Adapted: Ich bin dem Staat nichts schuldig ... oder doch?

Hier kann über alles diskutiert werden, wirklich alles. Betonung liegt auf "diskutiert", das ist also kein Freischein zum Spammen.
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Monsi
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Re: Adapted: Ich bin dem Staat nichts schuldig ... oder doch?

Beitrag von Monsi » 5. Jun 2008, 01:19

Ice hat geschrieben:*schulterzuck*
Ich vertrete sowieso die Einstellung, daß ein staatliches Gebilde an sich überflüssig wäre, würde es eine vernünftige Gesellschaft geben.
das, was du unter einer "Vernünftigen Gesellschaft" verstehst, ist schlichtweg Utopie!

Menschen sind nunmal Homo Oeconomicus... und der Homo Oeconomicus zieht zweckrationale Entscheidungen... Rational für sich selbst! Und rational eingennützige Entscheidungen führen oft zu kollektiv schlechten Ergebnissen... (Stichwort: Prisoners Dilemma) Wiki-Artikel

Meiner Meinung nach ist der Staat ein unerlässliches Gebilde, ohne das die Menschheit heutzutage Kaum so weit wäre, wie sie ist...

Gerade was die Wirtschaft anbelangt, so ist der Staat ein Akteur, Ohne den das Wirtschaftswachstum, das wir im letzten Jahrhundert erleben durften, (und das verantwortlich für unser aller Wohlstand ist), wohl kaum hätten erleben dürfen...

Um es mal etwas provokativ zu formulieren: Ohne ein Staatliches Gebilde würden wir jetzt wohl kaum vor dem Pc sitzen und in einem Forum über sowas hier diskutieren... Die meisten von uns wären irgend auf einem Feld am Getreide ernten... Oder vielleicht nichtmal das.

Der Staat tut vieles für uns, was wir uns vielleicht im Alltag gar nicht so bewusst sind...

Einige Beispiele:
-Recht auf Eigentum. (überlegt mal, was geschehen würde, wenn es sowas nicht gäbe...)
-Recht auf Sicherheit bzw. körperliche Unversehrtheit
-das zur Verfügung stellen von öffentlichen Strassen, Schulen, etc... (Angenommen, es gäbe keinen Staat: Wer würde das Schulsystem finanzieren? wer würde die Strassen bauen, und vor allem bezahlen?)
-Das zur Verfügung stellen von Geld als allseits anerkanntes Zahlungsmittel. (ja, auch das gäbe es ohne Staat wohl kaum...)
-Die Möglichkeit, seine Rechte vor dem Gericht durchzusetzen.

Dies sind nur ein paar grundlegende Beispiele, weiter möche ich hier gar nicht gehen.

Was ich eigentlich kurz aufzeigen will, ist, dass ein Staat heute absolut notwendig ist...
Klar mag der Staat einige Sachen hervorgebracht haben, die einzelnen von euch missfallen etc... Aber Trotzdem denke ich kaum, dass irgendeiner von euch lieber in einer absoluten Anarchie leben möchte... (wenn doch, soll er mal meine Beispiele oben durchlesen und sagen, ob er danach immer ncoh so denkt)...

Auf die Frage, ob wir nun einem solchen Staat etwas schuldig sind: Meines erachtens absolut! Ich mein, ich freu mich ja acuh nicht, wenn ich Steuern zahlen muss... aber trotzdem halte ich es für Nötig.

Noch ein paar Worte an Danol:
danol hat geschrieben:Würde der Staat die Bildung nicht quasi-Monopolisieren, müssten private Unternehmen schon im eigenen Interesse ein ausreichendes Bildungsabgebot schaffen, qualifizierte Arbeitskräfte wachsen eben nicht auf Bäumen
Dies stimmt absolut nicht!
Es würde vielleicht schon so etwas wie ein Bildungsangebot geben, aber 1. nur für jene, die bezahlen (und das geld dafür haben) und 2. viel zu wenig!
Und gerade bei elementarer Bildung wie Lesen + Schreiben / Rechnen wirst du auf privatlicher Basis niemals genügend Bildung zusammenbringen, um ernsthaft so viel Bildung zu produzieren, wie das beim staatlichen Schulsystem der Fall ist. Klar kann man sich jetzt darüber unterhalten ob denn soviel Bildung überhaupt nötig ist... Aber dass wir in der heutigen Gesellschaft alle zumindest fähig sein sollten, eine Zeitung zu lesen (und auch zu verstehen), oder einfachste Rechnungen durchzuführen, kann man kaum abstreiten.
im Fall der Bildung besteht übrigens gesammtwirtschaftlich ganz klar ein Externer Effekt. Das heisst, im Privaten Rahmen wird niemals so viel Bildung "produziert", wie wirtschaftlich optimal wäre, weil viele Menschen den "Wert" der Bildung drastisch unterschätzen. Darum halte ich es für durchaus gerechtfertigt, wenn hier der Staat korrigierend eingreift.



Man sollte allgemein zuerst etwas nachdenken, was denn der Staat alles für die Bevölkerung tut, bevor man schlecht über ihn redet...
Da gibts nämlich ach so vieles, was unsereins gar nicht so bewusst wahrnimmt, weil es alltäglich und selbstverständlich ist, aber ohne Staatsgebilde schlichtweg inexistent wäre...
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Re: Adapted: Ich bin dem Staat nichts schuldig ... oder doch?

Beitrag von Teodin » 5. Jun 2008, 01:53

Danol hat geschrieben: Einkommen erzielt man, weil man eine Leistung erbringt, wenn das besteuert wird bedeutet das nichts anderes, als dass der Staat einem Individuum die Möglichkeit nimmt, über die Verwendung der eigenen Leistung zu entscheiden was einer Entmündigung und damit einem Raub gleichkommt. Wenn Du das anders siehst dann erklär mir bitte, wie ein Zwang zur Gemeinschaft/Solidarität moralisch zu rechtfertigen ist.
Moral ist nicht immer des Pudels Kern. Wenn mit den erhobenen Steuern moralisch Sinnvolles getan wird, wie z.B. Schulbildung zu ermöglichen oder eine Umschichtung des Geldes innerhalb der Gesellschaft zu Gunsten wirtschaftlich schwächerer Mitglieder herbeizuführen, entsteht aus dem "Raub" plötzlich eine Tat für das Gemeinwohl. Ob man nun eine utilitaristische Abwägung in Betracht ziehen will oder nicht sei mal dahingestellt.
Danol hat geschrieben: Würde der Staat die Bildung nicht quasi-Monopolisieren, müssten private Unternehmen schon im eigenen Interesse ein ausreichendes Bildungsabgebot schaffen, qualifizierte Arbeitskräfte wachsen eben nicht auf Bäumen. Auch die Güterverteilung so zu gestalten, das jeder genug hat, ist in einer Anarchie möglich, hat man im kleinem Maßstab z.B. während des spanischen Bürgerkrieges in den Anarchosyndikalistisch organisierten Teilen Spaniens gesehen: http://de.wikipedia.org/wiki/Anarchosyn ... Geschichte
Eine globale Umsetzung des Anarchosyndikalismus wäre mit extrem großen Problemen praktischer Natur behaftet. Interessenkonflikte zwischen Bevölkerungsgruppen verschiedener Gebietschaften oder politischer Strömungen, die auch mal gewaltsam ausgehen könnten wären an der Tagesordnung. Die derzeitigen Staatsgebilde ecken zwar auch regelmäßig aneinander, aber die Grenzen sind immerhin klar abgesteckt. Nebenbei entspricht das, was diese Bewegung gerne hätte immer noch meiner Definition eines Staates, es ändert sich nur die Regierungsform. Es werden auch hier bestimmte Personen eindeutige Aufgaben übernehmen, welche die politischen Entscheidungen betreffen. Wenn man z.B. die attische Demokratie zum Vergleich heranzieht, wird man feststellen, dass diese zwar offiziell eine reine Volksdemokratie war, aber Demagogen und Sophisten ihren Teil dazu beitrugen, dass bestimmte Individuen nun mal etwas gleicher waren als andere. Eine Führungsschicht wird es also auch in anarchistisch orientierten Gesellschaften geben, nur ist diese Schicht dann den meisten Mitgliedern der Gesellschaft weitestgehend unbekannt, weil sie wohl möglich aus Tausenden, statt aus Hunderten Politikern besteht und sie keine offiziellen Posten besetzen. Kontrollmechanismen werden demnach auch entsprechend schwierig zu realisieren.
Danol hat geschrieben: Ich verweise nochmal auf den eben zitierten Artikel. Es gab in der Geschichte mehrere kurze Phasen der Anarchie, die auch ohne Sozialdarwinismus auskamen; ansätze fand man z.B. auch in der Pariser Kommune (in der die Menschen es geschafft haben, sich ganz ohne Staat auf freiwilliger (gut, den Umständen entsprechend) Basis zu organisieren).
Natürlich gab es diese Phasen, aber es waren eben nur Phasen. Die Umstände prägten meist diese Art der gesellschaftlichen Organisation. Eine Gesellschaft mit anarchischen Strukturen, gemeinsam mit der heutigen Überflussgesellschaft hätte wohl arge Probleme damit bei auftretenden Problemen die breite Masse in Schach zu halten. Dies fördert die Instabilität dieses ganzen Systems zu Tage, denn Menschen lassen sich ohne weiteres stark beeinflussen und somit auch aufwiegeln (Stichwort: Nationalsozialismus in Deutschland (ja, sorry :P ). Marschiert die eine Versammlung erstmal gegen die andere gibt es kein Halten mehr. Diese Probleme treten auch noch nicht auf, wenn nur kleine Gruppen von 100.000 oder einer Million Menschen so organisiert sind, aber bei sechs bis sieben Milliarden sieht die Sache schon anders aus. Man werfe einen Blick in den Kongo, oder gar nach Belgien, wo sich bereits kleinere Gruppen gehörig in Rivalitäten verstrickt haben, die häufiger gewaltsam Enden.
Danol hat geschrieben:
Und ich sehe immer noch keine Rechtfertigung, überhaupt im Namen einer Allgemeinheit Zwang auszuüben. Was ist das denn anderes als das altbekannte "Recht des Stärkeren", nur das der Stärkere hier eben ein Kollektiv ist?
Danol hat geschrieben: Moralisch sehe ich keine Rechtfertigung, die Interessen einer Minderheit über die einer Mehrheit zu stellen.
Welche Variante entspricht nun wirklich deiner Meinung? :P
Danol hat geschrieben:Allgemein möcht ich nochmal darauf hinweisen, das Menschen generell zur passivität neigen, sofern sie es sich leisten können. Solange man also sagen kann "wozu was tun, wir haben den Staat" ist der Staat selber Ursache für einen Teil der Probleme, die er angeblich lösen soll. Wenn man mal in Gebiete schaut, wo der Staat viel weniger Einfluss hat als hierzulande, sieht man auch das die Menschen von selbst solidarischer handeln. Ich bin sogar überzeugt, das Menschen in Eigeninitiative wesentlich sozialer handeln können, als das dem Staat jemals möglich sein wird. Dadurch das der ihnen die Möglichkeit zur passivität gibt, macht er diese Chancen allerdings zunichte ...
Weils zusammen passt habe ich diese Teile mal etwas anders geordnet.
Ich würde dir in vollem Umfang zustimmen, wenn mein Menschenbild nicht ein etwas Anderes wäre. Menschen sind direkt solidarisch, wenn sie Kontakt miteinander haben, aber was Interessiert einen Tibeter ein Süd-Amerikaner? Was gehen die Probleme eines Franzosen einen Chinesen an? Bei der Organisation anarchischer Verwaltung in globalen Maßstäben fühlt der Einzelne nur mit denjenigen in seiner unmittelbaren Umgebung noch mit. Jemanden den ich gar nicht kenne kann ich nicht mögen und jemandem den ich nicht mag gestehe ich auch keine Dinge zu, die meine Solidarität erfordern. Die gesamte Weltbevölkerung kann man nicht kennen, nicht mal jeweils eine Person aus jeder Bevölkerungsgruppe. Damit wären wir dann wieder bei den Interessenkonflikten.
Danol hat geschrieben:
Ich sage ja außerdem nicht, dass man den Staat jetzt und sofort abschaffen kann, von uns erlebt das wohl keiner mehr ;) Dennoch sollte man langsam anfangen, alternativen vorzubereiten. Alternativ das Gefasel vom "mündigen Bürger" seinlassen und wieder zur autoritären Obrigkeit zurückkehren. Die jetzige verlogene Demokratie finde ich jedenfalls definitiv falsch.
Dass Bürger wirklich mündig sind glaube ich längst nicht. Es gibt in der heutigen Zeit extrem viele Faktoren, die den Bürger kontrollieren und somit Stück für Stück entmündigen, vorne Weg die Medien.
Ein Obrigkeitsstaat ist zwar in vielen Fällen stabil, sehr wendig und vor allem schnell Handlungsfähig, hat aber auch die große Schwäche, dass die Obrigkeit schnell mal auf die schiefe Bahn geraten kann, da es keine Kontrollmechanismen gibt, oder nur solche, die nicht effektiv genug sind. Es wäre nicht das erste mal in der Geschichte, dass so eine Entartung der Staatsform stattfünde. Die Mündigkeit des Bürgers würde so ein Staat auch nicht erneuern, da er ihm nur sehr kleine Mitbestimmungsrechte einräumt.
Der derzeitige Zustand ist nicht ideal, aber er sichert dem Bürger einen großen Grad an Freiheit, andere Staaten haben da ganz andere Methoden (siehe Russland, USA, China).
Möglicherweise eröffnet der fortschreitende technische Entwicklungsprozess neue Möglichkeiten eine direkte Demokratie auch bei einer größeren Anzahl an Gesellschaftsmitgliedern praktisch umzusetzen. Die Maße der Menschen ist derzeit ein wichtiger Faktor, der verhindert, dass direkte Volksdemokratie möglich ist. Im antiken Athen konnte man die paar Tausend Mitglieder der Volksversammlungen noch leicht in Veranstaltungen unterbringen, die der demokratischen Meinungsbildung und der direkten Wahl dienten, bei 81 Millionen oder gar 6 Milliarden Menschen wäre so etwas unmöglich. Internet und co. lassen die Welt allerdings bekanntermaßen immer weiter zusammen wachsen, vorstellbar wären also Redner-Podcasts, Diskussionsforen, weltweite Abstimmungen und weiteres. Fällt mal der Strom aus wäre das Licht für so einen Staat natürlich schnell aus, aber das ist es wahrscheinlich ohnehin. An der Mehrschichtigen Gesellschaft würde das direkt aber wahrscheinlich wenig ändern, da wohl eher gebildete Menschen und vor allem Menschen mit weniger Arbeitsaufwand die Zeit und die Motivation hätten sich ausreichend über anstehende Entscheidungen zu informieren. Die Wahlbeteiligungen lägen wahrscheinlich weitaus tiefer als man es in Deutschland gewohnt ist, wodurch doch wieder nur ein Teil der Gesellschaft aktiv an der Steuerung des Staates teilnehme.

Ice

Re: Adapted: Ich bin dem Staat nichts schuldig ... oder doch?

Beitrag von Ice » 5. Jun 2008, 09:38

Ganz kurz.
Monsi hat geschrieben:
Ice hat geschrieben:*schulterzuck*
Ich vertrete sowieso die Einstellung, daß ein staatliches Gebilde an sich überflüssig wäre, würde es eine vernünftige Gesellschaft geben.
das, was du unter einer "Vernünftigen Gesellschaft" verstehst, ist schlichtweg Utopie!

Menschen sind nunmal Homo Oeconomicus... und der Homo Oeconomicus zieht zweckrationale Entscheidungen... Rational für sich selbst! Und rational eingennützige Entscheidungen führen oft zu kollektiv schlechten Ergebnissen... (Stichwort: Prisoners Dilemma) Wiki-Artikel

Meiner Meinung nach ist der Staat ein unerlässliches Gebilde, ohne das die Menschheit heutzutage Kaum so weit wäre, wie sie ist...
Man sollte aber nicht außer Acht lassen, worin dort die Ursache und wo die Wirkung liegt.
Entscheidungsmuster werden immer vom Umgfeld geprägt.
Und, ich vertrete meine Ansicht, weil ich eine ganz andere Basis für den menschlichen Charakter an sich sehe; prinzipiell ein in vielerlei Hinsicht anders agierender Mensch, der sich aus einem anderen Umfeld entwickeln könnte.
Ein Mensch also, der eine Gesellschaft schaffen könnte, wie ich sie mit "vernünftig" beschrieben habe.

Selbstverständlich ist das eine Mustervorstellung - aber daß das Wesen vorherbestimmt ist, konkret also als Homo Oeconomicus, läßt sich einfach nicht mit meiner Anschauung vereinbaren. Deshalb kann ich das also nicht als Diskussionsgrundlage akzeptieren.

Zum letzten Absatz:
Das ist sehr subjektiv. Eine weite Entwicklung in eine falsche Richtung wäre meiner Einschätzung nach keineswegs besser als eine in den Anfängen steckende positive.
Das soll kein Urteil sein - was positiv, was negativ ist, vermag jeder selbst zu entscheiden.
Das würde mich jetzt wieder zur Meinungsfreiheit führen, worüber ich auch ewig schreiben könnte...ich lasse es aber, es würde abschweifen.
Wie dem auch sei: Ich selbst denke, daß die "menschliche Entwicklung" zum Teil einfach unglücklich gelaufen ist. Von "weit sein" kann also, ginge es nach mir, keine Rede sein.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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Re: Adapted: Ich bin dem Staat nichts schuldig ... oder doch?

Beitrag von Danol » 5. Jun 2008, 11:45

Teodin hat geschrieben:Moral ist nicht immer des Pudels Kern. Wenn mit den erhobenen Steuern moralisch Sinnvolles getan wird, wie z.B. Schulbildung zu ermöglichen oder eine Umschichtung des Geldes innerhalb der Gesellschaft zu Gunsten wirtschaftlich schwächerer Mitglieder herbeizuführen, entsteht aus dem "Raub" plötzlich eine Tat für das Gemeinwohl.
d.h. Gemeinwohl steht über Individualinteressen? Willkommen im Sozialismus. Egal für wie moralisch Du persönlich etwas halten magst, wenn Du es mit fremden Mitteln herbeiführst ist und bleibt es Raub. Warum sollte derjenige, der die Mittel erarbeitet hat, nicht über ihre Verwendung entscheiden dürfen? Weil andere dazu nicht in der Lage sind? Damit wäre der Mensch dann das erste Wesen, das die Evolution in großem Maße ausschaltet und sich damit gleich selbst die Möglichkeit nimmt, eine Gesellschaft zu entwickeln, die ohne Zwang sozial sein kann.
Interessenkonflikte zwischen Bevölkerungsgruppen verschiedener Gebietschaften oder politischer Strömungen, die auch mal gewaltsam ausgehen könnten wären an der Tagesordnung.

Woher sollte in einer Anarchie die motivation zur Gewalt kommen? Dank fehlender Zwangsvergesellschaftung kann es dann jedem herzlich egal sein, welcher politischen Strömung jemand anders anhängt, da dann ja keine Chance mehr besteht, jemand anderem die eigenen Visionen per Staat aufzuzwingen. Gewalttätigkeit nur aus idealistischen Gründen also?

Nebenbei entspricht das, was diese Bewegung gerne hätte immer noch meiner Definition eines Staates, es ändert sich nur die Regierungsform.
Regierungsform? Sorry aber welche Regierung siehst Du denn da? Es gibt einige gravierende Unterschiede zwischen gewerkschaftlicher und staatlicher organisation: Eine Gewerkschaft hat kein Hoheitsgebiet, in dem sie ihre Interessen Zwangsweise durchsetzen kann, sie hat keine Monopolstellung, d.h. Du kannst jederzeit austreten und eine konkurierende Gewerkschaft gründen (versuch das beim Staat mal) und vor allem ist es deine private entscheidung, ob Du sie mit einem Teil deiner erarbeiteten Geldes unterstützt, und nicht bloß abhängig davon, ob Du auf einem 'Hoheitsgebiet' lebst. Es fehlen hier also wesentliche Zwangs- bzw. Monopolelemente des Staates.
Es werden auch hier bestimmte Personen eindeutige Aufgaben übernehmen, welche die politischen Entscheidungen betreffen.
Welche Politik sollte denn dann noch vonnöten sein, die zu ihrer umsetzung isolierten entscheidungsträgern bedarf?
Natürlich gab es diese Phasen, aber es waren eben nur Phasen.
Mir ist atm. keine solche Phase bekannt, die ohne gewaltsame Intervention eines Staates beendet worden wäre.
Eine Gesellschaft mit anarchischen Strukturen, gemeinsam mit der heutigen Überflussgesellschaft hätte wohl arge Probleme damit bei auftretenden Problemen die breite Masse in Schach zu halten. Dies fördert die Instabilität dieses ganzen Systems zu Tage, denn Menschen lassen sich ohne weiteres stark beeinflussen und somit auch aufwiegeln (Stichwort: Nationalsozialismus in Deutschland (ja, sorry :P ).
Nationalismus war nur möglich, weil die Menschen sich mit einem Staat identifizieren konnten und bereit waren, für ihn einzutreten.
Man werfe einen Blick in den Kongo, oder gar nach Belgien, wo sich bereits kleinere Gruppen gehörig in Rivalitäten verstrickt haben, die häufiger gewaltsam Enden.

Dann schau Dir doch mal die Ursachen davon an. In aller Regel definieren diese Menschen sich als Teil eines (möchtegern)Staates, einer Religionsgemeinschaft oder einer andersgearteten Gruppe. Anarchismus bedeutet ja gerade die Überwindung dieses Denkens, um es der Menschheit zu ermöglichen, auch in der breiten Masse selbstständig zu werden und sich nach ihren eigenen Bedürfnissen zu organisieren oder es eben bleiben zu lassen bzw. ältere organisationsformen aufzugeben.
Welche Variante entspricht nun wirklich deiner Meinung?

Ich sehe keine Rechtfertigung für das wie auch immer geartete Beherrschen von Menschen, insofern existiert da kein Wiederspruch.

Ich würde dir in vollem Umfang zustimmen, wenn mein Menschenbild nicht ein etwas Anderes wäre. Menschen sind direkt solidarisch, wenn sie Kontakt miteinander haben, aber was Interessiert einen Tibeter ein Süd-Amerikaner?

Bei der letzten Krise in Tibet gab es auch in Südamerika, Afrika, Nordamerika und Europa sehr viele Menschen, die ziemlich solidarisch mit den Tibetern waren. Selbstverständlich wird es Menschen geben, die Tibet, China oder sonsteine Region nicht interessiert, ja und? Es gibt umgekehrt zu viele die sich eben doch engagieren, als das man hier alle über einen Kamm scheren kann.

Bei der Organisation anarchischer Verwaltung [...]

Wiederspruch in sich.

[...] in globalen Maßstäben fühlt der Einzelne nur mit denjenigen in seiner unmittelbaren Umgebung noch mit.
Wo ist da das Problem? Interessenkonflikte würden ohnehin seltener entstehen, da sie über den Staat ausgetragen werden. Wenn man den als Konfliktmedium ausschaltet, entfällt für viele Konflikte die Existenzgrundlage.
Ein Obrigkeitsstaat ist zwar in vielen Fällen stabil, sehr wendig und vor allem schnell Handlungsfähig, hat aber auch die große Schwäche, dass die Obrigkeit schnell mal auf die schiefe Bahn geraten kann, da es keine Kontrollmechanismen gibt, oder nur solche, die nicht effektiv genug sind. Es wäre nicht das erste mal in der Geschichte, dass so eine Entartung der Staatsform stattfünde. Die Mündigkeit des Bürgers würde so ein Staat auch nicht erneuern, da er ihm nur sehr kleine Mitbestimmungsrechte einräumt.

Ironie Teo, ironie ...

Dass Bürger wirklich mündig sind glaube ich längst nicht. Es gibt in der heutigen Zeit extrem viele Faktoren, die den Bürger kontrollieren und somit Stück für Stück entmündigen, vorne Weg die Medien.

Das hier ein Problem liegt und das die Menschen das selberdenken starten sollten, ist auch absolut meine Meinung. Derzeit haben sie dazu aber keinen Grund, es wird ihnen ja größtenteils abgenommen.

Möglicherweise eröffnet der fortschreitende technische Entwicklungsprozess neue Möglichkeiten eine direkte Demokratie auch bei einer größeren Anzahl an Gesellschaftsmitgliedern praktisch umzusetzen. Die Maße der Menschen ist derzeit ein wichtiger Faktor, der verhindert, dass direkte Volksdemokratie möglich ist.
Ich wüsste nicht, woran das heutzutage technisch scheitern sollte? Methoden zur sicheren Kommunikation und zur Identifikation existieren bereits, man sollte sie nur nutzen. Allgemein setze ich allerdings auch viel Hoffnung auf eine direkte Demokratie, eine Gesellschaft die damit zurechtkommt ist von einer, die auch mit der Anarchie zurechtkommt, gar nicht mehr allzu weit entfernt.

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Re: Adapted: Ich bin dem Staat nichts schuldig ... oder doch?

Beitrag von Teodin » 6. Jun 2008, 02:27

Danol hat geschrieben: d.h. Gemeinwohl steht über Individualinteressen? Willkommen im Sozialismus. Egal für wie moralisch Du persönlich etwas halten magst, wenn Du es mit fremden Mitteln herbeiführst ist und bleibt es Raub. Warum sollte derjenige, der die Mittel erarbeitet hat, nicht über ihre Verwendung entscheiden dürfen? Weil andere dazu nicht in der Lage sind? Damit wäre der Mensch dann das erste Wesen, das die Evolution in großem Maße ausschaltet und sich damit gleich selbst die Möglichkeit nimmt, eine Gesellschaft zu entwickeln, die ohne Zwang sozial sein kann.
Wie konnte der Mensch die Möglichkeit haben eine Leistung zu erbringen? Er benötigt dafür ein funktionierendes Umfeld, eine Umgebung, die ihm die Möglichkeit gibt seine Leistung zu erbringen und dann auch dafür entlohnt zu werden. Diese Umwelt wurde von der Gesellschaft geschaffen. Wir sprachen doch bereits von der Schulausbildung und davon, dass qualifizierte Kräfte nicht auf Bäumen wachsen, oder? Gleichzeitig stabilisiert die Gesellschaft die Arbeitsumgebung selbst, in dem Kriege und "Ungerechtigkeiten" (wieder ein Aspekt den man weit auslegen kann, da Recht nicht immer Gerechtigkeit entspricht, darüber bin ich mir aber im Klaren) von der Arbeitsstelle und dem Individuum fern gehalten werden. Steuern sind damit kein Raub sondern eine rückwirkende Vergütung für die Leistung die die Gesellschaft in der Bildung und der Friedenssicherung am Steuerzahler erbracht hat. Wenn man so will könnte man sogar behaupten, dass die Leistung durch die prozentual vom Gehalt abhängigen Steuersätze dafür sorgen, dass die Gesellschaft entsprechend der Qualität ihrer Leistung eine Vergütung erhält.
Danol hat geschrieben:
Woher sollte in einer Anarchie die motivation zur Gewalt kommen? Dank fehlender Zwangsvergesellschaftung kann es dann jedem herzlich egal sein, welcher politischen Strömung jemand anders anhängt, da dann ja keine Chance mehr besteht, jemand anderem die eigenen Visionen per Staat aufzuzwingen. Gewalttätigkeit nur aus idealistischen Gründen also?
Es gibt genügend Gründe für Gewalt die absolut nichts mit dem Staat zu tun haben. Wenn ich farbige Menschen hasse, dann tue ich das nicht weil sie Kongolesen sind, sondern weil sie eine andere Hautfarbe haben. Wenn Katholiken und Protestanten in Nordirland mal wieder aneinander geraten ist das auch nicht unbedingt staatlich bedingt (auch wenn die Teilung des Landes durch staatliche Beschlüsse erfolgte wird der Konflikt unter der Bevölkerung als ein religiös motivierter angesehen).
Danol hat geschrieben: Welche Politik sollte denn dann noch vonnöten sein, die zu ihrer umsetzung isolierten entscheidungsträgern bedarf?
Die Entscheidungsträger sind nicht isoliert, aber es gibt bestimmte Personen die mehr und solche die weniger Initiative zeigen. Auch hier wird es dazu kommen, dass Menschen andere gerne für sich denken lassen statt dies selbst zu tun. Hier bietet sich wieder das attische Staatsmodell und seine Demagogen als Vergleich an.
Danol hat geschrieben: Nationalismus war nur möglich, weil die Menschen sich mit einem Staat identifizieren konnten und bereit waren, für ihn einzutreten.
An dieser Stelle hast du am falschen Punkt des Beispiels angesetzt. Der Hinweis auf den Nationalsozialismus bezog sich auf die "Begeisterung der Massen". Charismatische Redner werden immer dafür sorgen dass ihnen gefolgt wird, mögen sie auch noch so viel Unsinn erzählen. Der Mensch ist mehr Tier als er denkt, denn wenn man ihm das richtige Futter gibt greift schnell der pawlowsche Reflex und er dackelt nur noch hinterher.
Danol hat geschrieben:
Dann schau Dir doch mal die Ursachen davon an. In aller Regel definieren diese Menschen sich als Teil eines (möchtegern)Staates, einer Religionsgemeinschaft oder einer andersgearteten Gruppe. Anarchismus bedeutet ja gerade die Überwindung dieses Denkens, um es der Menschheit zu ermöglichen, auch in der breiten Masse selbstständig zu werden und sich nach ihren eigenen Bedürfnissen zu organisieren oder es eben bleiben zu lassen bzw. ältere organisationsformen aufzugeben.
Ähm...ja...viel Spaß dabei einem gläubigen Christen/Moslem/Juden/Buddhisten/Hindu/Konfuzianisten seinen Glauben auszutreiben... Die eigene Einordnung in Gruppen gehört schon immer zur Natur des Menschen, da sie im Einzelfall über Leben und Tod des Individuums entscheiden kann. Dass der Australopithecus wusste dass ein Säbelzahntiger sein Feind und seine Mutter sein Freund war hat erst unsere Entstehung ermöglicht. Es gehört nunmal zu den Ur-Instinkten des Menschen sich seinen Platz in der Gesellschaft zu suchen in dem er sich innerhalb eigener Gruppen gegenüber anderen abgrenzt. Das es dieses Ur-Denken immer noch gibt beweisen das verbreitete Schubladendenken und die extrem schnelle Entstehung von Vorurteilen anderen Menschen gegenüber. Wenn dies wirklich eine Grundvorraussetzung für eine anarchische Welt ist, müssen sich ihre Gegner keine Sorgen über eine praktische Umsetzung machen.
Danol hat geschrieben:
Ich sehe keine Rechtfertigung für das wie auch immer geartete Beherrschen von Menschen, insofern existiert da kein Wiederspruch.
Wenn du gleichzeitig ein "Recht des Stärkeren" negativ siehst und keine Rechtfertigung dafür siehst, dass Interessen von Minderheiten über die von Mehrheiten gestellt werden, ist dies durchaus widersprüchlich. Was sind denn Minderheiten anderes als Schwächere im Sinne von weniger Stimmenkapazität in einer demokratisch organisierten Gesellschaft? Wenn das "Recht des Stärkeren" also nicht ausgeübt werden soll muss Minderheitenschutz erfolgen.
Danol hat geschrieben:
Bei der letzten Krise in Tibet gab es auch in Südamerika, Afrika, Nordamerika und Europa sehr viele Menschen, die ziemlich solidarisch mit den Tibetern waren. Selbstverständlich wird es Menschen geben, die Tibet, China oder sonsteine Region nicht interessiert, ja und? Es gibt umgekehrt zu viele die sich eben doch engagieren, als das man hier alle über einen Kamm scheren kann.
An diesem "Hype" waren die Medien auch maßgeblich beteiligt. Täglich findet auf der Welt schlimmeres statt als die Unterdrückung von Tibetern, aber kümmern tut es die Wenigsten. Mir liegt fern alle über einen Kamm zu scheren, aber ich habe nicht so ein großes Vertrauen in die Menschheit wie du es anscheinend hast.
Danol hat geschrieben: Wo ist da das Problem? Interessenkonflikte würden ohnehin seltener entstehen, da sie über den Staat ausgetragen werden. Wenn man den als Konfliktmedium ausschaltet, entfällt für viele Konflikte die Existenzgrundlage.
Das es auch eine Menge ausserstaatliche Konfliktmotive gibt habe ich ja bereits erwähnt.
Danol hat geschrieben:
Das hier ein Problem liegt und das die Menschen das selberdenken starten sollten, ist auch absolut meine Meinung. Derzeit haben sie dazu aber keinen Grund, es wird ihnen ja größtenteils abgenommen.
Man muss hier aber auch ganz klar die historische Entwicklung im Auge haben. Schaut man sich beispielsweise an seit wann die Einwohner der ehemaligen DDR überhaupt mehr Freiheit auch im sozialen und interllektuellen Sinne erhalten haben, kann man sagen, dass sie das Selberdenken nicht gerade seit Jahrhunderten einstudieren konnten. Seit dem Wegfall der großen Machtblöcke des kalten Krieges gibt es kaum ideologische Ankerpunkte für Menschen. Die denkerische Freiheit die sie dadurch erhalten haben nutzen sie jetzt aber nicht um unsere Welt in einen besseren Ort mit frei assoziierten Gemeinschaften zu machen, sondern sie setzen sich vor den Fernseher und sehen sich BigBrother an. Wir befinden uns in einer historischen Position in der der Mensch weitaus größere Freiheiten hat als jemals sonst, nutzen will er sie aber anscheinend gar nicht. Solange also nicht der Großteil der Menschen begriffen hat, dass er diese Freiheit auch anders nutzen könnte, als Hirngespinsten und Unterhaltung nachzulaufen, wird sich an der derzeitigen Lage in der Gesellschaft rein gar nichts ändern. Der Wandel muss von den Menschen initiiert werden und nicht vom Staat, denn das Berufsrevolutionäre nur zum scheitern verurteilt sind wissen wir ja bereits.

Danol hat geschrieben: Ich wüsste nicht, woran das heutzutage technisch scheitern sollte? Methoden zur sicheren Kommunikation und zur Identifikation existieren bereits, man sollte sie nur nutzen. Allgemein setze ich allerdings auch viel Hoffnung auf eine direkte Demokratie, eine Gesellschaft die damit zurechtkommt ist von einer, die auch mit der Anarchie zurechtkommt, gar nicht mehr allzu weit entfernt.
Ich sehe die Dichte der flächendeckenden Nutzung selbst noch als ein Problem an. Auch wenn man es kaum glauben mag, aber nicht jeder besitzt einen Computer mit Internetanschluss. Man würde wohl häufiger Alte, Arme und Desinteressierte aus wichtigen Entscheidungen ausklammern. Natürlich kann man hier nicht ewig Rücksicht nehmen.

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Re: Adapted: Ich bin dem Staat nichts schuldig ... oder doch?

Beitrag von Piru » 9. Jun 2008, 17:29

Dem Staat bin ich nichts schuldig.
Meinem Land schon. Ich bin jederzeit bereit mich für die wahren Intressen des deutschen Volkes einzusetzen.
Weiterhin ist es eine Erniedrigung, dass so einer starken Nation wie der unseren eine so peinliche Regierung aufdiktiert wird.

Thats all.

Edit: Ich bin nach nen paar Monaten auf diesen post gestoßen und finde, dass ich hier nochmal Ironie-Detektoren herumreichen sollte, weil das vlt. rechts falsch verstanden werden könnte ;)
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