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von vnv_nation » 2. Jun 2005, 03:19
Die Nacht wanderte zu ihrer Mitte, der Mond schimmerte fahl durch den sich langsam lichtenden Nebel, der hier und dort noch in dichteren, Geistern gleichen Schwaden durch den Wald glitt. Vielleicht gingen auch in dieser Nacht einige jener um, doch dies alles interessierte die Besucher des Wirtshauses zum Einsamen Baum nicht. Sie saßen, ihre Augen auf den Zwerg gerichtet da und lauschten, genauer, für diesen Moment, warteten sie, dass es endlich wieder Etwas zu lauschen gäbe, denn gerade jetzt führte Stoachan seinen Bierkrug zum Mund und genoss das kühlende, sprudelnde Nass, welches seine, vom reden trockene, Kehle befeuchtete. ”Na Leute, wollt ihr nicht auch schnell eure Kehlen befeuchten, ich fürchte, dass ihr mir sonst verdurstet, während ihr mir zuhört.”œ Wie aus einem tiefen Schlaf geweckt, eilte Darea durch die Gaststube und nahm die Bestellungen entgegen. Viele Gäste bestellten gleich mehrere Becher Wein, Krüge Taunektarbiers oder gesüßten Kaktussaft für ihre noch immer neugierigen Kinder. Dem Zwerg blieb nun ein wenig Zeit sein Abendmahl zu beenden, welches aus eine Platte mit vielerlei Sorten Fleisch und Wurst, und verschiedensten Käsearten bestand. Schnell leerte sich der dazugehörige Korb mit weißem Brot und auch das Obst in der kleinen Schale nahm rasch ab. Ebenso neigte sich das Bier in seinem Krug dem Ende, doch musste er nicht ein Wort dazu sagen, denn als er sich gerade zu einer Bestellung in Richtung des Tresens wenden wollte, stellte das Schankmädchen zwei frische Krüge vor ihm ab. Wieder ruhten Aller Augenpaare auf ihm. Hier und da erklang noch ein wenig Gemurmel. Vor ihm zappelten schon wieder ungeduldig die Haare des Mädchens auf und ab. Sie war von seinem Schoß gesprungen und hatte sehr eilig ihren Saft getrunken und hoffte nun auf ihren alten Platz. Vorsichtig hob der Zwerg sie wieder dorthin zurück. Irgendwie hatte er bei den kleinen Menschenkindern immer Angst, er könnte sie zu fest drücken, so schmal und zerbrechlich wirkten sie auf ihn, obgleich ihn dieses Kind in gut sechs Jahren in der Körperhöhe durchaus eingeholt haben dürfte. ”Nun Marelja und auch ihr übrigen treuen Zuhörer, dann wollen wir uns mal dem zweiten Drittel der Geschichte widmen. Wo waren wir noch mal?”œ fragte er die Kinder.
”Bei Ingrimm, bei Ingrimm”œ klang es schrill und aus manch anderer Richtung auch tiefer, aber auch hell und weich zurück.
”Ah, ja. Stimmt, die Axt. Ihr seht sie ja dort neben ihrer Schwester lehnen.”œ Begann der Zwerg erneut. Einige ”Ah”œ-s, ”Oh”œ-s, ”Hört, Hört”œ-s und ”Erstaunlich”œ-s, ja, sogar einige ”Wunderbar”œ-s mischten sich in seine Worte.
”Wie ich ja sagte, der Tag war noch recht jung, als ich die Axt dem Volk unterm Hohentann zeigte. Den Jubel, der erklang, kann ich gar nicht recht beschreiben. Ihr müsst euch das mal vorstellen, hunderte und noch mehr Zwerge aus ganz Hüglingen standen vor dem Palast unseres Königs und riefen, johlten, schrieen. Jeder wollte die Axt von Nahem sehen. Wirklich jeder, sogar alte Mütterchen und Väterchen, letztere mit langen, sehr langen weißen Bärten und schwer gestützt auf ihre alten Waffen, Hämmer oder auch schwere, reich verzierte Stöcke. Die Kristallzüchter, die Goldschmiede, die Waffenmeister aus meiner Zunft, die Karrner, Töpfer, Krämer und Pflanzer, ja sogar die Soldaten, und all ihre Familien, die Kinder, so gar die ganz kleinen. Jeder wollte diese Axt einmal nur berühren. Bei uns ist es so, dass wir schon von Kindesbeinen an alles über unsere Götter erfahren. Ich hab ja schon erzählt, dass unser Vater Barox bei uns der am höchsten Verehrteste, und sein Schwesterchen, Mutter Jadara, fast ebenso beliebt ist. Bei ihr sehen wir sogar darüber hinweg, dass sie so eigenwillige Dinge, wie die hohen Bäume geschaffen hat. Und nun auf einmal schmiedet einer solch eine Axt. Jeder Zwerg, ob groß, ob klein, will natürlich nur einmal die Hand auf sie gelegt haben, als kleinen Gruß an Bruder und Schwester. So übergab ich also Ingrimm unserem König und verabredete mit ihm, dass ich sie am nächsten Morgen, noch bevor die Sonne den Kristall berührte, abholen wollte. Dann ging ich mit Werin und Nujera zurück zu meinem Haus. Viele, denen wir auf unserem Heimweg begegneten, klopften mir auf die Schulter, neigten ihr Haupt vor der En-Baro Eran, welche, wenngleich sie sehr müde gewesen sein musste, einen jeden von ihnen die Hand gab und ein kleines Gebet für die seinen sprach. Werin musste nicht laufen. Ihn hatten meine Landsleute so sehr ins Herz geschlossen und über seine Beihilfe die Eigenarten der Kijndijr ganz vergessen, so dass sie ihn auf Schultern trugen. Ihm machte dies sichtlich Spaß, mir allerdings fiel auf, dass seine Beutelchen langsam dicker wurden. Doch, wenn einer der Zwerge bemerkte, dass ihm ein Ohrring oder eine Kette fehlte, dass sein Geldbörse verschwunden war, hörte man kein böses Wort, sondern, sie empfanden es als Ehre, dass der Helfer des Axtschmieds ein Geschenk von ihm genommen hatte und sahen es als ihren ureigenen Dank für seine Arbeit an. So dauerte unser eigentlich recht kurzer Fußmarsch fast bis zur Mittagsstunde, doch dann sorgten zwei Wächter des Königs vom Hohentann dafür, dass Niemand unsere Ruhe störte. Werin biss noch zweimal von einem der Frühstücksbrote ab, dann kletterte er auf meinen Ofen und bis zum nächsten Morgen sah und hörte ich von ihm nichts mehr. Eine kleine Peinlichkeit stand mir allerdings noch bevor. Ich besaß nur ein Bett, ein ziemlich schmales. Gut, zwei von euch”œ, dabei sah er die Kinder, welche wieder im Kreis vor ihm saßen an, ”hätten darin bequem Platz gehabt. Doch, schaut mich an und Zwerginnen sind nicht weniger kräftig, dass kann schon zu Schwierigkeiten führen. Ganz davon abgesehen, dass man nicht einfach so mit einer Klerikerin ein Bett teilt, überhaupt nicht davon geredet, dass man dafür eigentlich verheiratet sein sollte. Nur, ich hatte keinen Schlafsack und auch keine Fell in meinem Haus. Meine Wanderausrüstung hatte ich im Frühjahr verloren, als ich von Wolffsheym, der Stadt in den Bäumen, eine der schönsten in ganz Veretaria, heimkehrte. Ein furchtbares Unwetter hatte den Herial, einen sonst ruhigen Bergbach, in einen reißenden Strom verwandelt. Nur knapp entkam ich mit dem Leben, leider das Wasser mit all meinen Sachen. Nujera jedoch sah darin überhaupt kein Problem und schnell umfing uns beide tiefer Schlaf.
Die Nacht wurde alt und älter, der neue Tag brach an und in meinen Träumen stand ich zwischen Bäumen. Mein Blick wirkte gehetzt und in meinen Augen stand eine tiefe Trauer. Hinter mir lag Jemand, doch ich konnte nicht erkennen, wer. Die graue Robe verdeckte das Gesicht und da dieser Jemand halb von einem Baum verdeckt wurde, hatte ich keine Möglichkeit zu sehen, wie groß er oder sie war. Ich hatte meinen großen Streithammer in beiden Händen, eine dicht beim Kopf, die andere beinahe am anderen Ende des Griffs. Die Lederschlaufe am Ende des Stiels war um mein linkes Handgelenk gelegt. Ich stand kampfbereit da. Als wollte ich so eben auf jemand einschlagen.
Ihr müsst wissen, wenn man mit langstieligen Waffen kämpft, fast man sie weit, damit man den Schlag mit mehr Genauigkeit führen kann. Die Schlaufe soll dabei verhindern, dass es einen durch die Wucht des Aufpralls die Waffe aus der Hand reißt.
Dann schlug ich zu.
Ein Donnern weckte mich. Ich hörte Werin müde etwas murmeln. Doch ich sprang sofort auf und rannte zur Tür. Dort stand einer der Wächter. ”šMeister Eisenhand, holt eine Waffe, wir werden angegriffen und ihr am besten auch Klerikerin”™ dabei verneigte er sich kurz ”šund der Kijndijr auch, wenn er ein solche mit sich führt oder ihr eine für ihn in eurem Haus habt.”™ Dann eilte er davon. Nujera sah mich verwirrt an, doch griff sie schnell nach ihrer Robe und hatte ihren Kampfstab. Erst jetzt bemerkte ich den dichten Rauch in der Luft und das Klirren von Metall auf Metall in der Ferne, das Schreien von Verwundeten und das Kampfgebrüll anrückender Zwerge. Hüglingen war noch nie angegriffen worden, egal in welchem Krieg, dennoch lernte jeder von uns ab dem fünfzehnten Jahr seines Lebens die Waffenkunst. Auch die Frauen.
Werin war inzwischen vom Ofen gesprungen, hatte seine Schuhe gebunden und seine Beutel gepackt. In der Hand hielt er ein Messer, mit dem er vielleicht einen Hasen hätte einschüchtern können, aber, dass war keine Waffe für einen offenen Kampf. Ich ging schnell in den Keller und kehrte mit einem Kurzschwert und fünf Wurfdolchen zurück. Diese übergab ich dem Kijndijr, der mich erstaunt ansah, dann aber schnell alles Griff und sehr geschickt die Dolche griffbereit in seinem Gürtel verstaute. Nujera stand an der Tür und rief mir zu, dass ich mich beeilen sollte. So griff ich die erstbeste Waffe, die ich in der Wohnstube über dem Kamin hängen hatte. Einen kurzen Moment hielt ich erschrocken inne. Es war der Streithammer meines Großvaters, jener, den ich kurz zuvor im Traum geschwungen hatte. Doch ein weiteres ”šBeeil dich Stoachan”™ rief mich in die Welt zurück, und ohne weiteres Nachdenken, stürmten wir drei die Treppe hinauf zur Palastebene. Werin flinken Schrittes voran, dahinter Nujera, dann ich. Der Kampflärm wurde lauter. Als wir den Platz vor dem Palast erreichten, sah ich die umliegenden Gebäude brennen, auf den Stufen des Palasts lagen tote Zwerge. Einige von ihnen wiesen Verbrennungen auf, andere war das Fleisch förmlich von den Knochen gerissen. Mindestens ein Magier musste unter den Angreifern sein. Mehrere Zwerge fochten auf dem Platz. Zornig und zäh. Wir reihten uns ein und standen einem Haufen verschlagen aussehender Menschen in schwarzen Rüstungen gegenüber. Dazwischen waren einige Drax. Zwei von ihnen hatten rote Brustschuppen. Zwischen den Menschen gab es einige, welche tiefrote Roben trugen. Insgesamt mussten es fünf Magier gewesen sein und etwa fünfzig Kämpfer. Sie befanden sich auf dem Rückzug und schützten einen in der Mitte. Mir gefror das Blut, als ich sah, was er in seinen Händen hielt. Wut brannte in mir und ich griff ungestüm an. Der erste Mensch brach getroffen zusammen. Ich hatte ihm mit einem Schlag die Knie zertrümmert, wie wir später feststellten. Der Hammer meines Großvaters schwang wie ein Pendel. Doch die Menschen wollten ohnehin nur noch den Berg verlassen. Sie verteidigten nach hinten, also in die Richtung, aus der wir angriffen und attackierten zum Portal hin. Sie kamen schnell voran. Alles was sich ihnen in den Weg stellen wollte wurde vernichtet. Ich konnte den Sohn des Bäckermeisters Lorenfels an der Straßenseite liegen sehen, sein Bauch war von links unten nach rechts oben aufgeschnitten. Blitze krachten plötzlich um uns und ein blauer Schleier umgab mich. ”šHab keine Angst”™ sagte eine Stimme neben mir. En-Baro Eran. Ihr Stab sang während er traf. Wunden fügte er gar viele zu, doch gelang es uns nicht die Angreifer an ihrer Flucht zu hindern.
Bald waren wir am Tor angelangt. Die Drax warfen Feuerbälle auf die Ersatzmannschaft am Tor und dieser blieb nur, zu weichen oder zu sterben. Viele entschieden sich, da sie gleich mir sofort ausmachten, was der Anführer in Händen hielt für das Letztere, hofften sie doch, dass wir Jäger so den Kreis doch noch durchbrechen könnten. Es half alles nichts. Zwerg um Zwerg fiel vor unseren Augen und wir richteten zu wenig Schaden an. Die Flucht der Diebe gelang.
Die Sonne berührte den Kristall, als wir endlich alle Feuer zu beiden Seiten des Weges, welchen die Eindringlinge genommen hatten, gelöscht waren. Noch weitere zwei Stunden vergingen, bis alle Verwundeten, auch die Angreifer, versorgt waren und alle toten Zwerge auf dem Palastplatz aufgebahrt waren. Neben dem Bäckersohn, waren darunter auch der Zunftmeister der Waffenschmiede, Meister Woral, der Sohn des Kristallmeisters, Arijon Goldaug und die Töchter des Generals Vorenlar. Die halbe Palastwache, etwa zwanzig Zwerge, und die Portalwache, etwa acht Soldaten waren überraschend getötet worden. Nicht einer von ihnen hatte seine Axt aus der Halterung auf dem Rücken gehoben oder auch nur einen Dolch in der Hand. Den Meisten war von hinten die Kehle durchgeschnitten. Die Wenigen, welche keine solchen Wunden zeigten, hatten Flammenbälle oder Blitze das Leben geraubt. Am schlimmsten war es jedoch den Wachen vor der Waffenkammer ergangen. Ihre Körper waren wortwörtlich zerschnitten. Sie müssen sich erbittert gewehrt haben, denn dort fand man auch die meisten toten Angreifer.
Die Gefangenen wurden umgehend vernommen, doch waren die meisten so schwer verwundet, das sie nicht einmal mehr ihren Namen wussten, wenn sie überhaupt noch in der Lage waren zu antworten. Nujera war bei der Befragung unnachgiebig und hart. Ich ahnte, warum und am Nachmittag erlangte ich Gewissheit. Sie wollte die Diebe verfolgen, doch brannte ich selbst darauf sie zu stellen. Ingrimm war den Zwergen geraubt. Das Geschenk für ihren Gott war verschwunden und so lag es bei ihnen es wiederzuerlangen.
Am frühen Abend verließen Nujera, Werin und ich den Hohentann. Wir folgten der Spur, welche die Angreifer überdeutlich zurückgelassen hatten. Nach Süden führte sie, über schmale Gebirgspfade. Dank Werin und seinen scharfen Augen kamen wir selbst nach Einbruch der Dunkelheit noch gut voran. Wir gingen so schnell es Licht, die Spur und der Pfad zuließen. Wir wussten, dass wir schneller sein mussten als die Verfolgten, denn von uns hatte keiner Wunden davongetragen und aber viele solche hatten wir verteilt. Nujeras Kampfstab hatte an beiden Enden scharf geschliffene Kristallklingen und, wie ich selbst gesehen hatte, sie wusste ihn nur zu gut zu führen.
Drei der der fünf Dolche, die ich dem Kijndijr übergeben hatte, waren in toten oder verwundeten Menschen gefunden worden, zwei vermissten wir noch, doch waren sich alle einig, dass Werin getroffen haben musste. Das Kurzschwert wies ebenfalls Blutflecken und einige Scharten auf. Auch wenn ich Werin aus den Augen verloren hatte, als wir die Angreifer während des Kampfes attackierten und verfolgten, so hatte manche anderer Zwerg von diesem kleinen Wirbelwind geschwärmt, bald hier bald dort Sehnen oder Fleisch durchtrennt hatte.
Der Mond ging im Osten auf. Blutrot erschien er mir, aber, er war voll und spendete ausreichend Licht für Zwergen- und Kijndijraugen. Die Berge schwiegen, der Wind ruhte, als hätten die guten Götter der Welt befohlen mit den Zwergen meiner Heimat zu trauern. Rei Neral, der Stern Nerals stand hoch im Norden und diente unserem Pfadfinder - Werin - wie er sich selbst nannte, als zusätzliche Orientierung. Er sagte, dass wir auf dem richtigen Weg sein, solange dieser Stern in unserem Rücken stünde. Nun, wir Zwerge wissen nicht viel von den Himmelslichtern, wenn gleich es auch in unserem Volk Gedichte über sie gibt. Dass sie Seefahrern zur Navigation oder Waldläufern zur Orientierung dienen, ahnen nur die Wenigsten von uns.
Als der Himmel langsam heller wurde und die Sterne blasser, hieß Werin uns halten und ging ein Stück allein voraus. Nur etwa zehn Minuten später kehrte er zurück. ”šSie rasten.”™ sagte er aufgeregt, ”šviele lassen ihre Wunden verbinden. Ich glaube nur eine handvoll ist nicht verwundet. Aber näher dürfen wir jetzt nicht heran, sie haben Wachen aufgestellt, doch das werden sie bald lassen. Ich hab gehört, wie zwei der Wächter sich unterhielten und meinten, dass die Zwerge sich sowieso nicht aus dem Berg trauen. Doch, sie müssen noch nicht jetzt erfahren, dass sie sich irren. Ihr macht zuviel Krach.”™ Nujeras Gesicht verfinsterte sich und es klarte auch nicht auf, als ich mich für den Lärm entschuldigte, den ich allein machen würde. Insgeheim wissen wir Zwerge ja, dass wir nicht zum Schleichen geboren sind, doch mögen wir es überhaupt nicht, wenn man uns das derart deutlich sagt. Werin bot an, mir zu zeigen, wie man sich leiser bewegt. Ich willigte ein. Was man alles über sich ergehen lassen muss, wenn man einem Kijndijr erlaubt Ratschläge zu erteilen. Begeistert begann er alle Gegenstände in meinem Tornister, die auch nur das leiseste Geräusch machen könnten, zu umwickeln. Hin und wieder nahm ich dann etwas, dass sich in seine Taschen und Beutel verirrte, aus diesen heraus und gab sie ihm erneut. Zu guter letzt, als er alle Schnallen am Tornister, an meiner Lederrüstung und was sonst noch klappern konnte, verbunden, oder zu jeder Bewegung unfähig verknotet hatte, umwickelte er meine Stiefel noch mit einigen Lappen. Er war wohl der Meinung, dass die Stahlsohlen zu viel Lärm machten. Nujera, die den Kijndijr immer noch mit kalten Blicken bedachte, achtete jedoch genau darauf, was er mit den Dingen in meinem Rucksack anstellte und sorgte ihrerseits selbst dafür, dass von ihren Taschen und ihrer leichten Rüstung keine Geräusch mehr ausging. Als Werin gerade den letzten Lappen an meinen Stiefeln mit einem Riemen festzog, begann sie die ihren mit einigen Stofffetzen zu polstern.
Danach kamen allerlei Übungen für mich, in denen ich lernen sollte, wie man schleicht. Werin kannte keine Gnade bei diesen und auch seinem Gespött schien dieses Wort fremd. Irgendwann, ich machte für ihn zwar immer noch Krach wie eine betrunkene Kompanie Barbaren, war er jedoch zufrieden. Nujera hatte sich die Übungen missbilligend angesehen, aber, so schien es mir, sich alles genau eingeprägt.
”šWerin, könntest du in der Nähe der Menschen einen Posten beziehen und uns wecken, wenn sie weitermarschieren?”™ fragte ich den kleinen Kerl, der freudig zustimmte. ”šMach keinen Unfug, sie dürfen uns noch nicht bemerken. Ich werd auch noch ein bisschen schleichen üben.”™ Rief ich ihm nach, denn da war er schon auf und davon, und zwischen den kargen, aber dicht stehenden Tannen verschwunden.
Indes hatte Nujera hinter einem Felsvorsprung, geschützt vor zu neugierigen Augen, ein kleines Feuer entzündet. Trockenes Holz hatten wir genügend gefunden und so stieg kaum Rauch auf. Wir entrollten unsere Decken und jeder kroch unter die seine. Eine Weile sprachen wir noch, aber dann wurden wir beide müde und schliefen ein.
Es waren vielleicht zwei Stunden vergangen, da weckte mich ein seltsames Geräusch. Ich schlug vorsichtig die Augen auf und da sah ich Nujera, die zusammengekauert, in ihre Decke eingeschlagen dasaß und ihr Gesicht glänzte Tränen nass. Vorsichtig stand ich auf und ging zu ihr herüber. Zwerginnen mögen es nicht, wenn Fremde ihre Gefühle beobachten können. Ich hockte mich also leise hinter sie und strich ihr sanft übers Haar. Zu meiner Überraschung lehnte sie sich nach hinten, in meine Arme und zog meine Decke, die ich noch über meinen Schultern liegen hatte, fest um uns beide zusammen. Da saßen wir beide, der Tag war noch jung und genossen die Wärme des Anderen. Wie sprachen nicht, gaben uns nur Halt. Zwei Zwerge, die lieber unter dem Berg als darüber sein wollten, in zweifelhafte Mission etwas, dass nicht ihnen gehörte wieder zu finden und dem rechtmäßigen Besitzer zu übergeben.
Nach einer Weile sagte Nujera, als hätte sie meine Gedanken erraten, ”šNa wenigstens haben die Diebe die gleiche Richtung, die wir auch hätten nehmen müssen. Hoffentlich ist Werin so schlau und zählt sie. Wir müssen schließlich irgendwann mit ihnen kämpfen und ich wüsste schon gern, wie viele Gegner wir dann haben werden”™. Ich sagte nichts, sondern nickte nur stumm. Sie wand jedoch in diesem Moment ihren Kopf zu mir und unsere Lippen berührten sich. Für einen Augenblick verschwand die Welt um mich und ich sah mich, mit ihr, gemeinsam in meinem Haus sitzen, frühstücken und über unsere vergangenen Abenteuer reden.
”šHey ihr zwei Turteltäubchen, ich sollte euch doch wecken, wenn die Menschen weiterziehen. Sie brechen gerade auf.”™, drang die klare, helle Stimme des Kijndijrs an meine Ohren. Nujera lief bis zu ihren Haarspitzen rot an, lächelte jedoch. ”šDann sollten wir uns wohl auch auf den Weg machen.”™ Und ehe ich es mich versah, fing sie an die Decken - auch die meine - zu verstauen.
Bald hatten wir die Diebe eingeholt und blieben knapp außerhalb ihres Sichtbereichs. Überhören konnte man sie nicht. Sie schimpften über die Steine, die Bäume, den Tag, die Vögel, über alles, was ihr euch denken könnt. Sie stapften missmutig durch die Tannen. In wenigen Stunden hätten wir den Fuß der Berge erreicht. Dann müssten wir vorsichtiger sein, oder aber, wir griffen vorher an, doch bisher fehlte die Gelegenheit. Leise verfolgten wir sie, zu mindestens leiser, als sie vor uns herliefen. Immer lauter murrten die Verwundeten und immer bösartiger wurden die Bemerkungen über uns Zwerge. Sie verspotteten die Gefallenen und meinten, sie wären mit uns allen fertig geworden. Ich sah Nujera an, dass es ihr ging, wie mir. Die Wut kochte in uns beiden. Jedes Wort der Mörder, Meuchler und Diebe vor uns ließ uns nur noch aggressiver werden.
Sie hielten an. Sie machten Feuer. Nujera stellte ihren Tornister ab, ich tat es ihr gleich und Werin verstand. Er nahm einige Dolche - über deren Herkunft ich ihn nicht befragte - und verstaute sie an seinem Gürtel. Seine Beutel legte er zu unseren Rucksäcken. Ich löste den Streithammer aus seiner Halterung und steckte die beiden Wurfäxte in meinen Gürtel. Werin sollte das Lager umschleichen und dann das Signal zum Angriff geben. Er würde von Süden heimlich einbrechen und wir ganz offen von Norden.
Ich sah Nujera an. Sie war tief in Gebete versunken. Dann hob sie ihren Kopf. Ihre Augen hatten sich verändert und strahlten jetzt förmlich. Das Stahlblau hatte einen goldenen Rand erhalten. In diesem Moment sang eine Nachtigall auf der anderen Seite des Feindeslagers. Das Zeichen zum Angriff. ”šAr Barox a Ar Jadara”™ schrieen Nujera und ich wie aus einer Kehle. Dann blitzte ein Licht auf und um uns legte sich ein Schleier. Ein warmes Gefühl mache sich in mir breit und der Duft einer Blumenwiese lag in der Luft. Da stürmte Nujera los und ich neben ihr. Der Hammer sang sein Lied auf den Köpfen, an den Schultern und den Beinen der Menschen. Diese wollten ihr Heil in der Flucht suchen, doch der Schreck saß tief. Nujera ließ den Kampfstab mal hoch über ihrem Kopf kreisen, mal nach links, mal nach rechts, nach vorn und hinten gleiten. Stöhnen und Schreien war zu vernehmen. Die Menschen stoben auseinander und mache stolperten. Gnade gab es keine, denn vor meinem Auge standen die Bilder des heimtückischen Angriffs, die zerstückelten Wächter, der aufgeschlitzte Sohn des Bäckers, die enthaupteten Töchter des Generals, die verbrannten Soldaten der Palastwache. Plötzlich stand einer der Drax vor mir und ich sah, dass er sich in magischer Extase befand. Seine raue Stimme sang die Worte der Magie und dann schoss ein grelles oranges Licht auf mich zu. Ich spürte den Aufprall des Feuerballs, doch nicht seine Hitze, wohl aber seine Kraft, und wurde nach hinten geschleudert. Ich hatte damit gerechnet, dass mein Fleisch von meinen Knochen schmelzen würde, doch, das blaue Licht bewahrte mich davor. ”šDoraja Barox”™ stieß ich heißer die Worte des Dankes hervor. Sprang auf und stürzte mich auf den überraschten Draxmagier. Er wird nicht verstanden haben, was geschehen war, denn ich schlug mit dem Hammer auf seinen Kopf. Er sank in sich zusammen, als hätte ein Puppenspieler seine Hand von ihm genommen. Aus dem Augenwinkel sah ich eine bunte Gestalt an den anderen Draxmagier heranschleichen. Ich erkannte bereits an seinen Händen, dass er einen Spruch werfen wollte. Ich hörte die Worte, die er sprach, verstehen konnte ich sie nicht. Der Singsang jedoch ging in ein Gurgeln über, als Werin ihn von hinten ansprang und Vergeltung für die überraschten Torwachen übend, die Kehle des Magiers durchschnitt. Der Zauber verpuffte und der Körper des Drax tat das Gleiche. Die Menschen flohen. Wir verfolgten sie nicht, denn wir fürchteten, dass sie ihrerseits nun einen Hinterhalt legen könnten. Im Wald lagen nun zwölf erschlagene Menschen und zwei tote Draxmagier. Einige mehr mussten verwundet sein. Mehr als die Hälfte der Angreifer hatte nun also sein Leben entweder bei dem Angriff auf Hüglingen oder dem Scharmützel im Wald verloren. Die Übrigen flohen nach Süden.
Eine Stunde verging bis wir das Lager durchsucht und die Leichen gezählt hatten. Einer war noch am Leben gewesen, als wir ihn fanden. In seiner Brust steckte einer von Werins Wurfdolchen. Bevor er seinen letzten Atemzug tat, erzählte er uns, dass vor drei Tagen der Anführer aufgeregt aus seinem Zelt nordwestlich des Tannenbergs gestürmt wäre und berichtet hätte, dass Necrora sie aussenden wollte um eine Doppelaxt aus Hüglingen zu stehlen, die unbedingt bis zum 23. Mai am Auge des Neral sein müsste.
Nujera sah mich verwirrt an. ”šDas wäre vier Tage nachdem Ingrimm in Seglan Baro Son sein sollte”™. Mir war noch nicht ganz bewusst, was dies alles zu bedeuten hatte. Doch wusste ich, dass wir nur noch acht Tage hatten, bis wir Ingrimm abliefern sollten. Ich war mir nicht ganz sicher, ob es mir schon vorher einmal aufgefallen war, aber, für den Weg benötigte man zu Fuß normalerweise gut einen Monat. Ich ahnte, dass Nujera noch eine Überraschung für mich bereithielt, doch, dies war bevor Ingrimm gestohlen wurde. Welchen Einfluss mochte dieser Zwischenfall nun auf unsere Reise haben?”œ
Der Zwerg nahm einen tiefen Schluck aus seinem Bierkrug. Die Tür zum Gasthaus hatte sich noch einmal geöffnet und zwei Natlahändler waren herein getreten. Miro sprang auf um die Karren der Händler im Hinterhof abzustellen. Darea eilte zum Tresen um die Getränkebestellung der Beiden zu erfüllen. Freundlich zogen die beiden Natla vor dem Zwerg den Hut und entschuldigten sich für die Unterbrechung. Doch Stoachan Eisenhand winkte nur ab, dies störte ihn nicht im Geringsten. Jeder sucht des Nachts ein sicheres Dach über dem Kopf und, wer, wie er, viele Nächte unter freiem Himmel verbracht hatte, wusste dies.
*ooc on* Ich hoffe mir wird verziehen, dass ich erst heute wieder etwas geschrieben hab. Bissle viel um die Ohren zur Zeit, da ist man nicht so, naja, ich denk, ihr wisst, was ich meine.
Es sind 6 A4 Seiten in Times New Roman 12px. Tut mir leid, sollte eigentlich nicht schon wieder soviel werden. *ooc off*