Die Geschichte von Isabella

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Myrielle Felidae
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Die Geschichte von Isabella

Beitrag von Myrielle Felidae » 1. Dez 2010, 14:20

"Es wird kalt" murmelte er gen Küchenofen und rieb seine Hände aneinander. Natürlich sprach er mit sich selbst, der Zauberer lebt allein und zurückgezogen in einer schlichten, alten Hütte. Immerhin war das Dach dicht und einen extra Raum nannte Jeronimus sein Labor. Viel mehr benötigte er ja auch gar nicht.
Jeronimus betrachtet den Holzstapel neben seinem Küchenofen, der nahezu perfekt gestapelt ist. Ja... er hat Zeit... viiieeel Zeit! Er klatscht kurz in die Hände, um sich aus seinen Gedanken zurück zu holen und schnappt sich seine Kiepe. Gekonnt wirft er sich die abgewetzten Riemen über die Schultern und geht zur Tür. "Ein paar trockene Zweige werden reichen!" Ein kurzer Blick zum Küchenofen und er öffnet die knarrende Holztür, tritt hinaus in die leichte Dämmerung und zieht die frische Luft tief durch die Nase ein. "Herrlich..." murmelt er lächelnd "...aber kalt". Entschlossen schließt er die Tür und begibt sich in den Wald. Ein Käuzchen lässt seinen Ruf erklingen und Jeronimus blickt sich suchend um, er schmunzelt über das vertraute Geräusch.
"...einundzwanzig... zweiundzwanzig... dreiundzwanzig..." zählt er wie gewohnt seine Schritte. Aprupt bleibt er stehen: "Herrje... was ist denn...?" Mit geweiteten Augen beugt er sich zu einem Leinenbündel hinab, welches in Laub eingehüllt am Boden liegt. Er lässt die Kiepe vom Rücken rutschen und sie fällt zu Boden. "Ist es nicht schon etwas zu kalt, um hier im Wald herum zu liegen, hm?" spricht er überflüssigerweise zu dem reglosen Leinenbündel und blickt sich ratlos um. Jeronimus stellt sich aufrecht vor das Bündel, verschränkt die Arme und kratzt sich dann nachdenklich am Kinn. Er hebt den Zeigefinger und spricht belehrend als auch entschlossen: "Bei mir kannst du nicht bleiben, ich hab ja selbst kaum Platz..." er holt mit den Armen weit aus: "...außerdem wirst du wachsen und... und mir alles weg essen... ja und mein Labor... du wirst mein Labor ganz durcheinander bringen, ja ja!" Sein Zeigefinger, den er wieder erhoben hat, wackelt nun hin und her, als Jeronimus sich plötzlich besinnt. Er hockt sich hin und beäugt das kleine Mädchen erneut, murmelt dann leise und mitleidig: "Aber hier draußen wirst du erfrieren... verhungern... oder von den Wölfen..." energisch wedelt er die letzten Worte beiseite und hebt das Bündel auf. Etwas ungeschickt hält er es nun fest und überlegt, wie er Kiepe und Bündel zurück tragen soll. Er klemmt sich das Leinenbündel vorsichtig und etwas unbeholfen unter den Arm und nimmt mit der freien Hand die Kiepe am Riemen. So eilt er nun zurück zu seiner Hütte und natürlich: "...neunzehn... zwanzig... gleich sind wir da... einundzwanzig... zweiundzwanzig..."
An seiner Hütte angekommen, blickt sich Jeronimus noch einmal suchend um und hält einen Augenblick lauschend inne. Nichts, nur der Käuzchenruf in weiter Ferne. Er betritt die Hütte, schließt die Tür und bringt die Kiepe an ihren gewohnten Platz neben dem Holzstapel... leer, wie er nun feststellen muss. Abwinkend begibt er sich zum Küchentisch und legt das Leinenbündel vorsichtig ab. Plötzlich wird Jeronimus bewusst, dass er nicht einmal weiß, ob das kleine Mädchen noch am Leben ist, denn die Augen hatte es die ganze Zeit geschlossen, schlafend dachte er. Sachte legte er sein Ohr an das Bündel und hielt die Luft an, um zu lauschen. War das sein eigener Herzschlag durch die Eile? Oder war das tatsächlich der sanfte Herzschlag eines Neugeborenen? Jeronimus blickt dem Mädchen ins Gesicht. "Welch lieblicher Anblick..." flüstert er lächelnd und macht sich daran, das Leinen ganz langsam zu öffnen. In weiche Silberfuchsfelle gepackt lag sie nun da und rührte sich noch immer nicht. Der Zauberer befühlte ihre Hände und Füße, sie waren eiskalt und schon leicht blau angelaufen. Aber wozu war er denn Zauberer? Er holte tief Luft und blies sanft auf den Körper des Mädchens. Augenblicklich nahmen Hände und Füße wieder die zarte Hautfarbe eines Neugeborenen an und sie öffnete ihre Augen. Blinzelnd blickte sie zu Jeronimus und begann zu schluchzen. "Nicht doch... Kleines... nicht weinen!" Sagte er mit einem ängstlichen Unterton. "Man könnte dich hören... ich meine... ach was" er winkt ab und nimmt das kleine Mädchen auf den Arm, wiegt es sanft und summt leise eine Melodie. Doch ihr Schluchzen geht über in wimmerndes Geschrei, ihre Lippen beben und ihre kleinen Händchen fuchteln wild herum. Der Zauberer redet auf das Mädchen ein, wiegt sie, singt ein Lied und hält ihre Hand in der seinen. Doch alles nützt nichts, sie beruhigt sich nicht. Der Verzweiflung nahe blickt Jeronimus sich suchend um und entdeckt das Kännchen mit der Ziegenmilch. "Du bist hungrig, nicht wahr?" Er holt die Milch an den Tisch, stippt mit dem kleinen Finger hinein und hält ihn dem kleinen Mädchen an den Mund. Augenblicklich greift ihre Hand nach dem Finger und sie saugt daran. "So so, ich hatte also recht" er lächelt und stippt immer wieder den Finger in die Ziegenmilch, den er ihr dann an den Mund hält. Ungeduldig fuchtelt sie immer wieder mit den kleinen Armen herum, wenn Jeronimus nicht schnell genug den Finger wieder hergibt. Sie wird unruhig. "So bekomme ich dich nie satt, Kleines" er seufzt und schaut sich um, entdeckt die alte Holztruhe an der Wand, in der er frische Leinen aufbewahrt und begibt sich rasch dahin. Er öffnet die Truhe, zieht eines der Leinen heraus, legt das Mädchen, das sofort wieder anfängt zu schreien, in ihr Bündel zurück und reißt ein kleines Stück aus dem frischen Leinen heraus. Er nimmt das Mädchen wieder auf den Arm, tunkt das Leinen in die Milch und lässt das Mädchen die Milch heraus saugen. Als er dies einige Male wiederholt hat, stellte er fest, dass sie ruhiger wird und schon bald schlief sie in seinen Armen wieder ein. Jeronimus lächelt sanftmütig, wiegt das Mädchen noch etwas in seinen Armen und blickt dann auf sie herab. "Isabella sollst du heißen" flüsterte er so leise, dass er nicht sicher war, ob er es laut gesagt hatte.

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Myrielle Felidae
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Re: Die Geschichte von Isabella

Beitrag von Myrielle Felidae » 1. Dez 2010, 14:22

10 Jahre später...

"Jeronimus... Jeronimus... schau, was ich hier habe!" Isabella kommt aufgeregt vom Baum herabgeflogen und landet genau vor den Füßen des Zauberers, der gerade damit beschäftigt ist, ein Kaklatron zu beäugen. Ganz außer sich vor Freude hält sie ihm ihre geschlossene Hand vor die Nase und kichert. "Ich sehe nichts, meine Liebe. Du solltest die Hand öffnen!" Liebevoll wie ein Vater lächelt er Isabella an. "Aber dann fliegt es weg... und es leuchtet doch so schön!" Sie hält die geschlossene Hand an ihr Auge und versucht, hineinzublicken. "Es hat ein eigenes Licht, Jeronimus" flüstert sie hingerissen. Lachend erklärte er Isabella: "Dann ist es vermutlich ein Glühwürmchen, das du da gefangen hast. Lass es frei... oder würde es dir gefallen, wenn ich dich einsperre, hm?" Seine Worte lassen sie erschrocken aufblicken zu ihm und sie schüttelt energisch den Kopf. "Nein Jeronimus..." mitleidig blickt sie auf ihre geschlossene Hand und öffnet sie dann langsam. Das Glühwürmchen sitzt regungslos auf ihrer Hand und leuchtet vor sich hin. "Schau Jeronimus... es will gar nicht weg". Sie lächelt ihn kurz an und schwupp, fliegt das Glühwürmchen knapp an ihrer Nase vorbei gen Wald. Isabella verfolgt es seufzend mit den Augen, bis sie es nicht mehr sehen kann und Jeronimus tippt ihr an die Schulter: "Hast du denn noch keinen Hunger?" Sie lächelt. "Doch, natürlich... ich habe groooßen Hunger!" Lachend holt sie mit den Armen aus und Jeronimus muss schmunzeln darüber. "Ich habs ja gesagt... ich habs dir gesagt" murmelte er, als er sich zur Hütte zurück begibt mit dem Kaklatron in der Hand. "Was hast du mir gesagt, Jeronimus?" fragt Isabella neugierig als sie über seinem Kopf fliegt. "Dass du mir die Haare vom Kopf fressen wirst... das hab ich gesagt!" Isabella schwirrt um seinen Kopf, kichert und wuselt dabei amüsiert in seinem langen Haar herum. "Hast du nicht!" Sie landet vor der Tür, öffnet sie und lässt Jeronimus den Vortritt, wie immer. Er stapft in die Hütte, begibt sich in sein Labor und kommt ohne das Kaklatron zurück in die Küche. "Deine Lektion, Isabella... die heutige?" er blickt sie fragend an. Isabella wirkt augenblicklich nachdenklich und stammelt dann: "Was ich... nein... was du... nein, ähm, warte..." Isabella schließt die Tür, setzt sich an den Tisch, als sie plötzlich lächelt und fließend spricht: "Was ich nicht will, das man mir tu, füg ich auch keinem Andern zu" Jeronimus schmunzelt, tätschelt ihr im Vorübergehen das Haupt sanft und holt den Suppenkessel vom Küchenofen. "Richtig, meine Liebe... du machst gewaltige Fortschritte" Lobt er sie überschwenglich und stellt den Kessel auf den Tisch, füllt dann Beiden die Schüssel, setzt sich und faltet die Hände zum Tischgebet. Isabella's Kichern verklingt und sie tut es ihm gleich. Jeronimus spricht mit leiser, warmer Stimme ein kurzes Dankgebet und einstimmig, wie immer, geben Beide ein "Amen" von sich und machen sich über ihre Suppe her. Jeronimus bricht einen kleinen Kanten Brot in zwei Teile und reicht eines davon Isabella, die es dankbar lächelnd annimmt.

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Myrielle Felidae
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Re: Die Geschichte von Isabella

Beitrag von Myrielle Felidae » 1. Dez 2010, 14:24

6 Jahre später...

"Du siehst so blass aus, Jeronimus... geht es dir nicht gut?" fragt Isabella besorgt und schaut ihn mit glasigen Augen an. Jeronimus liegt auf seinem Lager und dreht den Kopf zu ihr, versucht zu lächeln, doch sie sieht an seinen Augen den Schmerz, den er dabei fühlt. Er greift nach ihrer Hand und Isabella streichelt sie sanft, setzt sich neben ihn auf einen alten Holzstuhl. Seine Haut ist weich und faltig, hat bereits leichte braune Flecken und Isabella spürt, wie ihr Herz schneller schlägt. Ist es Angst? Sie weiß nicht, was sie ohne ihn tun soll und sie spürt, dass er nicht mehr lange bei ihr verweilen wird. Langsam und mit heiserer Stimme versucht Jeronimus zu sprechen, es fällt ihm schwer: "Isabella, meine Liebe... irgendwann einmal müssen wir alle gehen und jetzt bin ich an der Reihe." Jeronimus macht eine Pause und atmet schwer durch, sein Blick noch immer auf Isabella gerichtet, deren Augen sich langsam mit Tränen füllen. "Du bist nun erwachsen und ich habe dich alles gelehrt, was notwendig ist, damit du allein zurecht kommst. Du warst ein sehr gelehriges Mädchen und du warst mir über all die Jahre eine große Hilfe, weißt du?!" Isabella nickt unmerklich und ihre Tränen kullern ihr nun haltlos über die Wangen. "Ich möchte, dass du dir das Nötigste in ein Bündel packst und dich auf den Weg nach Mirimotha machst. Bedenke, dass du bestimmt zwei Tage unterwegs sein wirst, also nimm genug zu essen mit. Ich benötige hier nichts mehr." Isabella zittert am ganzen Leib und spricht mit tränenerstickter Stimme: "Ich kann dich hier nicht allein lassen, Jeronimus. Lass mich bei dir bleiben bis zu deinem Tode. Du brauchst doch ein vernünftiges Begräbnis... bitte." Ihre flehende Stimme ließ Jeronimus lächeln, er wusste, dass er gut für sie gesorgt hatte. "Ich bin Zauberer, mein Mädchen, ich benötige kein Begräbnis" wissend über sein baldiges Ende drückte er sanft ihre Hand. "Nun bereite dich auf deine Reise vor, Isabella! Geh nach Norden, an den alten Eichen vorbei und über die Lichtung hinweg. Wenn du an einen Fluß gelangst, überquere ihn und halte dich dann immer an seiner Seite, so kannst du dein Ziel nicht verfehlen. In Mirimotha sollst du Gutes tun, so... wie ich es dich gelehrt habe. Nutze deine Gabe und dein Wissen stets, um Anderen zu helfen, niemals, um böse Zauber zu wirken, versprich es mir!" Seine müden Augen blinzelten mehrmals langsam. Isabella nickt und wischt sich die Tränen weg. "Ich verspreche es dir, Jeronimus." Sie beugt sich über den alten Mann und drückt ihn sanft an sich, erhebt sich dann, wendet sich entschlossen ab und beginnt, ihr Bündel für die Reise zu packen. Jeronimus beobachtet sie noch einige Augenblicke, schließt dann jedoch die Augen und hängt seinen Gedanken noch ein wenig nach.

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