Der Schattentäter
Verfasst: 18. Apr 2012, 16:59
Der Schattentäter
„Ich habe einen zweiten Schatten“, dachte ich mir, als ich die halbverborgene Gestalt zum wiederholten Male bemerkte. Sie musste mir vom Dorf der Adarnai bis in den Urwald von Lardikia gefolgt sein. Ich drehte mich um, der Kopf der Gestalt verschwand hinter einer Palme. Oder war es doch nur einer dieser riesigen Blattalisken? Es sind gefährliche Zeiten in Mirimotha, sogar Kinder werden auf offener Straße angegriffen, im Gildenhaus der Zauberer von Konlir werden nicht wenige Opfer von Attentätern oder Mördern behandelt. Sie tragen Narben und Verstümmelungen davon, nicht nur am Leib, sondern auch an der Seele. Vor allem Misstrauen. Ich beschloss, noch vorsichtiger zu sein. Der Wasserfresser, dem ich einige Zauberschriftrollen aus Laree verkaufen wollte, hatte meinen alarmierten, vielleicht auch furchtsamen, Blick bemerkt, er zeigte auf das Wappen des Städtebundes von Mirimotha. Ich nickte zur Bestätigung, denn ich wusste, dass niemand es wagen würde, an einem heiligen Ort anzugreifen. Als wäre nichts geschehen, schob ich die Schriftrollen über den Tisch und ließ die Goldmünzen in meinen Beutel rutschen. Dann ging ich zum Strand, hob meine Hand und zog das warme Wasser des Südmeeres zu mir, bis es mich umhüllte.
Es dauerte nur einen Augenblick, bis ich inmitten des einzigen Dorfes in Wilisien aus einer Wolke von Schneeflocken auftauchte. Auch ein heiliger Ort. Schnell lief ich zum Turm der Eiszauberer, sorgfältig darauf bedacht, Spuren zu hinterlassen. Ein kleiner Zauber und sie wären nie dagewesen, doch ich wollte meinen Schatten sehen. Aus dem Turm hat man einen guten Überblick über das Dorf. Zauberer sind hier immer willkommen, auch wenn sie nicht bestrebt sind, die Paarungsgrabungen von Schneewürmern oder andere Kuriositäten zu erforschen. Das gemauerte Fenster, welches ich mir in der vierten Ebene aussuchte, war klein, doch ausreichend, um jeden Verfolger zu entdecken. Er hat mich wirklich schnell aufgespürt, ich ging in Gedanken die Möglichkeiten durch: Hat er vielleicht auch ein Portal benutzt? Doch dazu musste er wissen, wo ich bin und er musste die Absicht haben, genau mich zu finden. Die Gedanken kreisten weiter. Welcher Grund steckte dahinter, brauchte so eine unheimliche Gestalt überhaupt einen Grund? Warum sollte ein Seri eine harmlose Zauberin verfolgen? Er war nicht nur ein Serum-Geist, sondern sah auch noch recht gefährlich aus, machte sich keine Mühe, seine Waffen zu verstecken. Mein Kopf glühte, ich bereute jeden vergangenen Moment an dem ich unaufmerksam war. Ich raffte meine Robe und rannte die Treppe hinunter. Am liebsten hätte ich ihn …, doch ich bekämpfte die hitzigen Gedanken und die Eiseskälte Wilisiens kühlte sie weiter ab, ich verlangsamte meine Schritte und lief an ihm vorbei. „Es ist nicht notwendig, mich zu verfolgen“, teilte ich ihm nüchtern mit, doch bevor ich eine Antwort abwartete, erschuf ich ein weiteres Portal.
Die Seelenschmiede ist nicht weit, doch der Sumpf von Rovonia behindert ein schnelles Vorankommen. Ich konzentrierte mich und lauschte dem traurigen Klang des Sumpfwassers, er durfte mich nicht erwischen, bis ich in den Bannkreis der Meisterschmiede gerate, doch das Wasser verriet es, er war bereits hinter mir. Ein Schmerz in der Wade. Hatte ich den falschen Schritt getan? Nein, etwas hatte mich getroffen, warmes Blut vermischt sich mit dem Sumpfwasser. Ich lief weiter. Nur noch wenige Schritte bis zu dem Heim von Meister Gabhann. Erinnere dich, hatte der Verfolger einen Bogen bei sich? Ein zweiter Treffer. Ich widerstand dem Drang, mich umzudrehen, einem kampferprobten Seri bin ich als Zauberin nicht gewachsen, aber vielleicht schaffe ich es bis zur Schmiede. Noch ein Schritt, etwas bohrte sich in meine Schulter, ich erreichte die Tür, meine Hände fielen gegen das Holz, sie war verschlossen. Es war zu spät um mich zu retten, ich drehte mich langsam um, meine Hand schloss sich um die weiße Feder, die ich immer bei mir trage. Soll er mir in die Augen blicken, wenn seine Waffe seine Absicht vollendet.
Wortlos sammelte der Angreifer die toten Gewebewürmer zwischen meinen Beinen ein und verschwand. Ich erinnerte mich, auch die Schmiede steht unter dem Schutz der heiligen Orte.
Die Bisswunden waren schmerzhaft, aber nicht tief, sie heilen meist schnell, doch nun hat er mein Blut. Mein Blut zu besitzen, bedeutet das gleiche, als hätte er einen Schlüssel zu meinem Heim, eine Stachelkette um meinen Hals und einen Dolch am Hals eines Freundes, davon abgesehen, was ein Magier wie Thilhestus en Dûr damit anstellen könnte. „Achte auf die Wege.“, hätte mein Meister mir jetzt geraten. En Dûr wäre einer, er könnte den Seri beauftragt haben, um den Pakt, der mich und meine Freunde vor ihm schützt, nicht zu gefährden. Aber es gibt noch einen zweiten Weg, vielleicht war der Seri nur ein Gewebejäger. Er hat sehr viele Würmer benutzt, aber so, wie ich geflüchtet bin, wäre es verständlich. Ich verließ die Schmiede, wenn sich die Vermutung nicht bestätigt, kann ich den Wolfspakt immer noch um Hilfe bitten.
Ich legte einen einfachen Schutzzauber um mich, lange habe ich keinen mehr benötigt. Was nicht bedeutet, dass ich als Zauberin keine Feinde habe, aber die besitzen Ziele und Möglichkeiten, gegen die ein magischer Schutz wie eine Feder in einem Feuersturm wäre. Wissen und Vorbereitung wählte ich als meine Waffen aus, weder mit Stab noch mit Schwert könnte ich einen solchen Angreifer abwehren. Und ich habe nicht den nötigen Willen, um jemanden zu töten, solange es andere Wege gibt und ich seine Gründe nicht kenne.
Schließlich holte ich eine blaue Zauberkugel hervor, drehte sie in der Hand, bis ich die Noppe fand, die mich nach Terasi bringen sollte. Das Wasser des großen Flusses reinigte die Bisswunden. Die Gardu-Beeren betäubten den Schmerz, doch um kein Risiko einzugehen, ließ ich die Grabstätten von Ruward links neben mir und eilte zu den Heiltöpfen in Plefir, doch der Seri erschien aus dem Nichts vor mir und versperrte den Weg. Bevor ich irgendetwas tun konnte, hob er seine Waffe, doch sein Arm erstarre mitten in der Luft. Der Schutzzauber wirkte, in seinen Augen brannte das Feuer der Wut, er spuckte mich an und verschwand, doch vorher bemerkte ich noch den Ring der Erscheinung an seiner anderen Hand. Mein Blick wanderte zu dem Kontrollturm, er war nicht weit, die Flagge war rot und der Geist, der ihn bewachte, blickte mir mit grimmigen Gesichtszügen entgegen. Der Schrecken des Angriffs verwandelte sich in Zorn und so entfaltete ich den Stab des Wandelflusses in meiner Hand und schlug auf den Geist von Herschel Kavarian ein, bis er verblasste und die blaue Flagge gehisst wurde. Hatte Herschel, der mürrische Magier, den Ring an den Attentäter gegeben? Handelte er in seinem Auftrag? Ich verwarf die Gedanken, der Magier tötet Zauberweibchen und Rindenmännchen, wie er sie nennt, vielleicht mit Worten und mit Blicken, aber nicht mit der Hilfe eines Attentäters. Ich leerte meinen Heiltopf, auch wenn es etwas dauern würde, bis er sich wieder füllte, aber eine Vergiftung konnte ich mir jetzt nicht leisten.
Obwohl Plefir am Rande des Urwaldes liegt, war es nicht leicht nach Gobos zu kommen, bevor ich die Absichten meines Schattens nicht kenne, musste ich vorsichtig sein. Portale lassen sich hier nicht verankern, daher nahm ich den sicheren Weg durch den Lichtwald. Die Umgebung der leuchtenden Höhle und die heiligen Pflanzen der Onlo strahlten einen Frieden aus, der an meiner Anspannung abprallte. Ich fühlte mich wie ein Kaninchen während einer Hetzjagd. Als ich mich bei der Gewebeforschung über den Seri erkundigte, erfuhr ich, dass er kein bekannter Gewebejäger war, also musste ich sein Verhalten als ersten Schritt ansehen und mich gegen jeden möglichen Angriff schützen.
Mein nächstes Ziel war Lodradon, der zwielichtige Wald ist ruhig und genau der richtige Ort, um einige Pflanzen zu sammeln und Warnzauber zu verstecken, doch soweit traute ich meinen Fähigkeiten noch nicht, daher war ich nicht allein. Ich fand die Schmiedemeisterin und Händlerin Isabella Seelenbann und ihren Geleitschutz genau da, wo ich vermutete, am Zentrallager in Hewien, es war nicht schwer, ihre Hilfe zu erbitten. Nachtschatten-Lilien sind selten und schwer zu pflücken und ich beabsichtigte in Lodradon welche zu finden. Eine Zauberkugel erleichterte uns den Weg in diese nördliche Region von Mirimotha, vom organischen Turm aus bewegten wir uns nach Süden auf das Tal der Steinpforte zu. Ich hörte ein Summen und ein Schwarm Bienen stürzte sich auf mich. Isabella sprach einen Zauber, ich griff gedanklich nach den Fasern der Zeit und brachte alles um mich herum zum Erstarren. Doch die Bienen hatten mich schon erreicht, so wirkte mein Zauber nur auf den aus dem Nichts auftauchenden Schattentäter, doch er reagierte gefährlich schnell, benutzte ebenfalls Magie und verschwand. Ich bat meine Begleiter, sich in Sicherheit zu bringen, kehrte um und lenkte meine Schritte Richtung Ragnur zur Berghütte. Dort entfernte ich die Bienenstacheln, sie waren mit kleinen Haken versehen und rissen mir die Haut noch weiter auf, also waren es naworische Killerbienen, wie konnte ich mir solch einen Feind schaffen?
Das Tentakelwesen in der Berghütte schenkte mir noch eine heiße Schokolade aus, doch ich musste die Zeit nutzen, die mir bleib, bis mich der nächste Schwarm aufspüren würde. Ragnur ist keine angenehme Gegend, es sei denn, man will verhindern, dass sich Killerbienenstiche zu eitrigen Beulen entwickeln. Eine Zeit lang genoss ich die klirrende Kälte des Schneesturms, dessen Ursprung, wie viele Geschichten berichten, in einer anderen Ebene, der Eiswelt, liegt. Die zwei Schwärme von Killerbienen ließen sich davon jedoch nicht aufhalten und ihre Stiche waren beißender als die Eisblitze der Eisweltbewohner. Darauf war ich nicht gefasst, ich lag am Boden, als der Schattentäter sich über mich beugte, wieder sprach er kein Wort, benutzte eine Zauberkugel und ließ mich zurück. Hatte mich der Schutzzauber gerettet oder wollte er mich quälen?
Der kalte Schrecken des Angriffs musste der Hitze des Zorns weichen, ich dachte nicht groß nach und zauberte mich in das dreieckige Gildenhaus in Konlir, dort griff ich mir ein Gegenmittel, stürzte die Phiole hinunter, stieß die Tür auf und lief zu den Bienenstöcken in Nawor. Das Insektenwesen, welches dort Wache hält, nickte mehrmals, als ich die Beschreibung des Serum-Geistes wiedergab und endlich erfuhr ich seinen Namen: „Vimar Restuples“. Vielleicht war es Mitleid mit meinem geschundenen Äußeren oder Angst vor meinem brennenden Blick, jedenfalls erfuhr ich auch, wer noch Schwärme auf mich entsendet hat: Gangrils der Schatten und ein Dämon namens Scelos. Gangrils? Er war mit einigen meiner Freunde verbündet, sie hatten sich gegenseitig unterstützt, als sie seltsame Nachrichten von einer Gestalt namens Kralle erhielten, er hat keinen Grund mir zu zürnen, ich hatte ihnen geholfen, so weit es mir möglich war.
Das Feuer der Wut brannte immer noch, ich kehrte den Bienenstöcken den Rücken, überquerte den Fluß und ging zum Haus der Clans. Da stand es schwarz auf weiß. Gangrils, Scelos, Vimar Restuples und viele mehr, vereint unter der Wohngemeinschaft der Schatten. Ein ganzes Haus stand gegen mich und immer noch kannte ich den Grund nicht und würde wahrscheinlich sterben, bevor ich ihn erfahren konnte.
Schatten, Schattentäter, Schattenpfade in den Tod. Ist En Dûr - der Schattenmeister - doch der Drahtzieher hinter allem? Ich muss ihn zur Rede stellen und ich brauche Verbündete: die Erben Mirimothas, den Wolfspakt, vielleicht sogar die Jerodar.
„Ich habe einen zweiten Schatten“, dachte ich mir, als ich die halbverborgene Gestalt zum wiederholten Male bemerkte. Sie musste mir vom Dorf der Adarnai bis in den Urwald von Lardikia gefolgt sein. Ich drehte mich um, der Kopf der Gestalt verschwand hinter einer Palme. Oder war es doch nur einer dieser riesigen Blattalisken? Es sind gefährliche Zeiten in Mirimotha, sogar Kinder werden auf offener Straße angegriffen, im Gildenhaus der Zauberer von Konlir werden nicht wenige Opfer von Attentätern oder Mördern behandelt. Sie tragen Narben und Verstümmelungen davon, nicht nur am Leib, sondern auch an der Seele. Vor allem Misstrauen. Ich beschloss, noch vorsichtiger zu sein. Der Wasserfresser, dem ich einige Zauberschriftrollen aus Laree verkaufen wollte, hatte meinen alarmierten, vielleicht auch furchtsamen, Blick bemerkt, er zeigte auf das Wappen des Städtebundes von Mirimotha. Ich nickte zur Bestätigung, denn ich wusste, dass niemand es wagen würde, an einem heiligen Ort anzugreifen. Als wäre nichts geschehen, schob ich die Schriftrollen über den Tisch und ließ die Goldmünzen in meinen Beutel rutschen. Dann ging ich zum Strand, hob meine Hand und zog das warme Wasser des Südmeeres zu mir, bis es mich umhüllte.
Es dauerte nur einen Augenblick, bis ich inmitten des einzigen Dorfes in Wilisien aus einer Wolke von Schneeflocken auftauchte. Auch ein heiliger Ort. Schnell lief ich zum Turm der Eiszauberer, sorgfältig darauf bedacht, Spuren zu hinterlassen. Ein kleiner Zauber und sie wären nie dagewesen, doch ich wollte meinen Schatten sehen. Aus dem Turm hat man einen guten Überblick über das Dorf. Zauberer sind hier immer willkommen, auch wenn sie nicht bestrebt sind, die Paarungsgrabungen von Schneewürmern oder andere Kuriositäten zu erforschen. Das gemauerte Fenster, welches ich mir in der vierten Ebene aussuchte, war klein, doch ausreichend, um jeden Verfolger zu entdecken. Er hat mich wirklich schnell aufgespürt, ich ging in Gedanken die Möglichkeiten durch: Hat er vielleicht auch ein Portal benutzt? Doch dazu musste er wissen, wo ich bin und er musste die Absicht haben, genau mich zu finden. Die Gedanken kreisten weiter. Welcher Grund steckte dahinter, brauchte so eine unheimliche Gestalt überhaupt einen Grund? Warum sollte ein Seri eine harmlose Zauberin verfolgen? Er war nicht nur ein Serum-Geist, sondern sah auch noch recht gefährlich aus, machte sich keine Mühe, seine Waffen zu verstecken. Mein Kopf glühte, ich bereute jeden vergangenen Moment an dem ich unaufmerksam war. Ich raffte meine Robe und rannte die Treppe hinunter. Am liebsten hätte ich ihn …, doch ich bekämpfte die hitzigen Gedanken und die Eiseskälte Wilisiens kühlte sie weiter ab, ich verlangsamte meine Schritte und lief an ihm vorbei. „Es ist nicht notwendig, mich zu verfolgen“, teilte ich ihm nüchtern mit, doch bevor ich eine Antwort abwartete, erschuf ich ein weiteres Portal.
Die Seelenschmiede ist nicht weit, doch der Sumpf von Rovonia behindert ein schnelles Vorankommen. Ich konzentrierte mich und lauschte dem traurigen Klang des Sumpfwassers, er durfte mich nicht erwischen, bis ich in den Bannkreis der Meisterschmiede gerate, doch das Wasser verriet es, er war bereits hinter mir. Ein Schmerz in der Wade. Hatte ich den falschen Schritt getan? Nein, etwas hatte mich getroffen, warmes Blut vermischt sich mit dem Sumpfwasser. Ich lief weiter. Nur noch wenige Schritte bis zu dem Heim von Meister Gabhann. Erinnere dich, hatte der Verfolger einen Bogen bei sich? Ein zweiter Treffer. Ich widerstand dem Drang, mich umzudrehen, einem kampferprobten Seri bin ich als Zauberin nicht gewachsen, aber vielleicht schaffe ich es bis zur Schmiede. Noch ein Schritt, etwas bohrte sich in meine Schulter, ich erreichte die Tür, meine Hände fielen gegen das Holz, sie war verschlossen. Es war zu spät um mich zu retten, ich drehte mich langsam um, meine Hand schloss sich um die weiße Feder, die ich immer bei mir trage. Soll er mir in die Augen blicken, wenn seine Waffe seine Absicht vollendet.
Wortlos sammelte der Angreifer die toten Gewebewürmer zwischen meinen Beinen ein und verschwand. Ich erinnerte mich, auch die Schmiede steht unter dem Schutz der heiligen Orte.
Die Bisswunden waren schmerzhaft, aber nicht tief, sie heilen meist schnell, doch nun hat er mein Blut. Mein Blut zu besitzen, bedeutet das gleiche, als hätte er einen Schlüssel zu meinem Heim, eine Stachelkette um meinen Hals und einen Dolch am Hals eines Freundes, davon abgesehen, was ein Magier wie Thilhestus en Dûr damit anstellen könnte. „Achte auf die Wege.“, hätte mein Meister mir jetzt geraten. En Dûr wäre einer, er könnte den Seri beauftragt haben, um den Pakt, der mich und meine Freunde vor ihm schützt, nicht zu gefährden. Aber es gibt noch einen zweiten Weg, vielleicht war der Seri nur ein Gewebejäger. Er hat sehr viele Würmer benutzt, aber so, wie ich geflüchtet bin, wäre es verständlich. Ich verließ die Schmiede, wenn sich die Vermutung nicht bestätigt, kann ich den Wolfspakt immer noch um Hilfe bitten.
Ich legte einen einfachen Schutzzauber um mich, lange habe ich keinen mehr benötigt. Was nicht bedeutet, dass ich als Zauberin keine Feinde habe, aber die besitzen Ziele und Möglichkeiten, gegen die ein magischer Schutz wie eine Feder in einem Feuersturm wäre. Wissen und Vorbereitung wählte ich als meine Waffen aus, weder mit Stab noch mit Schwert könnte ich einen solchen Angreifer abwehren. Und ich habe nicht den nötigen Willen, um jemanden zu töten, solange es andere Wege gibt und ich seine Gründe nicht kenne.
Schließlich holte ich eine blaue Zauberkugel hervor, drehte sie in der Hand, bis ich die Noppe fand, die mich nach Terasi bringen sollte. Das Wasser des großen Flusses reinigte die Bisswunden. Die Gardu-Beeren betäubten den Schmerz, doch um kein Risiko einzugehen, ließ ich die Grabstätten von Ruward links neben mir und eilte zu den Heiltöpfen in Plefir, doch der Seri erschien aus dem Nichts vor mir und versperrte den Weg. Bevor ich irgendetwas tun konnte, hob er seine Waffe, doch sein Arm erstarre mitten in der Luft. Der Schutzzauber wirkte, in seinen Augen brannte das Feuer der Wut, er spuckte mich an und verschwand, doch vorher bemerkte ich noch den Ring der Erscheinung an seiner anderen Hand. Mein Blick wanderte zu dem Kontrollturm, er war nicht weit, die Flagge war rot und der Geist, der ihn bewachte, blickte mir mit grimmigen Gesichtszügen entgegen. Der Schrecken des Angriffs verwandelte sich in Zorn und so entfaltete ich den Stab des Wandelflusses in meiner Hand und schlug auf den Geist von Herschel Kavarian ein, bis er verblasste und die blaue Flagge gehisst wurde. Hatte Herschel, der mürrische Magier, den Ring an den Attentäter gegeben? Handelte er in seinem Auftrag? Ich verwarf die Gedanken, der Magier tötet Zauberweibchen und Rindenmännchen, wie er sie nennt, vielleicht mit Worten und mit Blicken, aber nicht mit der Hilfe eines Attentäters. Ich leerte meinen Heiltopf, auch wenn es etwas dauern würde, bis er sich wieder füllte, aber eine Vergiftung konnte ich mir jetzt nicht leisten.
Obwohl Plefir am Rande des Urwaldes liegt, war es nicht leicht nach Gobos zu kommen, bevor ich die Absichten meines Schattens nicht kenne, musste ich vorsichtig sein. Portale lassen sich hier nicht verankern, daher nahm ich den sicheren Weg durch den Lichtwald. Die Umgebung der leuchtenden Höhle und die heiligen Pflanzen der Onlo strahlten einen Frieden aus, der an meiner Anspannung abprallte. Ich fühlte mich wie ein Kaninchen während einer Hetzjagd. Als ich mich bei der Gewebeforschung über den Seri erkundigte, erfuhr ich, dass er kein bekannter Gewebejäger war, also musste ich sein Verhalten als ersten Schritt ansehen und mich gegen jeden möglichen Angriff schützen.
Mein nächstes Ziel war Lodradon, der zwielichtige Wald ist ruhig und genau der richtige Ort, um einige Pflanzen zu sammeln und Warnzauber zu verstecken, doch soweit traute ich meinen Fähigkeiten noch nicht, daher war ich nicht allein. Ich fand die Schmiedemeisterin und Händlerin Isabella Seelenbann und ihren Geleitschutz genau da, wo ich vermutete, am Zentrallager in Hewien, es war nicht schwer, ihre Hilfe zu erbitten. Nachtschatten-Lilien sind selten und schwer zu pflücken und ich beabsichtigte in Lodradon welche zu finden. Eine Zauberkugel erleichterte uns den Weg in diese nördliche Region von Mirimotha, vom organischen Turm aus bewegten wir uns nach Süden auf das Tal der Steinpforte zu. Ich hörte ein Summen und ein Schwarm Bienen stürzte sich auf mich. Isabella sprach einen Zauber, ich griff gedanklich nach den Fasern der Zeit und brachte alles um mich herum zum Erstarren. Doch die Bienen hatten mich schon erreicht, so wirkte mein Zauber nur auf den aus dem Nichts auftauchenden Schattentäter, doch er reagierte gefährlich schnell, benutzte ebenfalls Magie und verschwand. Ich bat meine Begleiter, sich in Sicherheit zu bringen, kehrte um und lenkte meine Schritte Richtung Ragnur zur Berghütte. Dort entfernte ich die Bienenstacheln, sie waren mit kleinen Haken versehen und rissen mir die Haut noch weiter auf, also waren es naworische Killerbienen, wie konnte ich mir solch einen Feind schaffen?
Das Tentakelwesen in der Berghütte schenkte mir noch eine heiße Schokolade aus, doch ich musste die Zeit nutzen, die mir bleib, bis mich der nächste Schwarm aufspüren würde. Ragnur ist keine angenehme Gegend, es sei denn, man will verhindern, dass sich Killerbienenstiche zu eitrigen Beulen entwickeln. Eine Zeit lang genoss ich die klirrende Kälte des Schneesturms, dessen Ursprung, wie viele Geschichten berichten, in einer anderen Ebene, der Eiswelt, liegt. Die zwei Schwärme von Killerbienen ließen sich davon jedoch nicht aufhalten und ihre Stiche waren beißender als die Eisblitze der Eisweltbewohner. Darauf war ich nicht gefasst, ich lag am Boden, als der Schattentäter sich über mich beugte, wieder sprach er kein Wort, benutzte eine Zauberkugel und ließ mich zurück. Hatte mich der Schutzzauber gerettet oder wollte er mich quälen?
Der kalte Schrecken des Angriffs musste der Hitze des Zorns weichen, ich dachte nicht groß nach und zauberte mich in das dreieckige Gildenhaus in Konlir, dort griff ich mir ein Gegenmittel, stürzte die Phiole hinunter, stieß die Tür auf und lief zu den Bienenstöcken in Nawor. Das Insektenwesen, welches dort Wache hält, nickte mehrmals, als ich die Beschreibung des Serum-Geistes wiedergab und endlich erfuhr ich seinen Namen: „Vimar Restuples“. Vielleicht war es Mitleid mit meinem geschundenen Äußeren oder Angst vor meinem brennenden Blick, jedenfalls erfuhr ich auch, wer noch Schwärme auf mich entsendet hat: Gangrils der Schatten und ein Dämon namens Scelos. Gangrils? Er war mit einigen meiner Freunde verbündet, sie hatten sich gegenseitig unterstützt, als sie seltsame Nachrichten von einer Gestalt namens Kralle erhielten, er hat keinen Grund mir zu zürnen, ich hatte ihnen geholfen, so weit es mir möglich war.
Das Feuer der Wut brannte immer noch, ich kehrte den Bienenstöcken den Rücken, überquerte den Fluß und ging zum Haus der Clans. Da stand es schwarz auf weiß. Gangrils, Scelos, Vimar Restuples und viele mehr, vereint unter der Wohngemeinschaft der Schatten. Ein ganzes Haus stand gegen mich und immer noch kannte ich den Grund nicht und würde wahrscheinlich sterben, bevor ich ihn erfahren konnte.
Schatten, Schattentäter, Schattenpfade in den Tod. Ist En Dûr - der Schattenmeister - doch der Drahtzieher hinter allem? Ich muss ihn zur Rede stellen und ich brauche Verbündete: die Erben Mirimothas, den Wolfspakt, vielleicht sogar die Jerodar.