Träger der Finsternis

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Lucius
kleines Schaf
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Träger der Finsternis

Beitrag von Lucius » 18. Aug 2005, 17:13

So, habe mich jetzt auch einmal an einer Geschichte versucht...
Eigentlich ist das eine recht alte Geschichte von mir, die ich für etwas anderes geschrieben habe, aber ich fand, dass man sie gut für die FreeWar Welt "umschreiben" konnte...^^

Noja, nichts besonderes, lest selbst



Träger der Finsternis




Es war eine ruhige und friedliche Nacht. Ein leichter, warmer Wind wehte durch die schmalen Gassen des Dorfes, wirbelte Staub und Blätter auf und ließ sie raschelnd im Kreis tanzen, wie bei einem fröhlichen, lautlosen Fest. Hoch am dunkelblauen Nachthimmel hing eine hell leuchtende Scheibe, der Mond. Wie ein riesiges, glühendes Auge eines Gottes, das aus weiter Ferne das Geschehen auf dieser Welt beobachtete. Sein Licht hüllte alles in einem silbrigen Schein und beschwor eine mystische Atmosphäre herauf. Nichts rührte sich in der Dunkelheit, bis auf die gelegentlich aufgewirbelten Blätter und einige Bäume die sich mit dem Wind hin und her wiegten. Und bis auf das leise Rascheln der Blätter und das kaum wahrnehmbare Säuseln des Windes, lag das ganze Dorf in vollkommener Stille dar.
Doch dann wurde diese friedliche Stille durch einen gellenden Schrei zerrissen, einen Schrei, der so markerschütternd war, dass sich einem die Nackenhaare aufrichteten. Und die Illusion einer behaglichen Nacht zerbrach. Es war eindeutig eine Frau, die schrie und doch hatte der Laut kaum noch etwas Menschliches, er war viel zu hoch”¦viel zu schrill. Sie musste etwas derart Schreckliches gesehen haben, das etwas in ihrem Inneren zerbrechen ließ, etwas derart Grässliches, das all ihre Vorstellungskraft überstieg. Dann brach der Schrei abrupt ab und es herrschte wieder Stille, wie noch vor einigen Sekunden. Doch diesmal wirkte sie bedrohlich, gefährlich, und in keiner Weise mehr beruhigend.
Knarrend öffnete sich eine Holztür und eine Gestalt trat aus einem der schnell zusammen gezimmerten Hütten, wie sie überall im Dorf herumstanden. Sie blieb im Schatten stehen, so dass nur der Umriss erkennbar war. Sie sah aus wie ein Mensch und doch”¦etwas war seltsam. Ihre Augen glühten rot in der Dunkelheit, als würde darin ein Feuer lodern, während der Rest des Gesichts im Schatten verborgen blieb. Ihre Bewegungen waren viel zu abgehackt und stockend, fast so als würde sie ihren Körper nicht im Griff haben und etwas in diesen Augen war beängstigend. Sie waren voller Hass, ein Hass der so stark war, dass er alle anderen Gefühle in den Hintergrund drängte...oder gar ganz abgetötete.
Dann schlurfte sie einen Schritt vorwärts und trat in den Mondschein und ihr ganzer Körper wurde von einer silbernen Aura umhüllt. Langsam, fast schon behutsam, hob das Wesen seinen Kopf gen Himmel und sah zu der hellen Scheibe auf. Und tatsächlich, es war ein Mensch, vorbei die Betonung auf war lag. Denn nun war es nicht mehr menschlich, nicht einmal mehr lebendig. Die Gestalt, sie trug einen schwarzen Umhang, der aus Schatten zu bestehen schien und wohin sie auch ging, die Finsternis war ihr Begleiter. Lediglich eine Hand guckte aus dem Umhang hervor, doch hatte sie ihre einst gesunde Hautfarbe eingebüßt und war nun bleich und grau geworden, was durch das fahle Mondlicht noch um ein Vielfaches verstärkt wurde. Diese Hand hielt ein Schwert umklammert, von dem eine seltsame dunkle Flüssigkeit auf den Boden tropfte. Blut. Es war Blut. Und wäre der Umhang nicht so tiefschwarz gewesen, hätte man auch gesehen, dass die ganze Gestalt blutverschmiert war. Das einzige, was nun auf diese Tatsache hindeutete, war die dunkelrote, fast schon schwarze Lache zu ihren Füßen, die immer noch größer wurde. Schleppend machte die Gestalt wieder einen Schritt nach vorne und entblößte dabei ihre andere Hand, die ebenfalls nicht leer war. Sie hielt einen menschlichen Kopf, dessen tote, glasige Augen starr geradeaus blickten. Es war der Kopf von jener Frau, deren Schrei vor wenigen Minuten die Nacht durchdrungen hatte und ihr zur Grimasse verzerrtes Gesicht deutete immer noch auf das grenzenlose Entsetzen hin, das sie zuletzt gesehen hatte.
Die Nacht begann zu erwachen. Das einst stille Dorf regte sich, ganz langsam und zögernd, als wäre es unsanft aus seinem Schlaf gerissen worden und im Grunde war es so. Kerzenschein leuchtete hinter verschlossenen Fenstern auf und Schatten bewegten sich dahinter, hektisch, panisch. Der dumpfe Laut von hastigen Schritten und das Knarren von altem Holz waren nun zu vernehmen. Die Stille war dahin Dann stürzten einige Dorfbewohner ins Freie, die meisten mit kaum mehr bekleidet, als ihrem Schlafanzug und bewaffnet mit dem erstbesten Gegenstand, den sie zu fassen bekamen: Mistgabeln, Messer, und Kerzenständer. Und auf ihrem Gesicht war dasselbe Minenspiel zu verfolgen. Anfangs spiegelte sich auf den müden, verschlafenen Gesichtern nur Verwirrung wieder und Ärger, weil man sie mitten in der Nacht geweckt hatte. Doch dann, als sich ihre Augen an die Dunkelheit draußen gewöhnt hatten und sie den Serum-Geist erblickten, der den abgehackten Kopf der Dorfbewohnerin wie eine Trophäe in der Hand hielt, dämmerte ihnen langsam, was geschehen war...und Furcht machte sich in ihren Blicken breit.
Der Serum-Geist senkte nun langsam seinen Kopf und richtete seinen glühenden, hasserfüllten Augen auf die verängstigten Bewohner des Dorfes, die starr vor Schreck einfach nur dastanden. Er konnte ihre Furcht spüren, er konnte sie schmecken und so etwas wie ein Lächeln zeichnete sich auf seinem blassen Gesicht ab. Heute Nacht würde er seinen Rachedurst stillen, heute Nacht würden sie alle sterben und die Erde mit ihrem Blut tränken.
Gemächlich hob er sein Schwert und mit einer Schnelligkeit, zu der kein menschliches Wesen imstande gewesen wäre, setzte sich der Geist in Bewegung. In seinem Blick lag etwas Dunkles, etwas Altes, etwas, das nach Blut dürstet...


Mit einem halben Schrei auf den Lippen schlug Ateres die Augen auf. Im Gegensatz zu den Anderen brauchte er keine Zeit, um den Schlaf hinter sich zu lassen und sich der Realität bewusst zu werden. Er wusste im selben Augenblick, in dem er erwachte, dass er geträumt hatte und er konnte sich an jedes auch noch so winziges Detail aus seinem Traum erinnern, als hätte er ihn gerade tatsächlich erlebt.
Er stemmte sich mit beiden Armen hoch und konnte ein leises Stöhnen nicht unterdrücken. Die Nacht auf dem harten Boden hatte seinen Rücken steif werden lassen und forderte nun ihren Preis.
”Verflucht”œ, murmelte der junge Mann und schälte sich nun endgültig aus seinem Schlafsack. Er hatte das Gefühl, als hätte er Jahrhunderte lang in vollkommener Starre in einem Eisblock verbracht und taute nun erst langsam wieder auf, zumindest fühlten sich seine Glieder so an. Er musste noch ein paar Wörtchen mit der Natla-Händlerin sprechen, die ihn den Schlafsack als äußerst bequem und garantiert erholsam empfohlen und für viel Geld verkauft hatte. Man konnte einfach keinem Wesen in dieser Welt vertrauen, besonders Natlas nicht.
Dann begann er das Lager abzubauen, das er vergangene Nacht notdürftig eingerichtet hatte. Er rollte den Schlafsack zusammen und trat die Glut von dem Feuer, das er entzündet hatte, aus. Die Essensreste ließ er liegen. Sollten sich doch die Klippenläufer darum streiten.
Er hatte schon wieder geträumt; und es war schon wieder der gleiche Traum. Seit mehr als einer Woche konnte er nicht mehr richtig schlafen und erwachte jedes Mal mit dem Gefühl, dass etwas Schreckliches passieren würde. Genau genommen war es kein Gefühl, sondern Gewissheit. Denn in seinen Träumen sah er Dinge, die er nicht verstand, Dinge, die keinen Sinn ergaben, aber vor allem sah er Dinge, die passieren würden. Er sah die Zukunft.
Und aus diesem Grunde hassten sie mich. Nein! Ateres schloss die Augen und versuchte den Gedanken zu verdängen. Doch vergeblich. Seit seiner Geburt besaß er diese Gabe, diesen Fluch. Die Leute verstanden es nicht und was sie nicht verstehen, fürchten sie...und was sie fürchten, hassen sie. Er lebte in einem Dorf, nordöstlich von Konlir, auf halben Weg nach Ferdolien und arbeitete dort als Schmiedelehrling, da sein Vater der örtliche Schmied war.
Als Kind hatte er den gravierenden Fehler begangen, der schwangeren Frau des Blumenpavillonverkäufers zu sagen, dass ihr Baby tot zur Welt kommen würde. Er hatte es damals in seinen Träumen gesehen, er hatte gesehen, wie sie alle weinend um das leblose Neugeborene standen. Man hatte ihm nicht geglaubt und sich über seine blühende Fantasie lustig gemacht. Doch als sie das Kind bekommen und es nicht geatmet hatte, hatte man ihn dafür verantwortlich gemacht. Er konnte immer noch die hasserfüllten Stimmen hören. Du hast ihn umgebracht, du hast das Baby mit deiner schwarzen Magie umgebracht! Verfluchter Hexer! Du bist eine Schande für deine Familie! Man hätte dich gleich nach der Geburt ersaufen sollen!
Dabei hatte er sie doch nur warnen wollen, nur helfen wollen. Seitdem hatte er niemals wieder über seine Träume gesprochen. Doch Böses vergaßen die Menschen nicht. Sie zeigten mit dem Finger auf ihn und verzogen angewidert das Gesicht, sie tuschelten hinter seinem Rücken und wünschten ihm den Tod und selbst nach so vielen Jahren war er immer noch ein Außenseiter ohne Freunde, den man mied und verachtete. Selbst seine Familie war da nicht anders. Seine Mutter starb kurze Zeit nach dem Ereignis an dem Gift eines Giftbeißers und sein Vater gab ihm die Schuld dafür, obwohl dieser genau wusste, dass er nichts dafür konnte. Wäre es nicht Tradition gewesen, dass der Sohn den Laden des Vaters übernimmt, hätte dieser ihn niemals als Lehrling akzeptiert. Da Ateres aber der einzige Sohn war, blieb seinem Vater nichts anderes übrig, als ihn einzustellen. Doch am schlimmsten war seine Schwester. Sie beschimpfte ihn, wo sie nur konnte und hetzte ihre Freunde gegen ihn auf. Und die Tatsache, dass sie beide sich ein und dieselbe Hütte teilen mussten, machte die Sache nicht einfacher.
Seine Schwester. Er hatte sie gesehen, in dem Traum. Es war ihr Schrei gewesen, der durch die Nacht gehallt war und es war ihr Kopf gewesen, den der Serum-Geist in seiner Hand gehalten hatte. Trotz des Blutes hatte er sie erkannt.
Was mache ich hier eigentlich? Diese Frage hatte er sich in den letzten Stunden schon ziemlich oft gestellt und er versuchte sich immer dieselbe Antwort einzureden: Er war hier, um sein Dorf vor dem Untergang zu retten. Er war hier, um das Monster zu töten, das er in seinem Traum gesehen hatte. Er war hier, um die Zukunft zu ändern. Nein, das stimmte nicht. Tief in seinem Inneren, wusste er, dass es einen anderen Grund gab. Ateres wollte sich und den anderen beweisen, dass die Gabe, die er besaß kein Fluch war; er wollte zeigen, dass er damit Gutes bewirken konnte, dass er sie vor dem sicheren Tod retten konnte. Und er hoffe ihre Anerkennung zu gewinnen. Wenn die Dorfbewohner erfahren würden, dass er einen Serum getötet hatte, würden sie ihn wie ein Held feiern und die Vergangenheit vergessen sein. Sie würden...
Sei kein Narr, schimpfte er sich selbst. Ein Serum-Geist zu besiegen war kein Kinderspiel und er würde eher den Tod finden, als Ruhm und Bewunderung. Er hatte noch nie einen Serum gesehen, da sie im fernen Reikan lebten und sich eigentlich nie hierher verirrten, selbst in Zeiten des Krieges nicht. Doch er hatte genügend über sie gehört, über ihre unmenschliche Kraft, die sie aus dem Serum des Todes bezogen und ihre unmenschliche Grausamkeit. Er war sicherlich kein schlechter Schwertkämpfer, da er als Schmiedelehrling schon oft genug die Gelegenheit hatte mit Schwertern und anderen Waffen heimlich zu trainieren. Aber das Gefährlichste, das er bis jetzt getötet hatte, war ein Hase gewesen und das nicht einmal mit Absicht. Er hatte also praktisch überhaupt keine Erfahrung. Doch er war schon zu weit gekommen, um jetzt noch umkehren zu können.
Ateres warf einen Blick zu der Holztür, die umrahmt war von einem Steinbogen. Er befand sich nun in der Nähe der alten Festungsruine. Von den ganzen fahrenden Natla-Händlern, Reisenden und Abenteurern hatte er erfahren, dass sich hier ein Wesen aufhalten soll, das den Tod trotzt und abscheulicher sein soll, als alles, was man sich vorstellen konnte. Aber erst als er sich wirklich sicher war, dass es sich bei diesem Wesen um einen alten Serum-Geist handelte, hatte er diese Entscheidung getroffen. Den ganzen gestrigen Tag und ein Teil der Nacht hindurch ist er gewandert und hatte sich erst lange nachdem die Sonne untergegangen war, zur Rast niedergelassen, fast direkt vor dem Eingang zur Höhle. Er hatte es damals für eine gute Idee gehalten, eine Möglichkeit sich zu beweisen und die Vorwürfe und die Beschuldigungen ein für alle mal hinter sich zu lassen, praktisch ein Neubeginn seines Lebens. Doch nun war er sich nicht mehr sicher.
Langsam nahm er einen großen Gegenstand, das von einem Tuch umwickelt war, aus seinem Rucksack und hielt es mit solcher Vorsicht, dass man meinen könnte, der Gegenstand wäre zerbrechlich. Mit äußerster Behutsamkeit begann er das Tuch herunterzustreifen und etwas Glänzendes kam zum Vorschein: Ein Silberharnisch. Dies war der ganze Stolz seines Vaters, die beste Rüstung, die er jemals angefertigt hatte. Sicherlich, viele Leute, besonders Reiche, besaßen solche und bessere Rüstungen, aber seine Familie war nun einmal nicht reich. Zärtlich strich Ateres über das glatte, glänzende Metall und wunderte sich, dass sie so hart und stabil, aber gleichzeitig auch vergleichsweise leicht war. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er sich diesen Harnisch, ohne seinen Vater zu fragen, ”ausgeliehen”œ hatte. Doch es war vergessen, als er sich die Rüstung umschnallte. Sie passte perfekt und saß fest, ohne dass es zu eng wurde, fast so als wäre sie extra für ihn gefertigt worden. Sein ganzer Brustbereich war nun geschützt und die Angriffe würden nutzlos daran abprallen. Der restliche Bereich seines Körpers war zwar nach wie vor ungeschützt, aber mehr Rüstungsteile hatte er nicht mitnehmen können, ohne dass es aufgefallen wäre. Aber das musste reichen. Dann bückte er sich und hob das Silberschwert auf, das er ebenfalls ”ausgeliehen”œ hatte. In den ganzen Ammenmärchen erzählte man sich, dass Serum-Geister untote Wesen waren und dass sie, wie alle andere untoten Wesen, nur mit Silber verletzt werden konnten. Natürlich wusste er, dass es Schwachsinn war, aber Ateres wollte dann doch lieber auf Nummer sicher gehen, bevor er dann doch auf einen völlig unbesiegbaren Gegner stieß. So oder so, würde es schon jetzt nicht einfach weren. Nun schnallte er sich noch das Eisenschild, das im Gegensatz zu der Silberrüstung und dem Silberschwert ziemlich schwer erschien, um seinen linken Arm und glich nun einem erfahrenen Krieger als einem unerfahrenen Schmiedelehrling. Der Gedanke gab ihm Mut. Als letztes holte er noch eine grüne Kugel heraus, die von seltsam grün schimmerte, wie Smaragd. Es war eine grüne Zauberkugel, die er mit dem wenigen Geld, das er besessen hatte, von einem Magier in Konlir abgekauft hatte. Bevor er abgereist war, hatte er diese Kugel auf seine Hütte eingestellt, die er mit seiner Schwester teilte und konnte im Falle eines Notfalls schnell wieder zurückreisen. Den Rest der Gegenstände versteckte er hinter einem Stein, so dass sie nicht sofort von der Straße aus gesehen werden konnten. Wenn er herauskam, würde er sie wieder mitnehmen... wenn er herauskam.
Er stand nun direkt vor der Tür und als er seine Hände auf die kalte Metallklinke legte, keimten erneut Zweifel in ihm auf. Was würde ihn dahinter erwarten? Der Tod? Etwas, das schlimmer war als der Tod, schlimmer als alles, was er sich einzubilden vermag? Ein Schaudern lief durch seinen Körper und ließ ihn erbeben. Er hatte das Gefühl, als würde ein eiskalter Wind seine Haut streifen und langsam begann die Angst ihre unsichtbare Hand nach seinem Herzen auszustrecken, um sie erbarmungslos zu zerdrücken. Ateres kämpfte mit aller Kraft dagegen an, er versuchte es zumindest und doch wusste er, dass er es nicht schaffen würde. Und dabei war er noch nicht einmal in der Gruft. Er konnte es nicht, er war zu feige, zu ängstlich; vielleicht hatten sie ja Recht mit dem, was sie sagten, vielleicht war er es wirklich nicht wert zu leben. Man hätte dich gleich nach der Geburt ertränken sollen! Du bist eine Schande der Familie! Todesbringer! Todesbringer. So nannten sie ihn, so sahen sie ihn. Nein! Heiße Wut und Entschlossenheit wallen in ihm auf und drängten für einen kurzen Augenblick die Angst und die Selbstzweifel zurück, die sich wie Gift in seine Seele fraßen. Er würde ihnen beweisen, dass er sie vor dem Tod bewahren konnte, er würde ihnen alle zeigen, wie sehr sie sich in ihm getäuscht hatten.
Dann drückte er die Klinke hinunter und die Tür schwang lautlos und fast von selbst auf. Er trat ein in die Dunkelheit, mit dem Wissen, dass der Weg jetzt nur noch in eine Richtung führte.
Obwohl er kaum fünf Schritte gegangen war, kam es ihm fast so vor, als hätte er das Tor zur Unterwelt aufgestoßen und würde nun geradewegs in sein Verderben laufen. Es war, als hätte er eine andere Welt betreten, eine andere Ebene, die nicht für sterbliche Wesen gedacht war. Ateres stand nun vor einer schmalen Treppe, die tief in das Innere der Erde führte. Die Steinstufen waren von einer dünnen Staubschicht überzogen. Jede seiner Schritte wirbelte feinen Staub auf, die wie Millionen und Abermillionen von winziger Insekten ziellos umherschwirrten, als hätte man sie in ihrem Schlaf gestört. Mit äußerster Vorsicht setzte er einen Fuß vor den anderen, darauf bedacht kein Geräusch zu verursachen, und stieg langsam die Stufen hinab, während er eine wirbelnde Wand aus Staub hinter sich zurückließ.
Er hatte das Ende der Treppe erreicht und ein langer, ebenso schmaler Gang erstreckte sich vor ihm. Es war ein Weg ohne Rückkehr, an dessen Ende der Tod lauerte. Die Wände auf beiden Seiten schienen sich zu bewegen, schienen immer näher zu kommen, als wollten sie den unerwünschten Besucher zerquetschen, der es gewagt hatte ihre heiligen Hallen zu entweihen. Er wusste, wie lächerlich dieser Gedanke war, trotzdem hämmerte sein Herz wild und chaotisch gegen seine Rippen und verursachte in seinen Ohren ein Geräusch, als würde in weiter Ferne ein Trommler zu einem ihm unbekannten Rhythmus spielen. Sie war wieder da, die Angst. Sie war niemals wirklich weg gewesen, hatte sich immer in seiner Nähe gehalten, wie eine stille Begleiterin, die ihn überallhin folgen würde...selbst bis in den Tod.
Das Licht der Fackeln reichte gerade einmal aus die Dunkelheit zurückzudrängen, war aber dennoch zu schwach sie völlig zu vertreiben. Unförmige Schatten zeichneten sich an den Wänden und auf dem Boden ab. Das unregelmäßige Flackern und das leise Knistern der Flammen hauchten ihnen fast so etwas wie Leben ein. Leben, das es hier nicht gab. Er konnte die Präsenz des Todes deutlich spüren und es war ihm, als müsste er nur die Hand ausstrecken um ihn zu berühren. Der abscheuliche Geruch von Verwesung hing in der Luft wie ein Vorhang aus Fäulnis und Verderbnis. Er musste schlucken, um den bitteren Geschmack, der sich in seinem Mund gesammelt hatte, loszuwerden. Doch ein übler Nachgeschmack blieb trotzdem.
Ateres vermochte nicht zu sagen, wie lang er sich schon in diesem unterirdischen Gemäuer aufhielt, denn sein Zeitgefühl war vollkommen durcheinander geraten. Es konnte nicht sehr lang gewesen sein, dennoch kam es ihm so vor, als wäre es eine Ewigkeit her gewesen, seit er das letzte Mal Sonnenlicht gesehen hatte. Er wusste nicht, wie viele Gänge und Räume er betreten und durchquert hatte. Sie sahen alle gleich aus. Seine Sinne waren zum zerreißen gespannt und hinter jeder Wegbiegung, hinter jeder Tür, erwartete er ein grässliches Monster, das nach seinem Leben trachtete. Doch da war nichts, nur ein neuer Gang oder ein weiterer Raum. Er spürte keine Erleichterung. Diese Unsicherheit, diese Ungewissheit, was noch kommen würde, raubte ihm beinahe den Verstand. Fast wünschte er sich, endlich auf das Wesen zu treffen, wegen dem er hier war. Denn diesen konnte man wenigstens bekämpfen und...
Er bog um eine Ecke und riss verblüfft seinen Mund auf.
Vor ihm befand sich eine Wand, eine massive Wand aus Stein. Der Weg war hier zu Ende, eine Sackgasse. Er konnte es nicht glauben, er wollte es nicht glauben.
Umsonst? Soll das alles etwa umsonst gewesen sein?
Er blinzelte ein paar Mal, als müsste er sich davon überzeugen, dass sie wirklich da war. Dann hob er die Hand und berührte sie. Nichts. Da war nichts als fester Stein, kein versteckter Mechanismus, keine optische Täuschung. Enttäuschung überflutete ihn, wie eine riesige Welle, die ihn verschlang und in den Abgrund zog. Umsonst. Vorbei. All das um...um vor einer Wand zu stehen? Da war kein Serum-Geist, da war nichts. Er wollte fluchen, wollte weinen, seine Faust gegen den Stein trommeln und sich einfach nur seiner Wut und Enttäuschung hingeben. Doch er tat nichts von alldem. Er stand einfach nur da und lächelte verbittert. Er war ein Narr gewesen zu denken, dass es in seiner Macht stand die Zukunft zu ändern. Er, ein Schmiedelehrling, den man hasste. Wie konnte...
Das Lächeln gefror auf seinem Gesicht zu einer Grimasse. Sein Körper erstarrte zu einer Salzsäure und sein Herz setzte für einen kurzen Augenblick aus. Etwas hatte ihn berührt, ein Lufthauch. Er hatte seinen Nacken gestreift, wie eine schwache Brise und ließ ihm nun die Haare zu Berge stehen. Jemand, nein Etwas atmete hinter ihm.
Dann flüsterte eine zischende Stimme direkt neben seinem Ohr: ”Ich bin näher als ihr denkt.”œ
Wie vom Blitz getroffen, fuhr Ateres herum und duckte sich unter der Gestalt hindurch, die hinter ihm gestanden hatte. Er zitterte unkontrolliert und seine Augen waren vor Schreck weit aufgerissen.
”Was ist denn los?”œ Das Wesen gab ein Geräusch von sich, das wie ein spöttisches Lachen klang, ”Habt ihr mich denn nicht gesucht? Ihr zitterst ja vor Furcht. Ich kann eure Angst riechen.”œ
Ateres erwiderte nichts, sein Mund war wie ausgetrocknet und seine Zunge versagte ihm den Dienst.
Der alte Serum-Geist fuhr verächtlicht fort: ”Wollt ihr mich denn nicht töten? Deshalb seid ihr doch hier oder?”œ
Das Wesen hatte Recht. Deshalb war er tatsächlich hier. Ateres begann sich zu beruhigen und er atmete tief durch um sich zu entspannen. Er hatte geglaubt, versagt zu haben und nun bot sich ihm erneut eine Möglichkeit.
”Ja”œ, antwortete er knapp und versuchte so selbstbewusst zu klingen, wie er konnte.
”Ich sehe ihr habt Mut, kleiner Mensch. Viele haben es bis hierher geschafft, doch nur wenige konnten ihre Angst besiegen. Sie haben um Gnade gewinselt wie ängstliche Tiere...und ich habe sie ihnen gewährt.”œ
Ateres blickte erstaunt auf. Dieses Monster hatte sie verschont?
Der Serum verzog sein Gesicht zu einem bösen Grinsen: ”Der Tod ist für die meisten eine Gnade. Er ist eine Erlösung von dem ganzen Elend im Leben, nicht war?”œ
Er antwortete nicht auf die Frage. Was hatte er auch erwartet? Ein Serum mit Herz? Der junge Schmiedelehrling betrachtete seinen Gegner nun genauer. Es war eindeutig nicht der Serum-Geist aus seinem Traum. Auch wenn er denselben schwarzen Schattenumhang trug, so war dieser hier doch viel zu alt. Aber was er in seinen Träumen sah, musste nicht völlig der Realität entsprechen und detailgetreu sein. Es waren Symbole.
Gebückt stand der Serum vor ihm und starrte ihn kalt mit seinen stechenden Augen an, wie eine Raubkatze, die sich auf den Angriff vorbereitete. Einst muss auch dieses Wesen hier ein Mensch gewesen sein doch sein Gesicht hatte ihre feinen Züge verloren und war nun bleich und verzerrt. Und seine Augen...in ihnen loderte ein Hass, der stärker war”¦intensiver als alles, was er bisher gesehen hatte.
”Seid ihr zufrieden mit dem, was ihr seht? Wenn ihr mich totstarren wollt, dann seid ihr auf dem besten Wege dorthin”œ, höhnte der Geist und ein hämisches, diabolisches Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Ateres forschender Blick war ihm nicht entgangen”¦nichts entging ihm jemals. ”Kommt, kommt und tut das, wofür ihr hergekommen seid, Mensch! Versucht mich zu töten! Doch soll euch eines gesagt sein: ich werde es euch nicht leicht machen.”œ
”Wie ihr wünscht.”œ Mit diesen Worten stürzte sich Ateres auf seinen Gegner. Die Angst fiel von ihm ab wie ein Tuch, das ihn bis jetzt bedeckt und seinen Verstand gelähmt hatte. Gefühle spielten nun keine Rolle mehr; nichts spielte noch eine Rolle. Es gab nur noch ihn und seinen Gegner...und den Sieg oder den Tod. Alles andere war irrelevant.
Mit einer fast spielerischen Bewegung wich der Serum-Geist seinem Angriff aus und duckte sich unter seinem Schwerthieb hinweg. Von seinem eigenen Schwung getragen, stolperte Ateres fast zu Boden, als sein Schwertstreich ins Leere ging und knallte unsanft gegen die Wand.
”Das geht bestimmt noch besser”œ, spottete der Serum.
Er spielte mit ihm. Ateres wusste es. Obwohl sein Gegner weder eine Waffe noch eine Rüstung trug, war dieser ihm hoffnungslos überlegen. Doch so schnell gab er nicht auf. Erneut griff er an. Er täuschte links an und als der Serum-Geist wie erwartet zur rechten Seite auswich, änderte er die Richtung und schlug ebenfalls nach rechts. So schnell, dass er die Bewegung kaum sah, verlagerte der Serum im letzten Moment sein Gewicht und warf sich erneut zur anderen Seite...und sein Schlag ging zum zweiten Mal ins Leere.
”Besser, nur etwas zu langsam”œ, kommentierte sein Gegner diesen Angriff.
Bevor er überhaupt realisieren konnte, dass er schon wieder verfehlte hatte, schlug der Serum-Geist nun seinerseits mit seiner zu Krallen gekrümmten Hand zu. Instinktiv riss Ateres sein Eisenschild nach oben und spürte einen stechenden Schmerz in seinem Oberarm. Der Schlag war so heftig, dass er mehrere Schritte zurücktaumelte und schwer atmend an der Wand stehen blieb. Dabei war der Hieb nicht einmal mit voller Kraft und Geschwindigkeit geführt worden. Der Serum wollte, dass er ihn abwehrte. Wut stieg ihn ihm hoch und verlieh ihm ungeahnte Kraft, aber störte gleichzeitig auch seine Konzentration. Ohne zu gucken, wo sein nächster Streich hinging sprang er nach vorne und hackte wild um sich.
Er traf nicht ein einziges Mal.
Ateres sah den Schlag nicht kommen. Er spürte nur wie er von den Füßen gehoben wurde und mit voller Wucht gegen die Wand krachte. Schwarze Kreise begannen sich vor seinem Auge zu bilden und für einen Moment glaubte er, dass er das Bewusstsein verlieren würde. Doch die Kreise begannen sich langsam aufzulösen und auch die Benommenheit verschwand langsam. Ein leises Schwindelgefühl blieb aber trotzdem noch.
Er hatte die Augen geschlossen und wartete auf den tödlichen Schlag des Serum-Geistes, der sicher folgen würde. Seine letzten Kraftreserven waren aufgebraucht und bei dem Sturz hatte er sein Schwert verloren. Ob er sein Schild noch hatte, konnte er nicht sagen. Sein ganzer linker Arm war taub und seine Schulter schien die Quelle allen Schmerzes zu sein. Er hatte nicht den Mut, die Augen zu öffnen und die Wunde zu betrachten. Aber was hätte ihm Schild oder Schwert jetzt noch genutzt? Das Wesen war einfach zu stark und zu schnell für ihn...und bald würde es eh vorbei sein. Er hatte keine Angst, nur das Gefühl der Resignation machte sich in ihm breit. Er hatte es versucht und versagt.
Der tödliche Schlag kam nicht. Wollte der Serum-Geist etwa noch mit seinem neuen Opfer spielen und ihn länger quälen?
Schließlich öffnete der junge Schmiedssohn doch seine Augen...und starrte fassungslos auf das Bild, das sich ihm bot. Der alte Serum-Geist stand wenige Meter vor ihm und stützte sich an der Wand ab. Sein bleiches Gesicht war schmerzverzerrt und man sah ihm an, wie schwer es ihm fiel auf den Beinen zu bleiben. Etwas steckte in seinem Bauch. Ateres traute seinen Augen nicht; es war das Silberschwert seines Vaters. Bevor der Serum ihn getroffen hatte, musste einer seiner unkontrollierten Angriffe sein Ziel gefunden haben.
”Ihr...ihr hattest nur Glück.”œ Die Stimme des untoten Wesens war so leise, dass er Mühe hatte die Worte zu verstehen. ”Ich hätte euch töten sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte.”œ
Ateres sagte nichts. Er konnte immer noch kaum glauben, was geschehen war. Er, ein einfacher Schmiedelehrling, hatte einen erfahrenen, ungeheuerlich bösen Serum-Geist besiegt.
Mit letzter Kraft holte das sterbende Wesen ein kleines Fläschchen hervor und rollte es zu Ateres: ”Nehmt diesen Heiltrank, er ist eure einzige Chance”œ; plötzlich lächelte es, ”glaube nicht, dass es vorbei ist. Es hat gerade erst begonnen.”œ Ein schwaches Lachen drang aus seiner Kehle und dann fiel er auf die Knie und kippte zur Seite. Die toten, leeren Augen blickten starr zur Decke und die Flammen darin waren erloschen. Auch die Gesichtszüge haben sich entspannt und wirkten nun fast wieder menschlich und so edel wie sie einst waren.
Der immer noch fassungslose Schmiedelehrling, der nun mehr ein Krieger war, blickte zu der Leiche des Serum-Geistes. Er fühlte nichts. Keine Freude, keine Erleichterung, nichts was er erwartet hatte...nur eine unbestimmte Leere, als hätte man eine wichtige Erinnerung aus seinem Gedächtnis gelöscht. Sein Körper war vollkommen ausgelaugt und erschöpft.
Ateres versuchte sich aufzurichten, gab es aber auf, als seine Beine ihm nicht gehorchen wollten und seine Schulter wieder zu schmerzen begannen. Jetzt, wo er sich an seine Schulter erinnerte, kam der Schmerz explosionsartig zurück und er stöhnte auf. Zum Schreien war er zu erschöpft. Nun musste er sich um die Wunde kümmern, ob er wollte oder nicht. Als sein Blick auf die undefinierbare, rote Masse aus Sehnen und Muskeln fiel, wo einst seine Schulter war, stöhnte er erneut auf. Und ihm wurde schlagartig klar, dass er diese Gruft wahrscheinlich nicht mehr lebend verlassen würde. Was für eine Ironie des Schicksals. Der Serum-Geist war besiegt, doch er würde elendig in diesem stinkenden Loch verbluten, ohne Hoffnung auf Hilfe. Die Leute in seinem Dorf würden nie erfahren, was für eine unglaubliche Tat er vollbracht hatte, sie würden ihn weiter als den unerwünschten Außenseiter in Erinnerung behalten, der eines Tages verschwunden war und nie wieder zurückkehrte. Auch jetzt fühlte er nichts, vielleicht war es besser so. Er sah zu dem kleinen Fläschchen, das der sterbende Geist ihn hinterlassen hat und fragte sich, was es bezwecken sollte und ob der Serum-Geist sich noch im Sterben über ihn lustig gemacht hatte. Als ob ein kleiner Heiltrank ihm jetzt nützen würde. Er trank ihn trotzdem. Seine Augen begannen sich zu schließen und er gab sich bereitwillig dem Schlaf des Todes hin, der ihn mit offenen Armen empfang.


Als er die Augen aufschlug wusste er im ersten Moment nicht, wo er war und vor allem, was geschehen war. Er spürte nichts außer einem quälenden Durst, der so stark war, dass er ihm fast die den Verstand raubte. Diese Benommenheit kurz nach dem Aufwachen war ihm eigentlich bis jetzt völlig fremd gewesen und er glaubte, von dieser Schwäche frei zu sein. Aber er hatte auch noch nie bis zur Erschöpfung gegen einen Serum-Geist gekämpft...
Ruckartig setzte sich Ateres auf und wurde prompt mit heftigen Kopfschmerzen belohnt. Doch er achtete nicht auf den Schmerz, sondern nur noch auf die Erinnerungen, die mit einem Schlag zurückgekehrt waren. Die Gruft, der alte Serum, er wusste wieder Bescheid. Sein Blick wanderte fast automatisch zu der Stelle, wo die Leiche des Serum-Geistes liegen müsste, doch da war nichts mehr, außer dem Silberlangschwert, dem Schattenumhang und ein wenig Staub. Wahrscheinlich ist der Körper des Geistes, der all die Jahre durch schwarze Magie zusammengehalten wurde, nach dem Tod wieder in seine Bestandteile zerfallen.
Etwas war seltsam. Seine Umgebung hatte sich kein bisschen verändert und doch... Die Fackeln, die einst die Dunkelheit kaum vertreiben konnten, waren nun so hell, dass er nicht in die Flammen gucken konnte, ohne geblendet zu werden. Der unangenehme Geruch von Tod und Verwesung war verschwunden und es lag ein süßlicher Duft in der Luft. Auch schienen die Geräusche nun lauter geworden zu sein, lebendiger, als kehrte das Leben wieder zurück. Etwas schien mit dem Serum-Geist gestorben zu sein. Die Bedrohlichkeit, die einst diesen Ort wie eine dunkle Aura umgeben hatte, war nun nicht mehr zu spüren.
Mit der linken Hand wischte er sich den Schweiß und den Schmutz von der Stirn...und erstarrte mitten in der Bewegung. Langsam, ganz langsam nahm er die Hand von der Stirn und hielt sie sich vor den Augen. Er schluckte und sein Blick glitt zögernd nach oben, über dem Arm bis zur Schulter. Da war nichts. Keine Wunde, nicht einmal eine Narbe.
Was war hier los?
Das war unmöglich, völlig unmöglich! Er hatte die Wunde für einen kurzen Moment vergessen, was aber nicht hieß, dass er sie völlig vergessen hatte. Er hatte sie gesehen. Das Fleisch war fast bis zu den Knochen aufgerissen gewesen. Auch ohne, dass er viel von Heilung verstand, hatte er gewusst, dass er den Arm nie wieder hätte benutzen können. Und nun...war er vollkommen unversehrt, als wäre da nie etwas gewesen. Er erinnerte sich an den Heiltrank, aber er hätte niemals diese Wunden heilen können. Er glaubte nicht an Wunder, dafür hatte er zu viel Bitterkeit in seinem Leben erfahren müssen, doch eine andere Erklärung hatte er nicht.
Dann nahm er ein leises Tropfen wahr. Er blickte sich um und entdeckte ein winziges Loch in an der Decke, aus dem in einem bestimmten Rhythmus Wasser tropfte und sich am Boden zu einer Pfütze sammelte. Mit einem Male wurde er sich wieder dem ungeheuren Durst bewusst, der ihn von Innen heraus aufzufressen schien. Er war niemals in seinem Leben so durstig gewesen. Vorsichtig richtete er sich auf, als erwartete er, dass seine Beine jeden Moment unter seinem Gewicht nachgeben würden, doch sie hielten stand. Schleppend ging er zu der Pfütze, die wie ein kleiner See den Boden bedeckte, um seinen ärgsten Durst zu löschen. Er kniete sich hin und wollte gerade anfangen zu trinken, als er sein verzerrtes Spiegelbild im Wasser erblickte.
Mit einem erschrockenen Schrei prallte Ateres zurück.
Oh ihr Götter. Nein, NEIN! Das kann nicht sein.
Es war sein Gesicht gewesen, kein Zweifel, doch wie hatte es sich verändert. Er kannte das Gesicht, er kannte es zu gut. Er hatte es schon einmal gesehen, in seinen Träumen. Es war das Gesicht des Serums aus seinem Traum. Es war sein Gesicht.
”Nein”œ, stöhnte er und begann sein Gesicht abzutasten. Es fühlte sich rau an und kalt. Er heulte auf.
Glaube nicht, dass es vorbei ist. Es hat gerade erst begonnen. Das waren die letzten Worte des sterbenden Serums gewesen und er hatte sie nicht verstanden, nicht beachtet. Nehmt diesen Heiltrank, er ist eure einzige Chance. Heiltrank! Wie töricht er war. Als würde ein Serum ein Heiltrank mit sich führen. Es war das Serum des Todes gewesen. Er verstand nun zu gut. Es hat gerade erst begonnen.
Der Schmiedesohn, nein, der neugeborene Serum-Geist blickte auf und seine Augen loderten. Er fühlte nichts als Leere, eine absolute resignierende Leere. Jetzt begriff er: nicht die Umgebung hatte sich verändert, sondern er. Seine Sinne waren viel schärfer geworden und er sah, hörte und roch Dinge, die den sterblichen Menschen verwehrt waren. Deshalb erschienen ihm die Flammen heller, deshalb hörte er Geräusche, die er vorher nicht wahrgenommen hatte. Und deshalb verspürte er diesen Durst. Auch das begriff er nun. Es war kein Durst nach Wasser, sondern nach Blut. Blut. Bei diesem Gedanken erbebte sein Körper vor Verlangen und er hasste sich dafür. Er hasste alles, besonders die Lebenden, die ihm sein ganzes Leben lang verachtet hatten und ihn zu dem gemacht haben, was er war. Ein Serum, ein Wesen der Dunkelheit. Ateres war tot und hatte seinem Platz ihm überlassen. Es hat gerade erst begonnen. Ja, er würde sich an ihnen rächen, er würde sie leiden lassen und ihnen zeigen, was wahre Angst bedeutet. Todesbringer. Sie wussten nicht, wie Recht sie hatten. Todesbringer. Das war sein Name.
Der Serum-Geist bückte sich und hob das Silberschwert auf und zog den Umhang des Schattens an .Dann griff er unter seinem Hemd und holte eine Zauberkugel hervor, die er vollkommen vergessen hatte. Sie erstrahlte in einem grünen Licht...
Und nun begriff er auch das Letzte: Die Zukunft kann man nicht verändern.

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Leit_Wolf
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Beitrag von Leit_Wolf » 18. Aug 2005, 17:58

:) hab sie durch endlich :lol:

die geschichte ist gut geschrieben :) respeckt

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vnv_nation
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Beitrag von vnv_nation » 18. Aug 2005, 19:24

Ich hab nur den ersten Absatz gelesen, sorry, mehr kann ich grad nicht. Soll man nicht machen, wenn man nebenbei grad selbst an Etwas schreibt. Ich werds nachholen, allerdings, was ich bis jetzt so gesehen habe, naja, ich sollte mich beeilen um dann hier fertig zu lesen.

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Madeleine
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Beitrag von Madeleine » 27. Aug 2005, 16:50

Echt gut geschrieben, hab aber total lange gebraucht um die durchzulesen, da ich bei Texten am PC immer durcheinander komme :(

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