft vor ihnen, trotz der eher tristen Aufmachung in ein Meer aus Farben, wie sie es seit Wochen nicht mehr gesehen hatten. Der eisige Pass war überwunden. Und das musste es nun sein: Latenia. Von hier oben konnte man das ganze Gebiet überblicken: Zugefrorene Seen, schneebedeckte Hänge, hier und da eine verschneite Blockhütte, umringt von einer Handvoll Tannenwäldern und sah man ganz genau hin, konnte man dazwischen sogar einige wenige Frostgeister auf Beutezug entdecken.
Frostgeister. Law lief ein freudiger Schauer über den Nacken. In Gedanken malte er sich aus, wie es wohl wäre, einen Frostgeist mit der blanken Faust niederzustrecken. Am geisterhaften Haarschopf würde er ihn packen und bis nach Konlir schleifen, auf dass sie ihn als strahlenden Held feierten. Er schielte zu seiner Schwester. Vielleicht würde sie ihn küssen. Law wusste, dass die Fräulein in den alten Märchen, ihren Beschützern stets eine solche Belohnung zugestanden. Ob sie wohl schon einmal einen Freund gehabt hatte? Law versuchte sich zu erinnern. Eine Zeitlang war sie ständig mit dem Sohn des Müllers, von außerhalb des Dorfes, durch die Wälder gestreift, das wusste er. Ein recht ansehnlicher Bursche war es gewesen: Groß, kräftig, das schulterlange Haar stets zum Zopf geflochten. Er musste schon damals um einiges älter als Fin gewesen sein, zweifelsohne, doch eines Tages war er auf einmal verschwunden. Law hatte nie gefragt, wohin. Da wurde ihm plötzlich schmerzlich bewusst, dass ER nicht küssen konnte und ihm all seine Muskeln nie mehr als verhaltenes Kichern unter Mädchen eingebracht hatten.
»Gaerfin?«
Seine Schwester würdigte ihn keines Blickes.
»Gaerfin”¦?«, setzte er erneut an und sprach betont langsam.
Keine Reaktion.
»FIN!«
»Ja?«, wandte sie ihrem Bruder den Blick zu, reckte das Kinn leicht in die Höhe und setzte ihr damenhaftestes Lächeln auf, als wäre nichts gewesen.
»Äh”¦Â«, machte Law.
Er hatte vergessen, was er hatte sagen wollen.
Eine Weile standen sie schweigend Seite an Seite da, dann hob Fin die Hand und wies auf eine kleine Hütte, inmitten der Eiswüste, aus deren Schornstein es fröhlich qualmte. Kleine, rußschwarze Rauchwölkchen stiegen daraus empor, verharrten einen Augenblick und verpufften dann rasch wieder. Jemand musste dort sein. »Gehen wir.«, gab seine Schwester kurz zur Weisung und machte sich schon an den Abstieg, als Law ein weiteres Mal ansetzte: »Gaerfin?«
Ein kurzes Schweigen.
»Fin. Es heißt Fin, Law.«, erwiderte sie und verschwand hinter einem kleinen Vorsprung.
Law starrte ihr einen Moment lang hinterher und warf noch einen letzten Blick auf die weite Landschaft. Diesen Anblick würde er so schnell nicht wieder vergessen. Dann folgte er ihr.

***

Der Abstieg gestalte sich schwieriger als erwartet. Nicht nur, dass es auf dieser Seite um einiges steiler in die Tiefe ging, auch das Gletscherrelief war nahezu spiegelglatt und bot nur spärlichen Halt. Die beiden Geschwister kamen nur schleppend voran und unter der Last des schweren Gepäcks, kam Law jeder Schritt doppelt so schwer vor. Das ungewohnte Sonnenlicht ließ die Äderchen in ihren Augäpfeln zu blutigen Wülsten anschwellen und begann die beiden zu blenden.
»Ist es noch weit?«, stöhnte Law.
Keine Antwort.
»Fin! Ist es noch weit!?«
Wieder nichts.
Zögerlich blickte Law nach unten. Fin war verschwunden. Und an ihrer Stelle klaffte nun ein großes, schwarzes Loch im Schnee. Angestrengt spähte er in die Dunkelheit. Doch zwecklos, seine geschwollenen Augen sahen weder im Hellen, noch im Dunklen wirklich etwas.
»Fin? Bist du da irgendwo?!«, rief er in das Loch hinein.
Stille. Law seufzte und sprang dann beherzt in die Finsternis.

Es dauerte nicht lange und Law landete wieder auf festem Boden. Eine dichte Wolke aus Eiskristall stob auf und vernebelte die Sicht für den Bruchteil einiger Sekunden. Als sich der Nebel langsam wieder lichtete, gab er den Blick auf Laws Schwester frei. Sie lag zusammengekrümmt am Boden der gigantischen Höhle, die komplett aus Eis zu bestehen schien. Erschrocken stürmte Law auf seine Schwester zu. Das Herz schlug in ruhigen Bahnen, sie war lediglich ohnmächtig geworden.
Law zögerte und blickte sich in der Höhle um. Ein sicherlich gut fünf bis sechs Schritt breiter Korridor aus Eis wand sich ins Innere der Höhle und glänzte mystisch. Vier riesige, gefrorene Stützpfeiler schraubten sich bis zur Decke empor und hielten das zerbrechliche Konstrukt der Natur.
Dann gab er seiner Schwester kurzentschlossen eine saftige Ohrfeige.

Erschrocken fuhr Fin in die Höhe, schnappte nach Luft und hielt sich reflexartig die Wange. »Du hast mich geschlagen.«, entfuhrt es ihr empört.
»War nur zu deinem Besten«, brummte Law.
»Zu meinem Besten?«, echote sie, »Zu meinem Besten? Law? Hörst du mir überhaupt zu?«
»Sscht!«, machte Law und winkte ab.
»Ich soll still sein? Still sein soll ich? Pah, das haste dir so gedacht!«, setzte sie an, als ihr Law unsanft die Hand auf den Mund presste. »Sei still! Hörst du das denn nicht?«
Fin lauschte. In der Ferne gurgelte es leise. Wasser.

***

Seit nunmehr knapp einer Stunde zogen die Beiden schon durch die eisigen Katakomben, dem näherrückenden Plätschern von Wasser folgend, das sie immer tiefer in die Höhle lotste. Umso weiter sie kamen, desto schmaler und düsterer wurden die Gänge, bis schließlich nur noch ein spärlicher Lichtschimmer den eigentlichen Weg erhellte. Sie sprachen nicht.
Law musterte im Vorrübergehen einen mächtigen Stützpfeiler aus Eis. Irgendetwas daran kam ihm seltsam vertraut vor, doch er vermochte nicht zu sagen, was es war. Die Säule maß mehrere Fuß und ließ nicht einen einzigen Lichtstrahl hindurch: In ihrem Innern war es stockfinster.

Fin sprang nun wieder gutgelaunt einige Schritt voraus. Die ungewohnte Umgebung hatte die Neugier in ihr einmal mehr geweckt. Frohen Mutes stolperte sie dem Ende des Tunnels entgehen, bog mit einem beherzten Schlenker um die Ecke und”¦ Schrie! Leichenblass taumelte sie einen Teil der Strecke wieder zurück, bis ihr ihr Körper auch diesen Dienst versagte und sie zitternd zu Boden sank. Schlotternd streckte sie den dünnen Arm dem Tunnelende entgegen, wies mit dem Finger um die Ecke und brachte nur in einem furchtsamen Stammeln hervor: »D-D-Da”¦ha, Lahaw.«
Law ließ die Augen rollen. Vermutlich eine Spinne oder vielleicht auch eine Ratte, dachte er. Nur widerwillig setzte er sich in Bewegung, schlurfte um die Ecke und”¦ Schrie! Natürlich schrie Law nicht so, wie es seine Schwester getan hatte. Er schrie nicht vor Furcht, sondern vor Entzücken. Denn am Ende des Ganges stand, ein mächtiger Brunnen, aus dem fröhlich das Wasser hervorsprudelte, dessen Geräuschen sie bereits die ganze Zeit nachgingen. Doch damit noch nicht genug: Auf dem Brunnenrand hockte wie selbstverständlich die schimmernde Silhouette eines Frostgeistes! Vom Aufschrei der beiden Geschwister aufgeschreckt, wandte er den Beiden sein makellos schönes Gesicht zu und musterte sie mit ausdruckslosem Blick.
»Äh”¦ «, setzte Law an und kratzte sich am Kopf. Ob er ihn wohl verstand?
»Wer ist da?«, zischelte die Stimme des Frostgeistes durch die Luft und klang dabei ein wenig wie eine Flasche frisch geöffnetes Blubberwasser.
»Ähm”¦ Niemand.«, gab Law etwas stumpf zurück. »A-Absolut niemand.«
»Wer ist da?«, zischelte die Stimme erneut und diesmal etwas zornig.
»Nur äh meine Schwester und Ich.«
»Ihr”¦ seid Kinder, nicht wahr?«, knurrte das halbtransparente Wesen, erhob sich vom Rand des Eisbrunnens und schwebte bis auf einige Fuß an die Geschwister heran. Seine Aura war so eiskalt, dass Law begann, zu zittern wie Espenlaub. Der Atem des schauderhaft schönen Wesens strich scharf seine Wange entlang, während es ihn mit dem immergleichen, leeren Blick anstarrte.
Da fiel es Law wie Schuppen von den Augen: Der Frostgeist war blind!
»Hah!«, lachte Law auf und erwiderte übermütig: »Du kannst uns gar nicht sehen, häh?«
»Aber immer noch jederzeit töten!«, fauchte die Stimme und die schimmernde Pranke schoss nach vorn. Ehe Law es sich versah, schlossen sich fünf erschreckend feste Finger um seinen Hals, hoben ihn in die Höhe und warfen ihn unsanft hin und her. Unbändige Kälte durchströmte ihn.

Law nahm die furchtsamen Schreie seiner Schwester nur noch verschwommen wahr. An ihrer statt hatte etwas vollkommen Neues den Platz seiner Wirklichkeit eingenommen: Wahnsinn. Vor seinem Auge zogen in rascher Abfolge Bilder aus seiner frühen Kindheit vorbei, aber auch solche, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Zwei darunter stachen besonders hervor: Ein weitläufiges Meer aus Blut und ein schmaler, scheint”™s endlos langer Flur, vollgestopft mit unzähligen, vergilbten Koffern.
Dann war alles vorbei. Von einem Moment auf den anderen kehrte Law in die Wirklichkeit zurück und fand sich zusammengekrümmt am Fuße des Felsbrunnens wieder. Im Hintergrund hörte er seine Schwester noch immer verzweifelt schreien. Er spürte keinen Schmerz, nur Kälte. Der Frostgeist hatte wieder am Brunnenrand platzgenommen und blickte teilnahmslos auf das kreischende Mädchen. Law schien Luft für ihn. Einen Moment lang dachte Law darüber nach, ob er vielleicht gestorben war. Ein unter horrender Anstrengung erkämpfter Kniff in den Arm, belehrte ihn jedoch eines besseren.
»Das”¦ Glück”¦Â«, setzte der Frostgeist in diesem Moment ächzend an, »Das Glück”¦ ist ein schlechter Verbündeter”¦ für einen Kämpfer wie du es sein willst, mein”¦ Junge.«
Law wollte etwas erwidern, doch sein Mund fühlte sich an, als hätte jemand mit aller Gewalt einen riesigen Block Eis hineingezwängt und so drang kein Ton heraus.
Ein kaltes Lächeln umspielte die Lippen des Frostgeistes. »Du redest”¦ wenn du gefragt wirst, Ungestümer, der”¦ du ein Krieger sein willst.« Er hob gemächlich die Hand empor und strich sich das langgestreckte Kinn damit entlang - Eiskristall rieselte herab. Er schnippte kurz in die Finger und Fin verstummte augenblicklich. »Sie”¦ kann uns nicht hören. Dieser”¦ Ort”¦ kennt keine”¦ Zeit.«
»Merk dir eins”¦ Scherenschleifer. Ein”¦ Krieger, der bedenkenlos in”¦ jede Schlacht zieht, ist”¦ rasch ein toter Krieger. Um”¦ einen Frostgeist zu erlegen, braucht es”¦ mehr als die blanke Faust eines”¦ Tunichtguts wie”¦ dir. Doch”¦ den König”¦ schlägt nur”¦ der beste”¦ Stratege.«
Der Frostgeist wandte den Blick zur Seite und sah ausdruckslos auf Law hinab. »Du”¦ bist zu”¦ jung”¦ hier zu sterben. Drum”¦ geh! Aber merke stets”¦ Einen übermächtigen Feind”¦ zu fürchten, zeugt”¦ von mehr als das von Dummheit beseelte Streben nach”¦ Heldenhaftigkeit.«

Ein pochender Schmerz durchfuhr Laws bis dahin regungslosen Körper, dann wich die Kälte daraus und Fin begann wieder ungehemmt zu kreischen. Der Frostgeist war verschwunden. Ächzend richtete sich Law auf und sah sich um. Fin war mittlerweile erneut verstummt und blickte ebenso irritiert um sich. Sie schien sich nicht daran erinnern zu können, warum sie geschrieen hatte. Eine Weile standen sie so da, dann piepste Fin ängstlich: »Law?”¦ Irgendwas stimmt hier nicht”¦ Sieh nur”¦ die Wände. Da-Das sind”¦ Knochen!«
Law schien die selbe Entdeckung gemacht zu haben, denn auch er starrte mit schreckensgeweiteten Augen auf die Wände. Nun wusste er, woher die Dunkelheit im Innern der Stützpfeiler kam und wieso ihm ihre Form so bekannt vorgekommen war: Hinter dem Eis bargen sich tausende kleiner und großer Knochen. Und es waren ohne Zweifel menschliche darunter. Doch ehe Law näher darüber nachdenken konnte, begann die Höhlendecke zu erzittern und Eiskristall rieselte hinab.
Zeitgleich schossen die Blicke der beiden Kinder zur Seite und bemerkten die schmalen Risse, die sich nun zu allen Seiten im Eis zu bilden begannen und rasch größer wurden. »Runter!«, brüllte Law auf, ohne groß nachzudenken oder Widerspruch abzuwarten und zog seine Schwester zu Boden. Unsanft prallten sie aufs Eis und Law bemerkte nur noch beiläufig aus dem Augenwinkel, wie zwei gigantische, langgestreckte Kreaturen aus dem Eis hervorbrachen und mit rasantem Tempo über ihnen entlang zischten. Sie verfehlten sie nur knapp und verschwanden krachend wieder im Eis. Splitternd fielen Knochen zu Boden oder wurden sofort von den angsteinflössenden Kreaturen zermalmt.
Dann war es wieder still.
»Sie sind noch hier”¦Â«, raunte Law seiner Schwester zu.
Und in der Tat. Wenn man ganz genau hinhörte, vernahm man ein leises Knirschen hinter der Eisschicht: Die beiden Geschwister waren in ein Massengrab gestolpert und die Mörder noch hier.
»Hör zu«, flüsterte Law und entsann sich der Worte des Frostgeistes, »Du tust jetzt genau, was ich dir sage, ist das klar?«
Fin nickte nur stumm. Sie war leichenblass.
»Wenn ich ”šJetzt”™ sage, läufst du los. Du bleibst nicht stehen und siehst nicht nach hinten, egal was passiert. Da hinten ist Licht, dort muss der Ausgang sein. Bis dahin rennst du und wartest dann auf mich. Wenn ich in fünf Minuten nicht da bin, zieh alleine nach Konlir weiter. Verstanden?«
Tränen bildeten sich in Fins Augen, doch sie nickte tapfer und machte sich bereit.

***

»Jetzt!«, schrie Law. Er wartete nicht auf die Reaktion seiner Schwester, hechtete zur Seite und sprang in die Hocke. Sofort wurde das Knirschen im Eis lauter: Die Bestien hatten angebissen. Er wirbelte herum, stolperte auf den Brunnen zu und kletterte etwas unbeholfen daran empor.
Dann war es soweit: Die erste Bestie brach aus dem Eis und zum ersten Mal nahm Law sie bewusst zur Kenntnis. Meterlang wand das Untier seinen Leib aus dem Eis, der von tausenden kleinen Eisstacheln besetzt war und Teil der Wand selbst zu sein schien. Dort wo Law das Gesicht vermutete, zeichneten sich nur schemenhaft die Gesichtszüge des Scheusals ab: Ein verwaschenes, graublaues Augenpaar, zwei kraterähnliche Nasenlöcher und ein langgestreckter Mund, aus dessen düsterer Leere ganze drei spitze Zahnreihen hervorstachen, zwischen denen noch Knochensplitter hingen.
Einen Moment lang hielt das Monstrum inne und schien Law zu mustern, dann stieß es einen markerschütternd grellen Schrei aus und stürzte sich auf den zitternden Jungen. Doch Law war vorbereitet, sprang empor und landete mit beiden Beinen auf dem Kopf des Ungetüms. Sein Dolch wanderte mit einer flinken Handbewegung in die Rechte, die Linke umklammerte sie nur zusätzlich, dann stach er mit aller Kraft zu: Der Dolch fand sein Ziel direkt zwischen den Augen.
Die monströse Kreatur brüllte vor Schmerz und Wut, schüttelte sich und warf Law unsanft zu Boden, bevor sie wieder im Eis verschwand. Rasch rappelte er sich wieder auf. Der Dolch, die einzige Waffe der beiden Geschwister war verloren. Ihm blieb nichts anderes als der Rückzug.
Sein Knöchel schmerzte und erschwerte Law das Laufen, wahrscheinlich hatte ihn die Wucht des Aufpralls zerschmettert. Humpelnd blickte er nach vorn und sah seine Schwester im Licht des Ausgangs verschwinden. Wenn er es bis dorthin schaffte, waren sie gerettet. Neben ihm begann das Eis erneut bedrohlich zu knirschen, die zweite Bestie bahnte sich ihren Weg hindurch. Furchtvoll sah Law abwechseln nach Links und Rechts, doch nichts tat sich. Das Eis blieb unverändert.
Dann gesellte sich ein anderes Knirschen dazu: Sie jagten gemeinsam. Und sie jagten ihn!

***

So schnell ihn seine Beine trugen und sein Knöchel es zuließ, schleppte sich Law dem Ausgang entgegen. Das Knirschen aus dem Eis begleitete seinen Weg und kam rasch näher: Es konnte sich nur noch um wenige Augenblicke handeln, bis die beiden Schauerkreaturen über ihn herfielen.
Wann immer sich die Möglichkeit bot, suchte Law den Schutz einer Säule, kleinen Erhebung oder Biegung, um in ihrer Geborgenheit wieder kurz zu Atem zu kommen. Eine Rast schien jedoch zu riskant und so pirschte er sich stets leicht geduckt weiter dem Ende des Ganges entgegen, warf hastige Seitenblicke nach links und rechts und spähte nach Rissen im Eis oder den Bestien selbst.
Dann war es soweit: Im Eis zu seiner Linken bildeten sich erste Risse, ein ohrenbetäubender Schrei durchfuhr die Höhle, dann barst das Eis und gab den Blick auf die monströsen Umrisse der Eiskreatur frei. Erschrocken wirbelte Law noch im Lauf herum und hob kampfbereit die Fäuste. Wenn sie ihn schon bekamen, so wollte er ihnen doch zumindest ein würdiger Gegner sein, dachte er sich.
Ein Fehler. Denn genau in dem Moment, in dem Law sich der einen zuwand, zerbarst auch die Eisschicht in seinem Rücken und gab die zweite Bestie frei, die für die Winzigkeit eines Moments regungslos verharrte und sich dann heißhungrig auf den Jungen stürzte, als hätte sie bereits die ganze Zeit über nur darauf gewartet. Der stachelbewehrte Schwanz peitschte von einem sirrenden Pfeifton begleitet durch die Luft und traf Law mit voller Wucht im Kreuz, den die ungehemmte Kraft dahinter von den Füßen riss und einmal quer durch die Höhle katapultierte. Nur wenige Schritt weit vom Ausgang entfernt, prallte er gegen einen vereisten Stützpfeiler und sank entkräftet zu Boden.
Siegessicher gab das Ungetüm ein lautstarkes Knurren von sich und walzte auf den zu Boden gegangen Jungen zu. Law selbst bekam davon nur wenig mit: Dichte Dunstschleier umwogten seinen Blick, der Schmerz in seinem Knöchel war noch unerträglicher geworden und es kostete ihn vieles an Überwindung, nicht endgültig wegzutreten. Doch so leicht wollte er es ihnen nicht machen. Er spähte nach vorn und erkannte in dem Scheusal das selbe wie vorhin: Zwischen den Augen saß SEIN Dolch! Es bäumte sich auf, kreischte lautstark seinen Schlachtruf heraus und stürzte sich dann auf Law.
Jetzt! Jetzt oder nie, pochte es durch Laws betäubte Gedankenbahnen. Jeder Muskel spannte, der Körper des Jungen stemmte sich in die Höhe und warf sich im letzten Augenblick zur Seite. Krachend brach die Bestie ungebremst in die dichte Eisschicht ein und schob die Knochenschicht dahinter knirschend weiter nach hinten. Ein klagendes Jaulen erklang, dann war es vorbei: Die Decke zeigte schmale Risse, dann brachen erste Eisstücken daraus. Erst kleine, dann immer größere, bis es irgendwann einen gewaltigen ”šRumms”™ tat und der monströse Schutthaufen aus Eis und Knochen das Untier unter sich begrub. Ein leises Wimmern kündete von seiner Verzweiflung, dann war es still.
Erleichtert atmete Law auf. Dennoch”¦ das andere Monstrum war noch hier und es wäre nur eine Frage der Zeit, bis es ihn aufspüren würde. Er seufzte. Dass es sein Schicksal wäre, ausgerechnet in einer düsteren, kalten und feuchten Eishöhle sein Leben zu lassen, damit hatte er nicht gerechnet.
Resigniert wälzte sich der sonst so stolze Knabe auf den Bauch und beschloss, abzuwarten. Wenn es stimmte, was man sich erzählte, würde ihn der Tod in seiner schwarzen Kutte und der langen, geschärften Sense schon bald bei der Hand nehmen und in den Himmel führen. Oder in die Hölle. Law schauderte. In die Hölle wollte er nicht. Aber noch weniger wollte er den beinernen Anblick des Todes ertragen und so blieb er regungslos liegen. Lange blieb es ruhig: Das andere Ungetüm schien wieder im Eis untergetaucht oder zumindest das Fehlen seines Jagdgefährten nicht zu bemerken.
Dann”¦ bemerkte Law einen Schatten aus dem Augenwinkel. Ob das der Tod war? Nun, ein wenig größer hatte er sich den Tod schon vorgestellt, aber es schien ihm ungehörig, ausgerechnet das Aussehen des Schnitters zu bemängeln und so schwieg er weiter. Zweifelsohne hätte er davonlaufen oder sich wehren können, die Kraft war in seinen Körper zurückgekehrt und auch sein Knöchel schien sich zu erholen. Doch was machte es schon für einen Sinn, dem Tod zu entfliehen? Nun, einen ganz erheblichen fand Law, nur ausreichend realistisch genug schien ihm diese Möglichkeit nicht.
Ein feuchtklebriger Finger tippte Law auf die Schulter. Einmal, zweimal, dreimal. Vermutlich brachte es einfach nichts, sich dem Tod gegenüber tot zu stellen. Überhaupt hatte Law sich die ganze Sache erheblich kürzer und dafür umso spektakulärer vorgestellt. Ein glatter Schnitt mit der Sense, ja mit ein wenig Funkengesprüh und höhnischem Lachen hätte er sich auch noch zufrieden gegeben, aber der Tod, den man Law zugeteilt hatte, war denkbar langweilig. Ein Fingertippen, das war alles.
»Law”¦Â«, quengelte da die weinerliche Stimme seiner Schwester neben seinem Ohr.
Stille. Der Tod hatte die Stimme seiner Schwester? Das WAR schauderhaft.
»Law, jetzt steh endlich auf.«, wimmerte die Stimme. »Mir ist kalt und das andere Vieh kann jeden Moment wieder hier auftauchen. Wir müssen weg.«
Abermals Stille.
»Fin?«, krächzte Law ungläubig.
»Ja, ja.«, winkte seine Schwester ab. »Na los doch, jetzt steh schon auf!«
»Aber ich hab doch gesagt, du sollst”¦Â«
»Na ja, schon”¦ Aber draußen ist es allein so unheimli”¦ also ähm i-ich meine, i-ich hab den Lärm gehört und dachte, ich seh lieber mal nach.« Als würde es das soeben Gesagte nochmals untermauern nickte das Mädchen mehrmals kräftig mit dem Kopf und grinste dann spöttisch: »Und jetzt steh endlich auf, oder kannst du schon nicht mehr?«
»Was? Also äh ich”¦Â«, stammelte Law. »Na-natürlich kann ich noch!«
Und in der Tat, der Knabe stand auf, als sei nichts gewesen.

***

Ihr Weg hatte sie rasch dem Ausgang entgegen geführt. Keinem der beiden Geschwister stand der Sinn danach, länger als unbedingt nötig an diesem unheimlichen Ort zu verweilen. Obwohl sie auf Samtpfoten über das spiegelglatte Eis geschlichen waren, um nicht doch noch das zweite Ungetüm zu alarmieren, war es Law vorgekommen, als glitten sie mit geradezu atemberaubender Geschwindigkeit dem fernen Ausgang entgegen. Um so mehr verwunderte es ihn, als sie plötzlich von einem Moment auf den nächsten ins gleißende Hell der Abendsonne eintauchten und sich im Freien wiederfanden.
Es dauerte eine Weile, bis sich Laws Augen an die grellen Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, dann sah er es: Die gleiche weite Tundra, die sie schon von oberhalb des Berges bewundert hatten, lag vor ihnen. Es war vollbracht: Die beiden Geschwister hatten in Mirimotha Einzug gehalten.

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Law Tinnuin
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Kommentar

Beitrag von Law Tinnuin » 13. Mai 2007, 22:51

Viel zu sagen gibt es zu dieser Geschichte eigentlich nicht. Sie umfasst mit Strukturierungen in Word, Times New Roman, Schriftgröße 11 gut 7 A4 Seiten und 4.637 Wörter und stellt den Prolog der Law-Erzählreihe dar, fällt deshalb also etwas länger aus, als vermutlich nachfolgende Kapitel.

Der Prolog ist rein fiktiv, die darin geschilderten Erlebnisse frei erfunden und nie ausgespielt worden und dienen größtenteils dazu, den Leser mit den beiden Geschwistern (hierbei speziell Law) vertraut zu machen. Er reißt einige Dinge an, die erst in späteren Kapiteln einen Sinn ergeben oder später wichtig werden. Explizit ist auch nochmals darauf hinzuweisen, dass der hier dargestellte Law keineswegs mit dem derzeit von mir gespielten RP-Char gleichzusetzen ist, der bereits eine weitergehende Veränderung durchgemacht hat, die sich dem Leser erst in späteren Kapitel erschließen wird.

Die eisige Höhle, in der sich die beiden Geschwister gegen Ende wiederfinden, ist die Eishöhle in Latenia, die auftauchende Kreaturen sind Glypra, der Frostgeist samt Brunnen findet sich an der Heilquelle in der Höhle und die Umgebungsbeschreibungen sowohl der Höhle als auch des Ausblicks auf Latenia basieren weitestgehend auf den spielgegebenen Feldbeschreibungen.

Meinungen, Anregungen und Kritik sind natürlich (wie immer) erwünscht.

Law

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Gaerfin Tinnuin
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Beitrag von Gaerfin Tinnuin » 25. Mai 2007, 21:21

In Erinnerungen

Wieder einmal plagte Gearfin Tinnuin, Tochter des Markgrafen und der Markgräfin von Thurimbar,
beurlaubte Novizin der Akademie praktizierender Zauberer und Naturwissenschaften im dritten
Lehrjahr, und angehende Diebin sowie Schützling des Meisterdiebes Cian Mirarus, das schlechte
Gewissen. Eigentlich hatte sie damit schon lange abgeschlossen als ihr klar wurde, dass sie in
diesem Weltenabschnitt, weit fort von zu Hause, auf sich allein gestellt, im Stich gelassen von
ihrem Bruder und außer der Reichweite ihres strengen Onkels, der sie stets zur Rechtschaffenheit
gemahnte, mit ehrlicher Arbeit nicht weit kommen würde. Außerdem war Cian viel hübscher als ihr
Onkel.
Doch eine Nachricht, die sie durch Zufall auf dem Markt aufschnappte, als sich Händler angeregt
mit einer Kundin unterhielt und Gearfin die Gelegenheit nutzte ein paar seiner feilgebotenen
Früchte unbemerkt in ihrer Schürze verschwinden zu lassen, machte ihr zu schaffen. Der Philosoph
Konlirs, so hieß es, habe sich endlich eines Lehrlings angenommen und Gearfin hoffte, dass es ihr
vermisst gemeinter Bruder war. Dafür war sie mit Law vor einigen Monaten schließlich hierher
gekommen um, auf innigsten Wunsch des Onkels eine Ausbildung gemeiner Philosophie zu
erhalten. Doch dazu sollte es für die Junge Zauberin nicht kommen.
Als sich Law Tinnuin, von Geburt an hitzig und allzuoft unbedacht, eines Tages, bei einem
verhängnisvollen Streit um die Bleibe der Geschwister gegen einen skrupellosen Händler, der
gedachte ihr Heim in eine Lagerhalle für seine Waren zu verwandeln, davonstahl um dem
aufkeimenden Ärger zu entgehen, fand sich Gearfin allein und ohne die schützende Hand ihres
Bruders, in einer Welt voller Gefahren - und aber auch spannende Abenteuer - wieder, die nun
gerade deshalb an Spannung gewannen weil die schwere Verantwortung, auf ihren großen Bruder
zu achten damit er ja keine Dummheiten tat, von ihren schmalen Schultern genommen wurde und
sie sich gedankenlos in das Unheil stürzen konnte ohne den Schein eines tugendhaften Mädchens
wahren zu müssen.
Je wurde Gearfin aus ihren Gedanken aufgeschreckt als ein unsanfter Stoß in ihre Rippen sein Ziel
erreichte ”œ Fin, hörauf zu träumen.!” knurrte ein Junge neben ihr. Es war einer der Lehrlinge des
Jerodar-Clans, der sich unter den Wäldern zwischen Konlir und Anatubien, in den zum größten
verborgenen Höhlen der Diebe seine Herrschaft austrug. Weder mochte noch verstand sie den
Jungen sonderlich gut denn sein verschrobener Unterkiefer, der bis zur Unansehnlichkeit zu seinem
rechten Ohr hinauf zu rücken schien, lies nicht nur sein Äußeres grotesk aussehen sonder verliehe
auch seinen Worten einen einzigartigen Klan. Ganz so, als würde er die Worte eher hervormalmen,
anstatt zu sprechen.
Gaerfin blickte sich von dem schmalen Sims, auf dem sie mit zwei weiteren Dieben auf der Lauer
lag, kurz in der schwach beleuchteten Höhle um, fand aber nichts was ihrer Aufmerksamkeit
bedurfte und hing weiter ihren Gedanken nach.
Viel lieber würde sie jetzt durch die Wälder streifen oder auf dem Markt Leckereien stibitzen oder
Fussspuren-Hüpfen spielen. Wie lang hatte sie schon nicht mehr ihrem Lieblingsspiel frönen
können... Zuletzt bei einem alten Magier von anhaltender schlechter Laune, der ihr Spielchen wohl
missverstand und nicht gut auf sie zu sprechen war. Als die Ungereimtheiten zwichen ihnen größer
wurden, gab sie es auf ihm nach zustellen und mit missglückten Versuchen ihn von ihrer lieblichen
Unschuld und unverzichtbaren Anwesenheit -was sonst bei jedem älteren Herren im Greisenalter
positiv anschlug- zu überzeugen. Dass sie Bei diesem nun keinen Erfolg hatte, konnte daran liegen,
dass er dieses ehrwürdige Alter noch nicht erreicht hatte.
Verträumt stellte sie sich vor, wie sie jetzt im Walde einem unachtsamen Jäger die Beute abnehmen
könnte, anstatt in dieser feuchten Höhle auf einen armen Irren zu warten, der sich in die Fänge der
Heimlichtuer verirrte. Sofort musste sie an Meister Mirarus denken; ”œStehe zu deiner Arbeit,” hatte
er sie gelehrt, ”œtu nicht so, als wärst du unschuldig, sonder sei stolz auf deine Leistung.”.
Das hatte sie schwer beeindruckt, nicht zuletzt deshalb, weil sie nicht lügen konnte ohne rot zu
werden und sich im Sprechen zu überschlagen.
Ob Law von ihrer angestrebten Karriere wußte? Wäre er stolz auf sie, oder würde er dem Onkel
schreiben - oder schlimmer noch, den Eltern-? Kurz drängte sich ihr die Frage auf, ob Law
schreiben konnte, doch dann schoß ihr das Blut in die Ohren und sie versuchte die nagenden
Gewissensbisse und Gedanken, an mögliche Folgen eines Verrats hinunter zu schlucken. Die
aufkommende Angst wandelte sich plötzlich in Staunen, als eine interessante Idee vor ihrem inneren
Auge Gestalt annahm und entzückt von der Vorstellung, Law würde sie in einem heiklem Kampf
gegen das gesamte Aufgebot des Jerodar-Clans aus den Fängen der Diebe befreien, gab sie sich
wieder den Tagträumern hin. Der Gedanke missfiel ihr zunehmend, als sie sich vorstellte ihr
Beutegut ohne weiteres an die Bestohlenen zurück geben zu müssen wenn sie sich nicht mehr zu
den Dieben zählte, und sie verzog kurz das Gesicht als ihr eine weitere Lehre des Meisterdiebs
einfiel, welche nämlich besagte, dem Bestohlenen immer die Möglichkeit offen zu lassen, die Beute
zurück zuerkaufen. Hunderte Seelenkapseln und anderer unbrauchbare Dinge kamen ihr in den
Sinn, die sie achtlos beiseite schob wenn ihre Finger nichts wertvolleres erhaschten. Gleich darauf
entgleisten ihre Gesichtszüge, als sich zu ihrer vermeidlichen Freigiebigkeit ein anderes Gespräch
mit ihrem Meister in Erinnerung rief. Damals setzte sie alles daran, nur halb so unbeholfen zu
wirken, wie sie sich fühlte und brachte auf die Frage, warum sie zum Dieb werden wollte, etwas zu
hektisch die brave Antwort auf, die Ungerechtigkeit zwichen Arm und Reich tilgen, und ihr
Diebesgut unter zu erstgenannten bringen zu wollen. Sie wußte noch zu gut, wie ihr der Mut
schwand als auf Cians sonst ungerührtem Gesicht die Mundwinkel zu zucken begannen und sie
gänzlich in dich zusammen schrumpfte, als er in schallendes Geglächter ausbrach.
Sie kam sich so lächerlich vor, dass sie glaubte die beiden Jungen neben ihr müssten jeden Moment
mit den Fingern auf sie zeigen und unverhohlen spotten. Schnell flüchtete sie wieder in ihre
Gedanken und rief sich ein anderes Bild in den Kopf. Sie ging der Reihe nach die Gesichter durch,
der Leute, die sie in diesem seltsamen Land kennengelernt hat und fragte sich, was dieser und jener
jetzt wohl tun würden. Sie kam zu dem Schluß, dass die meisten wohl noch schliefen, denn es war
gerade einmal Mittag und hier war es üblich, erst mit dem Nachmittagstee das Bett zu verlassen.
Einer viel ihr ein, der bestimmt schon seinen Geschäften nachging. Ein alterloses Wesen, das, oder
der, mehr Schatten als Mann war und nur das Nötigste mit anderes sprach. Er war es der Gaerfin auf
die Diebe aufmerksam gemacht, und ein gutes Wort bei Cian eingelegt hatte, zudem half er ihr,
einen jener Steine zu finden, nach dem sie ausreichend lang suchte. Trotzallem wußte sie nicht, ob
die diesen Natla mögen, oder sich vor ihm fürchten sollte. Der Prisma-Kristall -sie seufzte bei dem
Gedanken- wie froh war sie gewesen, den grünen Stein in ihre Sammlung zubekommen. Hier in den
Höhlen würde man ihre Schätze nicht zu würdigen wissen, dennoch traute sie es den Lehrlingen zu,
sie aus reinem Spaß ihrer kleinen Reichtümer zu berauben. Misstrauisch blickte sie zu den Beiden
und bekam ein hässliches Grinsen von dem ohnehin einfach nur als hässlich zu bezeichnenden,
Jungen zurück. ”œNa, langweilige Arbeit, he?”
”œEs geht.” murmelte sie knapp und ihren Blicken wieder der Höhle zu, die still und regungslos vor
ihr lag. Sie hatte sich doch mehr erhofft um ”œin Übung zu bleiben”, wie sie es nannte, doch alles
was sie hier unten lernte war das Aufbringen schier übermenschlicher Geduld und, zu allem Übel,
wie sie ihren Rock vor manchen jungen Langfingern zu schützen hatte , die es nicht nur auf ihren
bescheidenen weltliches Besitz abgesehen hatten. Wär doch nur Law bei ihr, der hat sie schon
immer vor solchen Pflegeln geschützt, die nicht warten konnten bis ihnen die Götter ein Weib
bescherten. Und nicht nur das, denkt sich Gaerfin mit einem schwärmerischen Lächeln. Er hat sie
bei gut jeder Gelegenheit verteidigt und jeder ihren Tränen gerächt, an der er nicht selbst schuld
trug.
Chewan von Konlir war einer dieser Jungen, der den Eifer ihres Bruders zu spüren bekam als die
Geschwister nach Wochen der Wanderung Mirimotha erreichten und in einer Berghütte, im Norden
Latenias Halt machten. Auch der Junge, der im gleichen Alter wie Law, und fast so klein wie
Gaerfin war, muss auf Reisen und gerade zurück in seine Heimat gewesen sein. Die kleine Fin
konnte bei ihm wenig mit Höflichkeit erreichen, und Law war, wie meist, wenig darauf bedacht dem
Fremden zu gefallen. Irgendwas war seltsam an diesem Jungen, der unablässig aus dem Fenster in
die Schneeweiten starrte und etwas von seiner verflossenen Liebe, die von einem Tag zum anderen
vom Kind zur Frau wurde und kurz darauf nach freiem Wunsch in den Schoß der Götter einging,
erzählte. Richtig merkwürdig wurde Gaerfin dieser Chewan, als er etwas über Wölkchen murmelte,
die in der letzte Sonnenglut des Tages schwelgten. Es dürfte damals kurz nach Mitternacht gewesen
sein.
Ihr tat der Knabe leid und so machte sie sich daran, ein spärliches Abendbrot für alle drei über der
kleinen Feuerstelle zu zubereite wärend er sich mit Law über irgendeine Belanglosigkeit stritt. Sie
bekam es nur im Augenwinkel mit, wie Chewan auf die Fensterbank langte und einen Klumpen
Schneematsch nach ihrem Bruder warf, der, nutzlos wie er war, sich im rechten Augenblick
ausgiebig streckte, so unverhofft der Wurfbahn entkam und der Schneeball mit einem lauten
Klatscher Gaerfin ins Gesicht schlug -die vor lauter Schreck den Fisch, der für das Abendbrot
gedacht, in das Feuer fallen lies. Das Geschrei war groß. Das Mädchen betrauerte Träne um Träne
den guten Fisch und ihr, vom Reisestaub kaum beschmutzes Kleidchen, in das nun kalte,
geschmolzene Wasser lief. Law sprang mit erhobener Faust und auf den dämlich grinsenden
Chewan zu. Sie knufften sich und pufften sich, und das nicht eben ritterlich, und Gaerfin, die vor
Schreck nicht mehr weinen konnte bangte um ihren Bruder.
Wieder ein Stoß in die Rippen. Aufgeschreckt starrt sie die beiden Diebe an, die fragend
zurückblickten. ”œWarum grinst du so?” fragte der eine.
”œWarum wohl? Sie hat an mich gedacht!” antwortete der hässliche an ihrer statt. Gaerfin schnaubte
geringschätzig und wollte schon wieder ihrer Gedanken nach gehen, als ein leises Scharren am
anderen Ende der Höhle ihre Aufmerksamkeit erregte. Auch die beiden Diebe horchten auf und
grinsten vom einen Ohr zum anderen -was bei dem einen wort wörtlich zu nehmen ist- als ein
aufgeputzter Herr zwichen einem Felsspalt hervor taumelte, ”œisch werd\s ihn allen zei\n!” lallte er
und suchte sich mühsam einen geraden Weg durch die Höhle, direkt auf den Vorsprung zu, auf
denen sich die drei angehenden Diebe verbargen. Wortlos verständigten sie sich und die Knaben
kletterten eilig und ohne einen Laut zu machen an den Seiten der Felswand hinab und verschwanden
im Schatten. Nun war keine Zeit mehr zum träumen, das Mädchen kannte ihre Aufgabe. Als sich
der Mann in eindrucksvoller, aber offensichtlich nutzloser Abenteuerklufft, die nur den Zweck hatte
dem Schein zu dienen und gut auszusehen, und mit einem gebrochenem Wortschwall unfeiner
Ausdrücke dem Vorsprung näherte, zog Gaerfin die Beine an, barg das Gesicht in beiden Händen
und begann wie ein hoffnungsloses Geschöpf, kurz vor der letzten Ruhe zu wimmern. Je hielt der
bedauernswerte Trunkene inne und blickte sich suchend nach dem Quell der traurigen Laute um bis
er an der Wand vor sich, auf einem mannshohem Fels hockend das kleine Elend mit der auffallend
roten Lockenpracht erblickte. ”œHallo?” rief er, ganz ohne zu nuscheln hinauf und erstaunte, als das
Mädchen den Kopf hob und er in das Gesicht eines Kindes blickte. Gaerfin dachte bei sich, dass er
wohl mehr als ein Gesicht sah als sie sich schniefend die Nase am Ärmel abwischte und mit einem
gehauchten ”œHallo.” antwortete das, wie sie befriedigt fest stellte, besonders schwach klang und gut
gelungen war. Stutzig blinzelte der Mann - ein mal, zwei mal, drei mal- und versuchte eine
aufrechte Haltung einzunehmen, wärend er sich noch fragte ob ihm der Wein nicht einen Streich
spielen wollte.
”œKann man dir helfen? Man hört dich ja durch die gesamten Höhlen weinen!” Die Übertreibung
überhörte Gaerfin höflicher weise.
”œJa, seht ihr denn nicht, dass ich hier oben fest sitze? Ich komme nicht mehr hinunter!” Sie
schluchzte und sah ihn an, als wäre er allein an ihrem Übel schuld.
”œOh,” er zögerte, besann sich dann seiner Manieren und versuchte durch kurzen Kopfschütteln die
Benommenheit zu vertreiben. Mit einem Ruck entledigte er sich seines Gepäcks und sah die
Felswand empor wie einer, dem kein Hindernis zu groß ist. ”œIch rette dich, gutes Kind! Komm her,
ich will dich runter heben.”
”œWoher soll ich denn wissen, dass ihr mir nichts zu leide tut?” antwortete sie scheu und wich vor
seinen ausgestreckten Händen zurück.
”œOh,” sprach er wieder und lies die Arme sinken.
Gaerfin kicherte innerlich und war froh, dass die Höhlen der Diebe im ewigen Dämmerlicht lagen,
sonst hätte der edle Recke das amüsierte Aufblitzen ihrer Augen gewiss bemerkt.
”œWeist du was, ich lege mein Schwert ab, dann sieht du, dass ich dir nichts tun will.”
Darüber dachte sie einen Augenblick lang nach und blickte über den Mann hinweg in die Höhle.
”œLegt es dort hin,” sie deutete auf eine kleine Felsspitze die den Eingang zu einer weiteren Höhle
markierte. ”œdann ist es weit genug weg, dass ich mich nicht mehr davor fürchten will.” Er nickte
eifrig und stolperte zum angegebenen Punkt. Mit wässrigen Augen schaute er sich noch einmal um,
schnallte dann sein Schwert samt Scheide ab und lehnte es vorsichtig an den Fels. ”œSo?”
Sie nickte und stand auf. ”œNun habe ich keine Angst mehr vor euch!” und schenkte ihm ein
schüchternes Lächeln als er wieder auf sie zu taumelte und die Arme nach ihr ausstreckte. Mit aller
Mühe stellte sie sich besonders dumm an und wurde wirklich etwas unsicher, als noch immer nichts
von ihren Partnern zu sehen war. Gerade als sie sich von dem Abenteuer greifen und hinunter heben
lies, huschte der Schatten einer geduckten Gestalt hinter ihm vorbei und verschwand so schnell wie
er kam -mit ihr der Reisesack des Mannes.
Gaerfin brachte ein unsicheres Lächeln zustande als sie auf die Füße kam. Fasste es wohl falsch auf
und meinte, dass der Rotschopf im blauen Kittel noch immer Angst vor ihm hatte, und dachte nicht
daran, dass sie fürchten könnte, ihren ein hinterhältiger Plan könnte durchschaut werden. ”œNun bist
du in Sicherheit, junge Dame.” sprach er aufmunternd und hockte sich vor sie. ”œSagst du mir denn,
wie du dort hinauf gekommen bist?”
”œIch -äh-,” sie zögerte, denn jetzt musste sie sich etwas einfallen lassen, dass ihn bei Laune hielt.
”œWisst ihr, ich wollte mir einmal die Höhlen anschauen und da bin ich irgendwann, irgendwie dort
hoch geklettert.” Sie sprach nun hastiger, in der Hoffnung, er merkt ihr die Nervosität nicht an, ”œ
Dann muss ich eingeschlafen sein, die Kletterei, wisst ihr, die war ja auch anstrengend! Und als ich
wieder aufgewacht bin, ja da, da wußte ich nicht mehr, wie, und so weiter.” Sie endete mit einem
bebenden Seufzer, der aus Erleichterung entstand als sie die beiden Diebe sah, die leise aus der
Höhle eilten und ihr der eine mit dem Schwert ihres vermeidlichen Retters zuwinkte. Dieser lachte
väterlich auf, ”œJa, die kindliche Neugier, das kenn..” Weiter kam er nicht, denn da schlang das
Mädchen ihre Arme um seinen Hals und hauchte einen Kuss auf die bärtige Wange. ”œIch danke
euch! Hinaus finde ich allein.” und noch eh er sich besann sprang sie davon und in den dunklen
Gang hinein, an dessen Ecke eben noch sein Schwert gestanden hatte.

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Law Tinnuin
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Beitrag von Law Tinnuin » 23. Jul 2007, 23:49

Das Geschenk eines Zwergen


Schweigend stapften die beiden Geschwister nebeneinander durch den fast hüfthohen Schnee. Nur selten trafen sich ihre Blicke, doch zu sagen hatten sie sich nichts. Nicht, dass das früher einmal großartig anders gewesen wäre, doch jetzt, gerade jetzt, schien die Kluft zwischen den Beiden größer denn je. Stunden waren vergangen, seit sie die geisterhafte Eishöhle mitten im Herzen Latenias verlassen hatten und unlängst mehr, hatte sich derweil auf ihrem Weg ereignet. Wut, Hass und Ärgernis trieben Law nun voran und ließen ihn schneller laufen, ohne jedoch auch nur ab und an nach seiner Schwester zurückzublicken, die zwar so rasch wie möglich, aber Law doch hinterher lief. Zu sehr war er darauf versessen, wütend zu sein, so sehr, dass er seine Schwester dabei kaum wahrnahm.

In seinem Inneren kochte der Heranwachsende, brodelte und spie Feuer, dass er den Vergleich mit einem Vulkan nicht hätte scheuen müssen. Mittenmang in seines Herzen innersten Reiches saß der pechschwarze Pfeil des Hasses und ließ die Blutsbrandung schneller schlagen. Nachtschwarz brach die Gischt der Wut über die Klippen seines Herzens und spülte durch seine Herzkammern hindurch. Heiß fraß sich das Gemisch aus allem Bösen durch seine Venen und erstickte jeden Funken Liebe im Keim. Und Schuld daran war einzig und allein dieser kleine, ekelhafte Rotzbengel von einem Jungen!
Schlimm genug schon, fand Law, dass Fin diesem Hansel schöne Augen gemacht hatte, aber dass er dann auch noch die Dreistigkeit besaß, einen Schneeball nach ihr zu schleudern... Unfassbar! Doch damit nicht genug, als er, Law, sich infolgedessen auf ihn gestürzt hatte, hatte sich dieser dümmliche Bauernjunge doch tatsächlich zur Wehr gesetzt! Und das gar nicht einmal so schlecht, musste Law sich insgeheim eingestehen. Nun, schlussendlich hatte er dann aber doch zu unlauteren Mitteln greifen müssen, um nicht gegen ihn, den großen und einzig wahren Law zu unterliegen und hatte einen Feuerball nach ihm geschleudert. Anschließend hatte man sich zwar wieder beruhigt, der wundervoll schmackhafte Tar-Fisch war in der Hitze des Gefechts jedoch wahrhaftig ”in Flammen aufgegangen”œ. Und nun marschierten sie schon seit Stunden stur in die Richtung, die ihnen der Junge gewiesen hatte.
»Oh, wären sie doch bloß nie zu dieser verteufelten Blockhütte inmitten Latenias aufgebrochen!«, fluchte Law innerlich. Dann wäre ihnen die Bekanntschaft dieses verzogenen Buben ebenso erspart geblieben, wie Law, und seiner ohnehin schon ramponierten Kleidung zahlreiche kleinere und größere Verbrennungen. Und Hunger hatte er nun auch noch! Einen bestialischen Hunger, der irgendwo in seinen Kniekehlen zu beginnen schien und jeden seiner Schritte bleiern und schwer erscheinen ließ, sich mit langen, kühlen Fingern in die Haut grub und bis zum darbenden Magen hinaufzog, um dort immer weiter in Breite und Höhe zu schießen. Ein lautes Knurren untermalte diesen Vorgang. Law beschloss, seiner Schwester die Schuld daran zu geben...

***

Seine Schwester! Law wirbelte herum. Von seiner Schwester aber fehlte jede Spur. »Fin!«, rief Law, da ihm in seiner durchaus verzweifelten Lage nicht viel mehr einfiel. »Fin!« Keine Antwort. Er fluchte leise. Genauer gesagt tat er dies schon seit Stunden, doch nun aus gegenwärtigerem Grund.

Aller Vernunft zum Trotze lief er die zuletzt gutgemachten Meilen wieder zurück und gegen den zusehends stärker werdenden Schneesturm an. Was war er doch nur für ein Narr gewesen! In aller Wut hätte er dennoch nach seiner Schwester, nach seiner kleinen Schwester sehen müssen! Das war es doch schließlich, was in seiner Pflicht als großer Bruder zu stehen hatte! In diesem Moment wandelte sich der Hass des Jungen in einen nie da gewesenen Zorn, einen Zorn auf sich selbst, nicht auf die Welt um ihn herum. Zum ersten Mal in seinem Leben hasste Law wirklich - er hasste sich selbst.
Doch was war das?! War dort eben nicht eine schemenhafte Gestalt im gleißend hellen Weiß zu sehen gewesen? Law blinzelte. Einmal, zweimal. Dreimal! Doch die Silhouette... blieb. Das musste sie sein, Fin! Da bestand kein Zweifel. Entschlossen steuerte Law auf den schwachen Umriss zu.
Die hohe Schneeschicht und der immer stärker werdende Sturm, erschwerten seinen Vorrankommen. Je näher er der Gestalt kam, desto mehr wunderte er sich über die augenscheinliche Trägheit seiner vermeintlichen Schwester. Sie war doch hoffentlich nicht bereits erfroren? Law schauderte und er beschleunigte seinen Schritt erneut. Ihn trennten nun nur noch wenige Meter von seinem Ziel.

»Fi...!«, setze der Junge euphorisch an, endet jedoch mindestens genauso abrupt wieder.
Nur wenige Fußbreit von Law entfernt, stand ein gigantischer Laubbär über den Kadaver eines Schneehuhns gebeugt und angelte mit seinen gefährlichen Pranken nach dem verendeten Tier. Als er Law bemerkte, ließ er augenblicklich von seiner Beute ab und wandte ihm sein zerfurchtes und von Narben durchzogenes Gesicht zu, aus dem bedrohlich ein Paar goldgelber Augen entgegenfunkelte.
Einen Moment lang verharrten die Beiden regungslos, dann bäumte sich das riesige Untier auf, ließ ein geradezu ohrenbetäubendes Brüllen hören und tapste lauernd auf die Gestalt des Jungen zu. Ängstlich wich Law zurück, Schritt um Schritt, bis er mit dem Rücken gegen etwas Hartes stieß.
Er fuhr herum und entdeckte hinter sich den Ausläufer eines großen Waldstücks. Er saß in der Falle! Zitternd sank er am Stamm der alten Finstereiche zusammen und blickte der näherkommenden Gestalt des Bären entgegen. Erst jetzt bemerkte der Junge das beeindruckend scharfe und vielgezahnte Gebiss des Bären - was seine Lager jedoch nicht wirklich verbesserte. Nun also, sollte er doch noch an diesem Ort sein Leben lassen: ganz allein, irgendwo in einem Randgebiet Latenias. Plötzlich schienen ihm seine Träumereien um einen heldenhaften Tod lächerlich albern und einfach gestrickt - Die fettige Speichel des Bären rann das haarige Kinn hinab - Law schloss die Augen. Wie es wohl Fin... ?

***

Just in diesem Moment durchfuhr ein gellender Schrei die Szenerie. Er gehörte Fin. Schwer atmend und totenblass stand sie augenscheinlich ruhig unweit des Geschehens. Nur das nervöse Zittern ihrer Finger verriet ihre Furcht vor dem monströsen Ungetüm, das für einen Moment von Law abließ und sich, vom Schrei aufgeschreckt, seiner Schwester zuwand.
Fins Unterlippe bebte und kleine Mädchentränen rannen ihre blassen Wangen hinab. Und doch schien sie keine Anstalten zu machen, davonzulaufen. Law wollte schreien, sie davonscheuchen, weit weg von sich und dem riesigen Laubbären, Hauptsache fort. Doch einzig ein heiseres Krächzen verließ seine Lippen, nein, quoll vielmehr darunter hervor und ertrank im Ozean der Atemluft sofort wieder.
Auch das scheinbar etwas träge Hirn des Laubbären schien die Anwesenheit des Mädchens indes realisiert zu haben und ein bedrohliches Knurren drang zwischen seinen spitzen Zahnreihen hervor und wirbelte in leisem Wiederhall zu Fin hinüber. Fin schluckte und ballte die kleinen Fäuste.

Was dann geschah, lässt sich in Worten nur schwerlich wiedergeben. Nun, zumindest Law war es so, als geschähe etwas ganz und gar absonderliches mit seiner Schwester. Ein gleißend helles Licht flammte kurz durch sein Blickfeld und als sich seine Augen langsam wieder erholten, schien die Zeit um sie herum wie angehalten. Nur Fin, die Gestalt des Laubbären und Law blieben. Dann begann sie zu singen, jedenfalls klang es in Laws Ohren danach, so hell und klar waren ihre Worte. Und doch war es eine Sprache - oder zumindest ein Text - wie Law ihn nie zuvor gehört oder gelesen hatte.
Und wäre es nicht ganz und gar unmöglich gewesen, Law hätte schwören können, die Wörter hätten Form angenommen und Fin in einem regelrechten Meer aus Licht und Farbe umwölkt. Solange, bis es Law schien, als blicke er in einen wunderschön geschliffenen Prismakristall und nicht länger auf seine - natürlich nicht offenkundig - über alles geliebte Schwester. Doch ebenso rasch, wie all dies für Laws Augen geschah, ebenso schnell war der Spuk auch wieder vorbei: Mit einem lauten Knall barst der in allen Farben schimmernde Kristall in tausende winziger Splitter, ergoss seine Farbenpracht über das Geschehen und ließ Laws Blick verschwimmen. Als er wieder zu sich kam, war wieder alles beim Alten, mit dem Unterschied, dass der Laubbär flach, alle Viere von sich gestreckt und das Gesicht zu einer träumerisch, schwärmenden Grimasse verzerrt auf dem Boden lag und treu zu Fin aufsah.

Ein Blick, der dem Laws in jenem Moment nicht eben unähnlich war. Immer noch am Stamm des Baumes zusammengekauert, blickte er abwechselnd vom Laubbären zu Fin und wieder zurück.
»Wa-Was...?«, stammelte Law, immer noch sichtlich um Fassung ringend.
Fin zuckte mit den Schultern. Für einen Moment tauschten die beiden Geschwister stumm, ratlose Blicke aus, dann stapfte Fin durch den hier nur noch knöchelhohen Schnee auf ihren Bruder zu.
»Komm! Oder willst du warten, bis er wieder aufwacht?«, zischte sie scharf.
Und in der Tat, wenn man ganz genau lauschte, konnte man das leise Schnarchen des riesigen Bären in einem akustischen Zischeln und Fauchen über die Schneedecke kriechen hören.
»Aber... aber wie...?», presste Law mit reichlich Mühe hervor.
Abermals zuckte Fin mit den Schultern.
»Ich weiß es eben einfach. Und jetzt frag nicht und komm!«
Und mit diesen Worten zog sie Law mit sich in den dichten Wald...

***

Der Weg der Geschwister war beschwerlich und lang. Immer wieder versperrten umgestürzte Bäume, ein kleiner Teich oder zu dichtes Dornengestrüpp ihren Weg und zwangen sie auf Umwegen durch den Wald. Schnell mussten sie einsehen, dass es nicht ganz ungefährlich war, durch die Wälder Ferdoliens zu ziehen. Die seltsamsten, abscheulichsten und gefährlichsten Kreaturen waren hier anzutreffen, wenn man nur sorgfältig genug danach suchte. Da gab es kleine Insekten in allen Farben, die Law sich nur vorzustellen wusste und die nervös über den Waldboden huschten, wenn man sie aufschreckte und aus ihren Verstecken trieb. Darunter gleichermaßen Flinke, wie Lahme, Große wie Kleine, Einzelgänger wie Herdentiere. Es gab Tiere mit Flecken, mit Streifen, mit Punkten, mit und ohne Fell, solche die fliegen konnten und wieder andere, die bloß still dastanden. Manche davon kreischten wie verrückt los, wenn sie in Panik gerieten, liefen wirr im Kreise oder sprangen unkontrolliert umher. Kurzum: Es war ein Ort voller Leben und mindestens genauso viel Chaos.
Die Beiden sahen alles nur mögliche und unmögliche, was man sich vorstellen kann. Da waren etwa faustgroße, tiefschwarze Käfer mit unzähligen kleinen Beinchen, die sich so in die Rinde einiger Bäume gruben, dass sie einem Astloch zum Verwechseln ähnlich sahen. Weiter äußerst behäbige und pelzige Wesen, die augenscheinlich vollkommen harmlos in der Gegend herumstanden. Kam ihnen jedoch etwas zu Nahe, glubschten urplötzlich hunderte gelbe Augen unter ihrem Fell hervor und begutachteten ihre Beute, bevor eine nicht minder pelzige Zunge hervorschoss und das Opfer mit Haut und Haaren verschlang. Dann gab es Schlangen, auf deren Rücken Gras wuchs und die sich nahezu unbemerkt über den Waldboden schlängelten, allerdings nicht giftig waren, riesige Vögel, die kopfüber, wie Fledermäuse von den Ästen der Bäume herunterhingen und kleine, frettchenähnliche Wesen, die sich in großen Gruppen in herabhängen Lianen verkeilten und absonderliche Laute ausstießen.
Daneben gab es natürlich auch ganz gewöhnliche Tiere, wie etwa Silberfüchse, Sprungechsen, Schattenwiesel und allerlei Waldvogelarten. Die Laubbären und deren Junge indes mieden die beiden Geschwister nach Möglichkeit. Einen Großteil des Tages liefen sie, ohne wirklich zu wissen, ob sie ihr Weg nicht schon längst in die falsche Richtung führte. Rasteten sie, so stets nur kurz und während der eine schlief, hielt der andere Wacht und gab Acht, dass sich keine wilden Tiere über den ohnehin spärlichen Proviant der Beiden hermachten.

***

Am zweiten Tag ihrer Wanderung war Law mit der Wache an der Reihe. Zusammengekauert, um der hereinbrechenden Kälte nicht mehr Angriffsfläche als unbedingt nötig zu bieten, hockte er auf einem großen Findling am Rande der Lichtung, auf der sie rasteten. Seine Schwester hatte sich am Fuß eines großen Baumes zusammengerollt und sich ihren zerflissenen Umhang eng umgeschlagen.
In der Ferne verhallte der Ruf eines Käuzchens. Oder zumindest etwas, das danach klang. Law dachte nach. Die jüngsten Ereignisse gingen ihm nicht aus dem Kopf. Er wand den Blick zur Seite und beobachtete die schlafende Gestalt seiner Schwester. Ein unschuldiges Lächeln lag ihr auf den Lippen, sie musste einen sehr schönen Traum träumen. Hatte er wohlmöglich auch bloß geträumt? Hatte ihn die eisige Kälte Latenias im Wahn Dinge sehen lassen, die nie geschehen waren? Er seufzte.

Da hörte es Law zum ersten Mal. Nur ganz leise, aber doch hörbar, wogte eine hauchzarte und wunderschön klare Frauenstimme zwischen den Bäumen hindurch. Er spitzte die Ohren. Sie sang.
Was, das verstand er nicht. Es klang fremdländisch und doch so wunderschön, als wäre jedes Wort darin ein Kunstwerk, jeder Buchstabe sorgfältig ausgewählt und aus reinem Kristall geschliffen. Wie gebannt saß er da und lauschte nur, verzaubert vom Klang der Stimme. Und mit jedem Wort war es ihm, als würden seine Lider schwerer und schwerer. Urplötzlich übermannte ihn die Müdigkeit und kraftlos fiel er zur Seite des Findlings hinab und ins hohe Gras. Das letzte was er sah, war die Gestalt eines Wesens, gehüllt in einen azurblauen Schleier, das majestätisch über den Waldboden glitt.
Dann schlief er ein...

***

»Law!«, drang die quengelnde Stimme seiner Schwester an sein Ohr. »Jetzt steh aber auf!«
Verschlafen blinzelte der Junge auf. Das Licht des Tages biss sich mit seinen müden Augen und ließ ihn einen Moment lang zusammenzucken. Etwas kraftlos stemmte er sich von Boden empor und blickte sich auf der weiten Lichtung um. Von der mysteriösen Gestalt fehlte jede Spur.
»Das wurde aber auch Zeit!«, nörgelte Fin. »Seit ner geschlagenen Stunde rüttle ich jetzt schon an dir herum. Bis du mal wach wirst...« Sie grummelte leise. »Dabei solltest du doch Wache halten!«
Law rieb sich die Augen. Auch der Gesang schien verklungen. Er beschloss, seiner Schwester gegenüber zumindest vorerst Stillschweigen zu bewahren. »War halt müde...», brummte er und zuckte wie zur Entschuldigung mit den Schultern. »Ist was vorgefallen?«, fügte er etwas kleinlaut hinzu.
Fin ließ die Augen rollen. »Ist was vorgefallen?«, äffte sie ihren Bruder nach und ließ ihren Blick über die Lichtung schweifen, bevor sie fortfuhr. »Nein, zum Glück nicht. Und jetzt komm, wir müssen weiter!« Mit diesen Worten drückte sie Law einen Teil des Gepäcks in die Hand und stiefelte ohne auch nur einen Moment zu zögern oder abzuwarten in unbestimmte Richtung los.

Die nächsten drei Tage ihrer Reise verliefen ereignislos, wenn man einmal von all den merkwürdigen Kreaturen und Wesen absah, die ihnen auf ihrem Weg begegneten. Auch von der seltsamen Gestalt in Azurblau und dem wunderschönen Gesang, fehlten, sehr zu Laws Bedauern, jede Spur.
Am Abend des fünften Tages erreichten sie schließlich das Ende des Waldes. Das angrenzende Moor schienen sie somit glücklicherweise umgegangen zu haben. Stattdessen erstreckte sich nun eine weite Parklandschaft über die Ebene vor ihren Augen, in der herrschaftlich der riesige Umriss einer steinernen Festung thronte. Rasch setzten die Beiden ihren Weg über die riesige Parkanlage fort.
Obwohl sie auf ihrem Weg keinem einzigen Gärtner begegnet waren, befand sich die Anlage in absolut tadellosem Zustand. Die kilometerlangen Hecken waren penibel sauber nachgeschnitten und darunter spross zu kunstvollen Mustern geschnitten und von allerlei farbenprächtigen Blumen untersetzt eine durchgängige Rasenlandschaft. Gigantische Marmorstatuen flankierten die Streusandpfade dazwischen, die den Besucher über das weite Gelände lotsten und von Zeit und Zeit konnte man am Wegesrand einen fröhlich plätschernden und nicht minder verzierten Springbrunnen entdecken.
Dennoch herrschte ein ungewohnter Andrang, während die Geschwister über das schier endlos große Gebiet irrten. Wie man ihnen auf Nachfrage verriet, war der Besitzer der imposanten Festung und somit auch aller umliegenden Ländereien, ein gewisser Ellias Sonnenglut, erst vor kurzem Hals über Kopf zu einer Schiffsreise aufgebrochen. Einzig einen kurzen Abschiedsbrief mit Weisung hatte er hinterlassen, der dazu auftrug, die Ländereien während seiner Abwesenheit instandzuhalten.
Somit war die Aufregung um das Verschwinden des augenscheinlich durchaus wohlbekannten Herrn groß und die unterschiedlichsten Wesen tummelten sich auf engstem Raum, sei es nun aus purer Sensationslust, beruflichen Gründen oder reinem Zufall. Zu letzterer Gruppe gehörten auch die beiden Geschwister Tinnuin. Doch ehe sie Gelegenheit bekommen sollten, darüber nachzudenken, schwirrte bereits eine ganze Schwadron kraftvoller Paketvögel von der Festung herab und über die Geschwister hinweg. In einem Chor aus Flügelschlägen kamen die vier Vögel vor den Beiden zum Stehen.

Jeder von ihnen trug ein großes Paket bei sich. Zwei davon für Law und zwei für Fin. Alle vier Pakete trugen ein und den selben Absender: Stoachan Eisenhand. Er war in äußert filigraner Schreibschrift darauf notiert und doch erinnerten die Lettern noch entfernt an uralte Runen. Unter jedes der Pakete war in der selben Schrift eine winzige Notiz gesetzt: »Geschenk eines Zwergen«
Worum es sich dabei jedoch handelte, sei ewiges Geheimnis der Geschwister Tinnuin.

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Re: Geschichten um und mit den Tinnuins

Beitrag von Gaerfin Tinnuin » 8. Mär 2008, 19:31

Leseprobe
Im unregelmäßigen Takt klickte die große Tafel in der Halle des Handels. Die Halle war ohne jede Zierde und sie lies an Bequemlichkeiten mangeln. Lediglich einige Tische und Stühle gab es neben der Tafel und den alten Heizrohren, die an den Wänden verliefen. Von einem Ende zum anderen lief man gut hundert Schritte, wenn nicht sogar mehr und um an die Decke zu gelangen, muss man ein Riese sein, oder fliegen können. Aber im Gegensatz zu riesen-groß-sein konnte das dort keiner. Oder viel mehr hörte man von noch keinem, der hinauf geflogen wäre, war er kein übervorteilter Händler der an die Denke gingen. Aber das wollte man nicht gelten lassen.
Hohe, schmale Fenster waren an der Süd- und Westseite des Gebäudes angebracht und ein mächtiges Portal lies jeden den es beliebt ein und ausgehen, egal ob Tag oder Nachtzeit. An Tagen, wenn die Halle fast unbesucht war, war dieses klickende Geräusch auf betäubende Art einschläfernd. Zumindest für jene die es nicht interessierten was sich auf der Tafel voller Zahlen und Namen verschiedener Unternehmen tat. Zu anderen Zeiten ging es an diesem Ort so laut zu, dass man das Klicken kaum vernahm und die verschiedensten Wesen, von Menschen, über Zwerge bishin zu Serum-Geister gingen eifrig ihren Geschäften nach und handelten mit Papier, das man geläufig Anteilschein nannte, und Goldmünzen wechselten den Besitzer und vor allem stritt man sich über Sinn und Unsinn von Ankauf und Verkauf. Viele schlenderten auch einfach nur so herum, träumten, plauderten, oder sahen sich neugierig die wichtigen Leute an die da waren, weil sie eben wichtig waren und wichtige Dinge taten. Was hauptsächlich darin bestand schlicht wichtig zu sein.
Einer dieser bedeutenden Leute sprach in einer abgelegeneren Ecke des großen Saals leise zu einem Mädchen das nicht ganz glücklich mit ihrem Schicksal zu sein schien. Viel mehr galt ihr Gehör dem Klicken der Tafel und ihre Augen blickten ins Nirgendwo. Gedankenverloren nickte sie einmal, sprach dann selbst ein paar Worte die wohl gerade angebracht waren und schwieg dann wieder. Es war eigentlich nicht ihre Art und ihr gesamtes Erscheinungsbild sprach nicht eben von Unauffälligkeit, geschweigedenn von Zurückhaltung; Ihre schimmernden, kupferroten Locken standen nach allen Seiten ab und nebst feiner Sommersprossen schmückten Lachgrübchen ihr mondrundes Gesicht. Ein knalliges Rot schrie einem von dem Hemdchen entgegen das sie trug, oder hätte es getan, wenn es nicht schon so ausgeblichen wäre, und eine faltige, jedoch saubere Schürze hing über ihrem dunkelblauen Rock der gerade einmal kurz über die Knie ging. Wer genauer hinsah bemerkte, dass sie leicht in ihren Stiefeln auf und abwippte, als würde Ungeduld jeden Moment über ihre Verschwiegenheit siegen. Die Stiefel, im Übrigen, waren alles was an ihr schmutzig war sah man von den Fingern ab an denen Schmutz haftete den kein Auge erblicken konnte. Dicke, rotbraune Lehmklumpen verkrusteten die Schuhe und haben im Laufe der Zeit das Leder spröde gemacht. An einer rissigen Stelle sah man einen kleinen, weißen Zeh durch schimmern.
Der Mann, vor dem sie so wippend und schwermütig da stand war alles andere als schäbig gekleidet. Prachtvoll, jedoch nicht von der Beschaffenheit der Kleider her. Ein langer, dunkler Mantel hing von seinen Schultern hinab und nur ein leichtes Schimmern des Gewebes lies das schwarze Haar, das auf den Mantel zu fließen schien, abheben. Alles an ihm war dunkel ohne jedoch bedrohlich zu sein und betonte die blasse, beinah fahle Haut. Mandelförmige Augen von unbestimmter Farbe schienen alles zu sehen, selbst was hinter seinem Rücken oder gar in weiter Ferne geschah. Selbst einem dem seine feinen Gesten oder die dezente Mimik entgehen, und seine wohlgesetzten Worte überhören sollte, musste durch das Merkmal spitzer Ohren nicht lange überlegen welcher Herkunft der Elb war.
Das Gespräch zog sich hin. Die Wesen die an ihnen vorbei gingen beachteten sie nicht weiter. Mit dem Blick folge ihnen das Mädchen als würde es hoffen auf einem der Rücken Klarheit für ihre wirren, irrenden Gedanken zu finden.
Ihr Leben war ohnehin schon turbulent genug auch ohne Gedanken an Weltgefüge, mystische Sphären und Magie. Doch irgendetwas hat sie falsch gemacht, ja, angerichtet und an ihr lagt es nun, Wiedergutmachung zu leisten und das hieß in erster Linie lernen, lernen, lernen.
Das Mädchen, das man schlicht Fin nannte, war überzeugt, aus dem Alter heraus zu sein und nie wieder eine Schulbank drücken zumüssen. Damit allerdings hatte sie Glück, denn bei dieser seltsamen Art von Unterricht gab es einfach keine Schulbänke und Theorie diente mehr der Entspannung, denn im Gegensatz die Praxis des Gelernten nervenaufreibend und nicht selten gefährlich war. Jedoch kam sie nicht drumherum. Wenn sie ein was mit ihren dreizehn Jahren wusste dann, dass man eine selbst gekochte Suppe stehts auch selbst auslöffeln und dazu stehen muss, was man getan hat. Auch, so wie in ihrer Geschichte, man nicht weis, wo der Fehler lag.
Sie dachte gerade darüber nach, was ihr der Elbe über den Verbleib des "großen Übels" berichtet hatte, als die ruhige Stimme Istharions wieder zu ihr durchdrang und sie aus ihren Tagträumen riss. >>Das achte Gesetz, Fin, du erinnerst dich? << Die Verlegenheit darüber, dass sie nicht ganz zugehört hatte, stand ihr im Gesicht geschrieben >>Äh, nein, Meister Adanedhel. Ich kenne es, doch ich erinnere mich nicht.<<
>>Du hast exakt fünf Minuten, dann bin ich weg,<< sprach er mit einem Seufzen und in seinem fein geschnittenem Gesicht spiegelte sich Missfallen. >>Das ist nicht fair!<< Müpfte sie wie so oft lediglich in Gedanken auf und versuchte sich die Gesetze der Magie in Erinnerung zurufen.
Dicht neben ihr saß Fabrama. Eine kluge, mütterliche Frau die oft ihre wachenden Augen über Fin hatte, und eben so oft ein Auge zu machte wenn es darum ging, dem Mädchen zu helfen. Nun beugte sie sich unmerklich zu dem Kind ohne von ihrer Handarbeit aufzublicken und raunte ihm leise zu, >>Erweist euch des Sieges würdig...<<. Sofort fiel ihr die gesamte Textpassage ein, schnappte nach Luft um zu zitieren und wurde unterbrochen, >>Hol Luft zum Laufen, nicht um reden...<< murmelte Istharion und Fin meinte zu bemerken, wie er Fabrama einen tadelnden Blick zu warf.
>>Das achte Gesetz der Magie; erweist euch des Sieges würdig, stehe zu deinen Taten und handle aus Überzeugung. Böse Menschen müssen bestraft werden um Leid zuverhindern.<< gab sie im selbstgefälligen Ton zur Antwort und war erleichtert, als der spitzohrige Mann lächelte. >>Na also. Nun darf ich dir das zehnte Gesetz verraten. Möchtest du es hören? <<
>>Da fehlt ja noch eines!<<
Istharion nickte lediglich und überging die scharfsinnige Bemerkung. >>Es lautet: Wer absichtlich der Wahrheit den Rücken zu kehrt, verrät sich Selbst. Und deine Aufgabe ist es, Fin, es zu interpretieren. In wohlfeilen Worten.
Ihr kam es vor wie ein mieser Trick und sie erblasste. >>Oh...<<
>>Wenn es dir gelingt, werde ich es in der angemessenen Form in das Buch schreiben, welches Fabrama besitzt<<
Fin kannte das Buch. Zu gut kannte sie es. Ja, sie hatte das Gefühl, dass damit erst ihr ganzes Malheur seinen Anfang nahm obwohl sie es natürlich besser wusste und dankbar sein sollte, dass sie es lesen durfte. Es war ein sehr kleines Buch im hübschen Einband, mit wenigen Seiten auf denen jedes der acht Gesetze für sich stand umrahmt von Schnörkeln und verzierten Linien, so, dass sich die Muster auf keiner Seite glichen und das Buch alles in allem sehr wert- und geheimnisvoll anzuschauen war.
Vor einigen Wochen erst hatte sie jedes Wort sorgfältig abgeschrieben nach dem sie es Fabrama, oder Dame Liel, wie sie sie nannte, regelrecht abgeschwatzt hatte. Es war ein Drahtseilakt die Dame davon zu überzeugen, dass nichts unrechtes damit passieren würde, denn Fabrama kannte die schlechte Angewohnheit des Mädchens, fremder Leute Dinge in die eigenen Taschen zu stecken. Dass es ihr Brotverdienst war, wollte Fabrama nicht einsehen denn sie hatte offenbar eine absolut weltfremde Anschauung. Aber Fin wollte sie lieber nicht darauf hinweisen denn eben so wenig, wie sie sie je bestehlen würde, würde sie sich auf eine Diskussion mit ihr einlassen wollen -eine Stimme in ihr, die sehr vernünftig klang, legte ihr nahe, dass sie den Kürzeren ziehen würde.
Auf der großen Tafel änderten sich wieder einige Zahlen und mit einem, auf einmal sehr lautem, Klicken zeigte sie den neuen Kurs an.
>>Oh...<< wiederholte Fin. Im Augenschein der Aufgabe die ihr Istharion stellte, schwankte sie zwischen Stolz und Zweifel. Stolz darüber, dass er ausgerechnet ihre Worte in dieses feine Buch aufnehmen wollte, und Zweifel, weil sie sehr wohl wusste wie kindisch es von ihr war, die Ohren zu verschließen und jedes Wort abzustreiten, wenn es die Erwachsenen wieder einmal rüttelte über ihre "besondere Macht" zusprechen; etwas, was das Mädchen weder verstehen konnte, noch wollte. Und dennoch tat sie es zu gerne denn die Furcht riet ihr, sich auf nichts einzulassen, was sie nicht verstand.
>>Oh...<< wiederholte Istharion und seine Augen funkelten schelmisch.
>>Wenn ihr es wollt, will ich es versuchen. Aber erwartet nichts Großes! Ich hab\s nicht so mit Worten, wisst ihr.<<
>>Was man an deinem Tagebuch ja sehen kann.<<
>>Was?<<
>>Rede keinen Unsinn, Kind. Du schreibst sehr schön.<<
>>Ihr seid ja verrückt, ich habe kein Tagebuch!<< plötzlich viel munterer drückte sich Fin ihren Beutel an die Brust als wöllte sie etwas wichtiges behüten. Wie konnte das sein? Wenn dies ein elbischer Scherz war, war es kein guter.
>>Nenne es wie du willst. Dein Vater kennt es jedenfalls auswendig. Aber das ist ja jetzt nicht so wichtig.<<
Er wollte auf den Unterricht zurückkommen als wäre nichts gewesen, Fin jedoch murmelte verstört vor sich hin, >>So ein Unsinn, das ist ja wohl nicht wahr. Von wegen Tagebuch, was sollte da schon drinnen stehen?<<
Geduldig hörte er sich ihren Wortschwall an und musterte das Kind mit angezogenen Brauen. >>Aber was meinst du, woher er wohl wusste, dass du die Kugel verloren hast?<<
Die kleine Zauberkugel war ein Fluchtweg aus bremslichen Situationen. Wenn man sie nur an der richtigen Stelle drückte, brachte sie einen auf die Mauerkrone der Grenze zwischen Süd- und Nordburan, dem Wohnort des Schattentänzers. Dieser Weg war einem jedoch nur einmal gegönnt und sobald man sich dessen bediente, verschwand die Kugel im Nichts. Wider besseren Wissens musste es das Mädchen ausprobieren. Ganz ohne Not und drohender Gefahr, lediglich der Wunsch dort hinauf, und zu dem Bewohner der Mauer zu kommen lies sie den kleinen Schatz verschwenden und grämte sie sich auch darüber, ihren Vater nicht vorgefunden zuhaben, hatte sich der Ausflug gelohnt; denn nirgends ist der Sonnenaufgang schöner anzuschauen, als über der toten Stadt Buran und den Gebirgszügen die sie umgeben.
>>Simon weis alles.<< und damit war das Thema für sie erledigt. Seit der Elbe darüber witzelte, auf seiner typisch trockenen Art, wie sie sich benahm wenn man über Simon sprach, nahm sie sich vor keinem mehr Anlass zum Lästern zu geben. Woran es lag, dass diese zwielichtige Gestallt plötzlich Mittelpunkt ihres Tuns und Denken war, hätte sie nicht erklären können. Und war ihr Lehrer auch der Freund des selbsternannten Vaters, hatte er kein Recht diese wertvolle Bindung auf irgendeine Weise ins Lächerliche zu ziehen.
So kreisten wieder wirr die Gedanken durch ihren Kopf. Doch anstatt sich dem aufkommenden Trotz gegenüber Istharion hinzugeben versuchte sie sich auf die Aufgabe zu konzentrieren. >>Bis zur nächsten Stunde? Soll die Aufgabe erledigt sein, meine ich?<< wollte sie wissen, doch diesmal lag es an dem Elben, nicht ganz bei der Sache zu sein. Er starrte abwesend vor sich hin. Auch Fabrama merkte das und legte ihre Arbeit lächelnd nieder. Mit verschwörerischem Flüstern sprach sie zu Fin >>Wenn du möchtest, helfe ich dir. Das machen wir gemeinsam, daheim am Küchentisch.<<
>>Oh ja,<< antwortete sie im gleichen, leisen Ton, >>sonst verstehe ich es wohl nie..<<
>>Ich bin doch auch neugierig und möchte ebenfalls helfen ihn zu besiegen, auch wenn ich nicht so mächtig bin wie...<<
>>Hört auf damit, Dame Liel. Habt ihr gehört, was Simon tut? Er hat ihn bei sich zuhause, der Ärmste!<<
Als hätte sie Fin nicht gehört fuhr sie etwas strenger fort >>Ich denke, du trägst große Macht in dir, Fin. Nur weist du sie noch nicht zu gebrauchen.<< Istharion blinzelte leicht und Fabrama schloss mit nachdenklichem Blick zu ihm >>Aber du wirst es lernen.<<
>>Wir waren beim Lichtwald.<< sprach der Elb endlich. >>Tatsache ist, dass der Düsterschatten stets weis wo du bist und sich nur ungern weit von Ruward entfernt.<<
Sie wollte es nicht hören. Sie wollte, dass sie es nicht hören musste. Lieber noch eine Lektion über Magie, als über den Schatten zu sprechen und darüber, was zu tun war um wieder gut zu machen, was sie angerichtet hatte. Sie starrte wieder zu der Tafel und versuchte Istharions Worte zu verstehen, ohne sie auf sich wirken zulassen.
>>Er wird dich angreifen wenn du unvorsichtig bist, und Simon dich nicht schützt. Du bist stark, und damit er sich an dich hinanwagt musst du schwach sein. Erinnerst du dich an den Flammenschlag, den Phytum vom Alten verpasst bekam? Ein winziger Funke glomm anschließend noch in ihm.<<
Auch das gehörte zu den Dingen, die Fin nicht vergessen konnte. Es war eine der wenigen Begegnungen mit dem Herrn der Festung, wie man ihn allgemein nannte. Es war keine freudige Begegnung, und Phytum, der sie vor etwas schützen wollte, was sie nicht hätte fürchten brauchen zog den Zorn des Magiers auf sich. Wieder eine Schuld, die Fin auf ihren Schmalen Schultern trug, doch wie hätte sie Phytum nicht um Hilfe bitten können, dachte sie doch es ginge ihr an den Kragen? Jedoch, so sind die Menschen. Sie glauben, was sie am meisten fürchten und es bedurfte noch vieler Fehler, bis Fin das verstand.
>>Nun, hätte der Düsterschatten Phytum just in diesem Augenblick erwischt, wäre er nun selbst ein Wandler in den Schatten, nicht unähnlich dem Feind. Das ist es, was der Düsterschatten für dich wünscht.<< Mit undurchschaubarer Miene fuhr er fort. >>Also wirst du ihm genau das geben.<<
>>Ihr meint doch nicht etwa... Meister Adanedhel, das werde ich nicht!<< verstört blickte sie den Elben an als er sich zu ihr hinab beugte und die Hände auf die Knie stützte. >>Also gut, noch einmal für kleine Mädchen<< sprach er schleppend und holte tief Luft. Mit einem amüsierten Unterton, der Fin in diesem Moment unheimlich störte, hörte sie Fabrama murmeln >>Holt Luft zum Laufen.<<
Istharion wartete einen Augenblick bis er sich der Aufmerksamkeit des Kindes sicher war und sprach in nervenaufreibender Gleichgültigkeit. >>Der Alte wird bei dir im Lichtwald sein, wenn alles vorbereitet ist. Eben so wie die Acht, die dich unterstüzen werden. Sie werden um dich einen Ring bilden und <<
>>Acht? Welche Acht?<<
>>Ich weiß nicht, welche sieben. Einer steht vor dir.<<
>>Und eine steht hinter dir.<< Fabrama zog dem Mädchen eine Haarlocke aus dem Mund, auf der sie begonnen hatte nervös zu kauen.
>>Der Alte wird dich vernichten. Fast. Und Simon bekommt ein Zeichen, dass er den Schatten ziehen lassen soll.<< Seine Stimme senkte sich. Ein Arbeiter ging an den Wänden der Halle entlang und entzündete die Fackeln als die Dämmerung in das Gebäude schlich. Das Klicken der Tafel drang störend laut in Fins Bewusstsein.
>>Du wirst leiden. Dem Tode nah sein. Gequält... verbrannt... und fast zerstört. Er wird nicht anders können, als zu dir zu kommen. Und du wirst das achte Gesetz anwenden, und das schnell.
Die Acht, die dich umringen, werden die Fackeln tragen die der Alte für diesen Zweck erschuf. Sie werden ihn vollkommen sichtbar machen und verhindern, dass er flieht. Dann, Fin, wirst du dich als würdig erweisen müssen. Du wirst dich selbst heilen. Du wirst dich selbst schützen. Du wirst den Bannspruch über den Schatten sprechen<< Er richtete sich wieder zu voller Größe auf. Das Licht von den Wänden hinter ihm gaben Istharion ein furchteinflößendes Aussehen. Als er weiter sprach war Fin, als zeichnete sich auf dem Anblick ihr Verhängnis ab.
>>Du musst schneller sein als er. Weder dich, noch Thargelion darf er angreifen. Gelingt ihm das eine, wirst du zum Schatten, gelingt ihm das andere, wird er so mächtig sein, dass du verlierst. Kann er sich vorher am Herrn der Festung stärken, wirst du untergehen. Heilst du dich nicht schnell genug, wirst du untergehen. Schützt du dich nicht schnell genug, wird er dich daran hindern, den Bann zu sprechen. Versagst du, werden viele Leid erfahren.<<
Er lächelte. Sie vertrieb die grausamen Bilder, die sich vor ihrem geistigen Auge abspielten, und sah noch einmal hin. Er lächelte tatsächlich. Als hätte er über eine gute Ernte gesprochen. Sie sah zu Fabrama, deren Lippen schmal geworden sind als Istharion sprach. Als sie Fins Blick gewahr wurde straffte sie die Schultern. >>Du wirst nicht versagen Fin, ich habe vollstes Vertrauen in Dich.<<
>>So geht es mir auch, Frau Liel. Das einzige, was mir tatsächlich ein wenig Kopfzerbrechen macht, ist was aus Fin anschließend wird. Wenn sie die Macht des Schattens nimmt, wird es ein Kind geben, das unausgebildet ist, aber dennoch größten Respekts verdient. Simon wusste wohl sehr genau, was er tat, als er dich Tochter nannte.<<
Das war zu viel. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu und ihr Magen rebellierte. Die Zuversicht die man ihr entgegenbrachte war wie ein Schnitt in das kleine Herz; so viel Vertrauen auf jemanden wie sie, die rannte wenn es bremslich wurde und so wenig von dem verstand, was man von ihr erwartete. Die Qual wurde auch nicht besser als sie mit halb erstickter Stimme fragte, ob sie die Kraft des Düsterschattens wirklich auf sich nehmen soll. >>Natürlich!<< rief der Elbe entnervt auf und bedrohliche Lienen zeichnet sich auf seiner Stirn ab. >>Du wirst ihn nicht zurück auf die Schattenpfade schicken, du wirst ihn vernichten und damit seine arkane Essenz aufnehmen.<<
>>Was hat das zu bedeuten?<< sprach sie laut aus und dachte; wie konnte er nur so lässig darüber sprechen? Wie konnte er es wagen, ihre Furcht nicht zu teilen? Was war eine arkane Essenz?
Die übliche Gelassenheit kehrte auf sein Gesicht zurück. In seiner ruhigen Stimme lag etwas Feierliches als er schließlich weiter sprach. >> Und die Götter sollen denen Gnaden, die hernach ihren Zorn herausfordern.
Das bedeutet es. Und dies ist meine Aufgabe. Ich soll dich das lehren, was notwenig ist, damit du deine Kraft zubeherschen lernst und sie gemäß den Gesetzen anwendest.<<
>>Nein, das bedeutet es nicht! Es sagt mir nicht, was die Essenz ausmacht, ob ich das überhaupt will und...<<
>>Hast du eine Wahl?<<
Sie ließ die Schultern hängen und wusste nicht mehr zu antworten.

Chaos. Sie musste nicht einmal auf den Gang hinaus schauen, um zu wissen was geschehen war. Gebellte Befehle halten durch die Höhle. Eine von vielen, in denen just das Gleiche geschah. Früher war sie jedes Mal aufgeschreckt, doch mittlerweile hatte sie sich an den Ablauf der "Räumung" gewöhnt.
Es kam gelegentlich vor, dass ein Abenteurer seine Nase zu weit in Dinge steckte, die ihn nichts angingen und tiefer in das Geheimnis des Jerodar-Clans eindrang, als gut für ihn war. Es war kein leichtes für die Diebe, die obere Höhle zu halten, deshalb war der Eingang zum unteren Höhlensystem gut geschützt und für das bloße Auge unauffindbar. Wenn ein ungebetener Besucher durchkam, alarmierte der Wachposten durch ein bestimmtes Zeichen die Wache in der angrenzenden Höhle und es handelte sich meist nur um Sekunden, bis in den unteren Ebenen alles, was ein Schwert halten konnte, auf den Beinen stand.
Fin ging es nichts an. Kurz spürte sie Bedauern für den Abenteurer in sich aufkommen. Die Diebe waren keine Mörder und im Kampfe ungeübt. Einmancher jedoch, der glaubte diese Schwäche nutzen zu können, wurde eines Besseren belehrt, ging er zu weit. Die Lektion war ihm nicht von Nutzen wenn sie vorüber war denn bei der Räumung kannten die Jerodar kein Mitleid.
Fin ging es nichts an und sie hatte besseres zu tun als sich über die Übermütigen Gedanken zu machen.
Sie war so wütend, dass sie sich voller trotzigem Ehrgeiz über ihre Hausaufgabe hermachte. Jedes vernünftige Kind hätte vielleicht anders gehandelt und, was getan werden musste mit Verwünschungen in den Wind geschossen. Ihr blieben nur die Verwünschungen und einige Bücher die sie aus dem Rosenhaus, das Haus Fabramas, geliehen hatte. Es waren kluge Bücher, wie Fin sie nannte, über Menschen, deren Tun und Lassen, Gefühle und Verstand, und sie verstand nicht die Hälfte des Geschriebenen.
Anfangs schien ihr die Aufgabe nicht schwer zu sein. Gemein, bedenkt man ihre Situation, aber leicht zu verstehen. Jemehr sie jedoch über eine ausgeklügelte Interpretation, und feinen Wortlaut nachdachte, je mehr Ideen dazu kamen ihr in den Sinn. Gedankengänge, die sie nur schwer in Worte fassen konnte. Mehrmals setzte sie die Feder an und schrieb ein wenig hiervon und davon, was für den Beginn nicht schlecht klangen, jedoch weder ausdrücke, noch darauf hinauslaufen wollte was sie dachte.
Sie drückte den Korken fest auf das kleine Tintenglas, rollte sich auf ihrem Bett auf den Rücken und starrte an die Decke. Vor ihrer Kammer eilten ein paar Füße den Gang hinauf. Es ist stiller geworden und sie hörte, wie sich die Warnrufe in wüste Beschimpfungen gewandelt haben. Auch ein üblicher Vorgang nach der Räumung, dachte sie sich trocken. Die Diebe wussten von alldem was Oben geschah und nicht unmittelbar mit Reichtum, konlirscher Politik oder Anschläge auf die Gilde zutun hatte nichts. Zwar hatte das Oberhaupt seine Informanten, jedoch ließ er keine Gerüchte zu sich kommen die ihn nichts angingen und diese Einstellung gab er jedem weiter, der seinen Rat hören wollte. Fin erinnerte sich, wie er sie vor einigen Monaten in seiner Höhle, in seinem Clan willkommen geheißen hatte. >>Misch dich nicht in die großen Angelegenheiten der Menschen, wenn du es hier zu etwas bringen willst. Du bist nun ein Dieb, und alles was zählt sind die ungesprochenen Regeln.<< Und das waren einige. Im Sammelschacht, der Höhle vor der ersten Wohnebene, waren sie eingemeißelt und riefen insgesamt jedem Jerodar ins Gedächtnis, dass er tun und lassen konnte was er wollte solang er dem Clan nicht schadet. Einst ging Fin staunend an den Wänden entlang die sich nach obenhin zu einer unregelmäßigen Kuppel formten. Die ganze Höhle war in Sandstein geschlagen und sie hatte sich gefragt, wie nah sie an Hewien, der Felslandschafft, lag. Es muss ein Künstler gewesen sein, der die Worte an die Wand brachte. Vielleicht einer von jenen Gestalten aus Konlir, die es mit ihrem Handwerk nicht einmal auf ein Brot am Tag brachten obwohl seine Ideen gut, und sein Können nicht ganz dem Wunschdenken entsprungen war. Gerade diese Leute waren es, die der Anführer für seine "Außenarbeit" benötigte. Sie waren bekannt, jedoch unauffällig genug um den Reichen nicht in die Quere zu kommen und keiner wunderte sich, wenn so eine arme Existenz nach dem neusten Klatsch der Wohlhabenden fragte.
Ihr Vorhang wurde zur Seite geschoben und sie sammelte wieder ihre Gedanken. >>Alles in Ordnung, Kleine?<< brummte ihr die Silluette eines Riesen entgegen. >>Bis hier her kam keiner. Es ging wieder laut zu.<< Fin richtete sich auf und schlang die Arme um die Knie. >>Gibt es was zu tun, Bragoth?<<
Er warf einen Blick auf den Bücherstapel neben Fins Bett. Im Schein ihres Kopierlichts konnte sie sehen, wie er die Mundwinkel verzog, schließlich schüttelte er den Kopf. >>Komm grad vom Anführer. Er ist nicht glücklich über den Eindringling, schon der zweite in einer Woche. Wann warst du das letzte mal Oben?<<
Fin zuckte mit den Schultern und bemühte sich, nicht schwermütig zu klingen. >>Gestern. Zum Abend hin. Der Bäcker hat seiner Tochter ein Armband geschenkt. So, wie sie damit angegeben hat, war es bestimmt nur aus Ingerium.<<
Der Große Mann grinste. >>Das hättest du Jakk sagen sollen. Er ist seit heute Morgen um einen Metalklumpen reicher. Was machen die Kurse?<<
Sie sah schuldbewusst auf. >>Sie gehen auf und ab, Herr. Wer Anteil am Goldhaus hat, ist ein reicher Mann.<< Nun lachte Bargoth >>Anteil haben wir auch so, Kleine. Aber sag mal, was hast du denn dort verloren? Du hast doch mit keinem über die Höhlen gesprochen, ja?<< Sie wollte erwidern, dass es noch andere, wichtigerer Dinge als die Höhlen der Diebe gab, verkniff es sich jedoch. >>Nein, Herr. Ihr wisst, dass ich zugern hier bin als, dass ich irgendwelche Tunichtgute anlocken würde.<<
Wieder grinste er, sichtlich zufrieden. >>Nimm\s mir nicht übel, ich musste fragen. Es ist auch wirklich alles in Ordnung?<<
>>Jaha,<< entgegnete sie und verdrehte übertrieben die Augen. >>Fragt ihr noch einmal, muss ich mich wohl krank fühlen um euch einen Gefallen zu tun.<<
Er teilte ihr den Posten für jenen Abend zu -oberste Höhle, Wachposten und Ablenkungsmanöver- und ließ sie wieder mit sich allein. Bargoth war der rechte Arm des Anführers und es wunderte sie sehr, dass er zu ihr gekommen war. Er war immer freundlich und lachte auch über den schlechtesten Witz aber es kam selten vor, dass er in die Wohnebenen kam um sich nach dem Rechten zu erkundigen. Ob man sie im Verdacht hatte, sie würde die Gilde verraten? Die meisten Diebe verbrachten ihr Leben außschlichlich dort unten und es war nur den Informanten gegönnt ihren Wohnsitz in einer der Städten zu haben. Wer so ein und ausging war schnell im Verdacht gegen die Jerodar zu arbeiten besonders dann, wenn er keine Beute nachhause brachte. Sie nahm sich vor, nach ihren Unterrichtsstunden noch hübsche Sachen für die Gilde aufzuspüren und widmete sich dann wieder ihrem eigentlichen Problem.
>>Misch dich nicht in die großen Angelegenheiten der Menschen, wenn du es hier zu etwas bringen willst.<< murmelte sie und schnaubte schließlich. >>Ich muss ja! Sonst kommt der Schatten auch zu euch, ihr alten Diebe.<< sie hiefte ein dickes Buch auf ihr Bett und schlug es auf. >>Aber das könnt ihr ja nicht wissen, also denkt ihr natürlich auch nicht darüber nach.<< sie las willkürlich ein paar Zeilen, blinzelte und las noch einmal.

"Und als der Tischler Hubstenude dem Grafen das Gewand vorführte, lachte jener schallend auf und meinte, auf die Schulterpolster je ein Glas vom besten Weine, und hinge man um das bessere Tischbein, das Hubstenude ihm als Rock andrehte, Festgirlanden, wollt er es als Zierde für den Garten und nicht so an seinem Weib. Der Tischler wart erblasst und sah das schöne Gold für jenes Ausschreiben "Das Schönste an des Grafen Gattin" in die Hände des Bäckers gehen, der ein Schinkenbrot gebucken und dafür erst vom ganzen Hof verlacht gewesen wart."

Es war nicht ganz das, wonach das Mädchen gesucht hatte aber sie konnte damit arbeiten. Immerhin musste sie sich mit dieser Geschichte nicht an die eigene Nase fassen und das kam ihr nur zu gute. Nur war es noch immer nicht geklärt, was es mit der Wahrheit auf sich hatte. Was, wenn dieser Künstler, der in den Sammelschacht einst die Regeln der Gilde eingemeißelt hatte gar nicht gewusst hätte, dass er so etwas kann? Was, wenn er stattdessen Schreiber des konlirschen Bürgermeisters geworden wäre ohne je Hunger leiden zumüssen, wäre er dann zu den Dieben gekommen und hätte je einer die ungesprochenen Regeln lesen können? Würde der Anführer des Jerodar noch in der Höhle hocken wenn er wüsste, was draußen wirklich geschah? Und wenn er es doch wusste, drehte er dann nicht nur der Wahrheit jener den Rücken zu, die es unmittelbar betraf?
Fin sprang auf und ging vor ihrem Bett auf und ab. Sie konnte alle Formeln aufsagen, die sie in Thurimbar je lernen musste. Im Gegensatz zu ihrem Bruder war sie der Stolz der Lehrer gewesen und stets hatte sie ihr Onkel gelobt, was für ein gescheites Kind sie war. Nun kam sie sich gar nicht gescheit vor und sie wusste, ihr verschrobener Onkel hätte für diese Aufgabe auch keine Lösung.
>>Wer absichtlich der Wahrheit den Rücken zukehrt verrät sich selbst<< murmelte sie und tippe sich mit dem Finger gegen die Unterlippe. >>Verrät sich selbst... also gilt es nur, wenn die Wahrheit auch mit ihm zu tun hat!<< sie legte wieder Tintenglas und Schreibpapier auf ihr Bett, kniete sich davor und schrieb eilig etwas nieder als fürchtete sie, sie würde die Worte jeden Moment wieder vergessen. Mit vor Konzentration gekrauster Stirn und einer Haarsträhne zwischen den Zähnen nuschelte sie sich vor was schreiben wollte um den Klang der Worte auszukosten.
>>..jene leugnet, schadet man nicht nur Wahrheit sondern auch...<<
>>Ich schade dir gleich, wenn du nicht aufhörst mit diesem Gelehrtengeschwafel.<<
Fin fuhr zusammen und stoß mit dem Ellenbogen das Tintenglas vom Bett
>>Schiefmaul! Hier ist doch nicht die Post, dass jeder ein und ausgehen kann wie er will! Raus mit dir!<<
>>Ich wollt doch nur...<<
>>Raus!<<
Der Junge, dessen verzogener Mund ihm seinen Namen gab, grinste an Fin hinab und deutete auf ihre Schürze. >>Du hast da was..<< Er ließ den Vorhang schnell fallen als sie nach dem leeren Tintenglas griff und trampelte davon.
Die Tintenspritzer auf ihrer Schürze waren nichts gegen die großen, sich weiter ausbreitenden Flecken auf ihrem Papierbogen und der blauen Lache vor ihrem Bett die dem Bücherstapel gefährlich nah kam. Seufzend ging sie in die Hocke und begann mit der Bergungsmaßnahme und lange sagte sie sich vor, Vergebung hat etwas magisches.
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Gaerfin Tinnuin
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Re: Geschichten um und mit den Tinnuins

Beitrag von Gaerfin Tinnuin » 1. Okt 2009, 19:22

-Valvanda-

Es herrschte eine beklemmende Stille in der Sammelhöhle der Diebe. Eine Stille wie sie nur entstehen kann wenn teures Geschirr zu Bruch geht, oder eine schockierende Wahrheit ausgesprochen wird, oder aber wenn ein Mädchen einen jungen Gecken mit der geballten Faust das Nasenbein bricht. Lediglich ein Wassertropfen widersetzte sich dem erstarrten Bild und verschwand mit einem kleinlauten Plopp im Quellbecken.
Später konnte keiner Behaupten, sie hätte Schiefmaul nicht eine Chance gegeben. Eine? Hunderte. Aber er konnte es wie immer nicht lassen die junge Diebin bis aufs Äußerste zu reizen.
„Sie ist viel hübscher als du“ hatte er gesagt.
„Ist mir egal“ hatte sie geantwortet
„Sie hat Brüste! So etwas hast du nicht“ meinte er darauf.
„Ist mir egal“ sagte sie.
„Und sie bringt viel mehr in die Höhlen als du!“
Er konnte es nicht lassen.
„Soll sie doch. Lass mich in ruhe!“
„Sie hat den Schattentänzer getroffen.“
In dem Moment ist Gaerfin stehen geblieben, denn sie hatten die Sammelhöhle erreicht. Sie genoss den Anblick, immer würde sie diese Höhlen lieben, ganz gleich wer sich in ihnen Tummelt. Sie drehte sich bewusst langsam zu Schiefmaul um, der ihr bis hier her gefolgt war.
„Jeder traf den Schattentänzer schon mal.“
„Ha! ABER er MAG sie!“
Sie wollte nur in ihre Kammer und nach den Sachen sehen die sie vor der Reise zurück gelassen hatte. „Und wenn?“ sie lief weiter und fügte gelangweilt hinzu „Ist mir egal“.
Er lachte und lief ihr weiter hinterher.
„Aber sag mal Fin, wird sie dann deine Schwester oder löst sie dich nur ab?“
WUMM!!
Dass er mitten hinein laufen musste war ein unerheblicher Beitrag zur Wucht des Schlages

Bevor der zweite Wassertropfen verschwinden konnte rührte sich endlich etwas in der Höhle. Irgendjemand stieß einen beeindruckten Pfiff aus, ein anderer lief zu dem am Boden liegenden und drückte ihm einen Lappen auf die Nase.
Fin starrte auf ihr Werk. Nicht erschrocken oder bestürzt. Viel mehr interessiert, wie viel Blut aus einem so hohlen Kopf fließen kann
Schiefmaul richtete sich schwerfällig auf. Nach dem er sich mit einem Blick in den Lappen vergewissert hat, dass nur Blut kam, sah er zu seiner Peinigerin auf. „Und sie versteht viel mehr Spaß als du!“
Es klang irgendwie nasal. Hätte sie nur fester zu geschlagen…

Enttäuschender Weise fand sie ihre Kammer, bis auf wenige, ihr unbekannte Dinge, leer vor. Mit dem Kopf voller wilder Vermutungen, den Bauch voller Triumph ob des jüngsten Sieges (sie würde es nie zugeben, aber es tat verdammt gut) und einer schmerzenden Faust begab sich die Diebin auf Diebesjagt.
Wer war diese Valvanda. (und wenn ja, wie viele…)
Dinge, gleich welcher Art, sind unter Dieben am besten aufgehoben. Wenn sie auch gelegentlich unvermutet den Standort wechseln gingen sie nie verloren.
Es gibt kein „der Hund hat´s gefressen“. Und nicht selten hat ein Gegenstand einen dokumentierten Werdegang. So findet sich alles wieder. Oder ein, zum rechten Augenblick.
Ja, Diebe wissen von der Macht der Dinge in ihrem bloßen Dasein.
Und so sicher wie das Omen beim Orakel war, dass sich Gaerfins Dinge bei einer vollbusigen, blauäugigen, blondhaarigen Ziege in enger Lederkleidung befanden.
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Re: Geschichten um und mit den Tinnuins

Beitrag von Gaerfin Tinnuin » 30. Okt 2009, 14:18

Der Wald des einsamen Baumes war ein schöner Flecken Natur. Wenn auch ganz und gar nicht unberührt. Wie das Netz einer Spinne in der Ecke zogen sich ausgetretene Wege von der Bank aller Wesen in die drei möglichen Himmelsrichtungen. Es waren unzählige. Fin hatte sie gezählt: Es gab allein vier große Wege von der Bank in den Norden, fünf waren es mit dem Umweg über die Post. Die Straße in den Osten war breit und tiefe, gerade Furchen verliefen darauf die an Regentage Bäche bildeten. Sechs Alternativen gingen von ihr ab, mehr noch wenn sie den Wald verlassen hatte. Die Alternativen in den Süden wurden bald zu einem einzigen Weg der durch eine Enge führte. DER Ort schlechthin um auf der Lauer zu liegen.
All diese großen Wege waren durch kleinere mit einander verbunden. Und von den kleineren Wegen wiederum verliefen sich schmale Möglichkeiten im Irgendwo.
Dieses Irgendwo zu kennen war ein entscheidender Vorteil wenn man überall gleichzeitig sein musste um beispielsweise einem Wesen nach zustellen, das man in seiner Unbekümmertheit nicht stören wollte.
Langsam gleitet die Jägerin durchs Unterholz denn sie hatte es nicht mehr eilig. Es war nicht schwer diese Beute zu finden, denn sie war plump und laut und jedermann kannte ihren Namen und konnte beschreiben, wie sie tatsächlich aussah.
Sie beobachtete ihre Beute mit Erstaunen. Valvanda schlenderte den großen Weg zur Bank entlang, unbekümmert, führwahr. Mit einem Lied auf den Lippen und dem Finger in der Nase, das schwarze Haar, dicht und strähnig, war fast starr vor Schmutz, aber ein Blatt darin wippte auf und ab. Das weiße Kleid sprach ihrem üblen Ruf Hohn. Es war schlicht und sprach von Unschuld. Ein Unterkleid wie es die Mädchen in Konlir trugen, ärmellos, ein gerader Schnitt, und kurz unter den Knien gab es dann den Blick auf zwei kräftige Beine und schmutzige, nackte Füße frei. Jedoch war seine Trägerin kein Mädchen mehr. Mit jedem Schritt zeichneten sich unter dem Leinen sehr weibliche Formen ab. Nicht drall, nicht aufreizend, nur eben sehr weiblich. Sicher traten die Füße auf den steinigen Boden und rollten sich mit einer Bestimmtheit ab als gehörten alle Wege ihnen.
Fin hingegen tat jeden Schritt bedachte und versuchte möglichst, den Boden nicht einmal zu berühren. Es war nicht der richtige Ort um auf sich aufmerksam zu machen, sie hatte einen anderen Plan als sich im Wald in den Geschicken ihres Handwerks mit der Kollegin zu messen.
„Sie kann nichts sehen, oder will sie das nicht? Schleicht durchs Geschehen an der Wand, ganz dicht...“ Valvanda sang in heller, ungeübter Stimme, teilweise viel zu hoch.
  • „Sicher im Schatten sicher vorm Licht,
    leise wie Ratten ein dunkles Gesicht..
    Nimmt sie es sich, dass leuchtend Gold
    In den Beutel ein Stich, des Wächters fein Sold
    Wiegt es sich dann In ihren Händen.
    Oh schöner Klang du sollst nie enden.
    Das Leben ist lang… Ihr Leben ist lang“
Der Weg machte eine scharfe Biegung und schon war der Tumult vor der Bank zu hören. Mehr Wesen tauchten auf und verschwanden wieder auf anderen Wegen oder begleiteten die beiden Diebe unwissendlich.
Fin zog noch während des Liedes Klang Valvanda den Vormarsch machte ein Blasrohr und Munition hervor, drehte und wendete das Kügelchen bedacht in den Fingern und klemmte es sich zwischen die Zähne.
Noch ein schleichender Schritt, und noch einer.
Valvanda schulterte ihren Beutel, der verrutscht war. Fin schoss. Ein glatter Treffer in den Nacken, Valvanda schrie und erstarrte. Ihr Angreifer schlug sich durch die Büsche davon, ins Irgendwo.


Die Tür zum Wirtshaus des einsamen Baumes wurde aufgestoßen und hinein platzte ihre Konkurrentin, ein grimmiges Glimmen in den Augen und ein kühlendes Tuch im Nacken. „Du!“
Fin schielte nur flüchtig über ihren Tee hinweg. Sie fühlte sich sehr erwachsen als sich die Ältere herrisch näherte. Valvanda nahm den Raum für sich ein, selbst die Gegenstände blickten ihr nach und dem Mädchen schien es, als sei sich Valvanda dessen nicht einmal ganz bewusst.
„Du warst das im Wald vorhin! Gib´s zu, ich hab’s gesehen! Ich KENNE dich!“
„Und wenn?“
„Dann war das ein sauberer Schuss.“ Valvanda setzte sich neben das nunmehr verwirrte Mädchen und grinste. „Du hast bei den Jerodar gelebt.“
„Und du hast was, das mir gehört.“
„Woher soll ich´s haben“?
„Dritte Ebene, letzter Gang, die Kammer links.“
„Neben der Quelle?“
Fin nickte.
„Verdammt.“
Scheinbar ergeben brachte Valvanda ein Knäuel roter Wolle zum Vorschein der sich tatsächlich als Fins Eigentum heraus stelle: Ein Paar Handschuhe. Abgenutzt, fingerlos, und ihr teuer wie nur irgendwas.
Im Stillen schellte sie sich eine Närrin und musste sich eingestehen, dass ihre lieben Begleiter rechtens in Valvandas Händen lagen
„Ein Rätsel“, meinte diese. „Wenn du es löst, bekommst du sie zurück.“
Die macht es mir ja leicht, dachte sich Fin und nickte bloß.
„Also gut, pass auf. Ich sag’s nur einmal: Kein Schwein und kein Pinsel, Kein Gold und keine Farbflecken.. Was suche ich?
Verdammt, dachte sich Fin.
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