Es geht um den Manga Liar Game von Shinobu Kaitani. Mangas sind, für diejenigen, die es nicht wissen, japanische Comics, ganz grob ausgedrückt. Im Gegensatz zu den hierzulande allerdings sehr populären Mangas wie zum Beispiel One Piece, Naruto oder Bleach visiert Liar Game die Erwachsenen als Zielgruppe an und ist sehr komplex und intelligent aufgebaut. Kommen wir zu dem wichtigsten Punkt:
Die Handlung:
Die Protagonistin des Mangas, eine japanische Studenten namens Nao Kanzaki, erhält aus heiterem Himmel ein Paket, in dem sich zweierlei Sachen befinden - eine Postkarte, die ihr mitteilt, dass sie als eine von 100.000 Teilnehmern des Liar Game Tournament (LGT) auserwählt wurde und 100 Millionen Yen (~ 1 Million US-Dollar). Nun, was auf den ersten Blick so positiv wirkt, entpuppt sich schnell als weitaus bösartiger, als man zunächst annehmen mag: In der ersten Runde des Liar Games wird Nao Kanzaki ein bestimmter Gegenspieler zugeteilt, der ebenfalls 100 Millionen Yen erhalten hat. Ziel des Spiels: Stiel deinem Gegner soviel von seinem Geld wie möglich. Nach 30 Tagen werden Mitarbeiter der Liar-Game-Tournament-Company erscheinen und das geliehene Geld zurückverlangen - wer zahlen kann, darf seinen Überschuss behalten, wer nicht zahlen kann, ist nun verschuldet - und die Firma wird jedes Mittel benutzen, um das Geld einzutreiben.
(Ab hier Spoiler-Tag, oben steht nur die Kurzeinführung. Wem das noch nicht reicht, der kann sich hier einen weiteren Vorgeschmack holen)
SpoilerShow
Der Gegenspieler Nao Kanzakis' ist zufälligerweise (?) einer ihrer alten Lehrer, den sie in überaus guter Erinnerung hat. Da sie ein grundehrliches Wesen hat, sucht sie ihn auf und erzählt ihm, dass sie nicht vorhat, das Spiel zu spielen. Er erzählt ihr daraufhin, dass er ebenfalls nicht mitspielen wird und bietet ihr an, das Geld sicher für sie aufzubewahren. Naiv wie sie ist übergibt sie ihm auch die gesamte Kohle - und er will sie nicht mehr zurückgeben. In ihrer Verzweiflung sucht sie den Ex-Kriminellen Shinichi Akiyama auf, der im Gefängnis saß, weil er eine Firma durch geschicktes Lügen und Manipulieren in den Bankrott getrieben hat. Dieser erklärt sich zunächst unwillig dazu bereit, ihr zu helfen und schafft es schlussendlich auch, dem Lehrer alle 200 Millionen abzunehmen. Aus Mitleid mit ihrem Lehrer überlässt Kanzaki ihm die ergaunerten 100 Millionen, um ihn nicht in die Schuldenfalle zu stürzen. Doch als sie gerade denkt, dass das Spiel nun vorbei ist, erhält sie einen weiteren Brief, der sie zu Runde 2 des Liar Game einlädt. Die Kosten dafür, nicht weiter am Spiel teilzunehmen? 100 Millionen Yen. Und Runde 2 ist VIEL, VIEL, VIEL gemeiner als Runde 1.
(Ja, das klingt rechtlich alles sehr wacklig. Der Manga bemüht sich sehr, Erklärungen dafür zu finden, wieso die Polizei nicht eingreifen kann, letztlich ist es aber nur ein fiktionales Werk und könnte in der Realität niemals in dieser Form stattfinden. Daran sollte man sich allerdings auch nicht aufhängen)
(Ja, das klingt rechtlich alles sehr wacklig. Der Manga bemüht sich sehr, Erklärungen dafür zu finden, wieso die Polizei nicht eingreifen kann, letztlich ist es aber nur ein fiktionales Werk und könnte in der Realität niemals in dieser Form stattfinden. Daran sollte man sich allerdings auch nicht aufhängen)
Runde 1 wurde bereits erklärt. Wirkt der Manga bis dahin noch sehr trivial, nimmt er anschließend enorm an Fahrt auf. Natürlich ist Nao Kanzaki durch verschiedene Umstände gezwungen, an jeder weiteren Runde teilzunehmen, obwohl sie eigentlich von Anfang an aussteigen möchte - und jede Runde ist härter und mitreißender als die vorige (mit Ausnahme eventuell von Runde 4). Als Beispiel für die einzelnen Spiele, die in den Runden vorkommen:
Minority-Rule (grob: Minderheits-Wahlrecht): Es wird eine einfache Ja/Nein-Frage gestellt. Anschließend geben ~20 Kadidaten eine Antwort auf diese Frage. Um ihre Antwort zu finden, haben sie eine Stunde Zeit, sich mit anderen Kandidaten abzustimmen / deren Antworten zu erfahren, danach müssen sie geheim ihre Stimme abgeben. Nachdem jeder seine Stimme abgegeben hat, wird die Anzahl an Ja und Nein ausgezählt - wer mit der Mehrheit gestimmt hat, scheidet aus, alle anderen kommen weiter. Wem das allein noch nicht verzwickt genug klingt - es ist alles erlaubt außer körperlicher Gewalt. Es darf gelogen, betrogen, getäuscht, getrickst und manipuliert werden, einzig die Stimmenwahl muss legal ausfallen. Was sich aus diesem Spiel ergibt, ist faszinierend.
Infection: 12 Spieler, zwei davon starten als Infiziert +0, 10 als Normal +0. Jeder trägt eine Armbanduhr, die diesen Status für einen persönlich anzeigt, wenn man in einen extra dafür vorgesehen Raum geht. Niemand außer einem selbst kann diesen Status einsehen. Über die Armbanduhr können zwei Spieler "Kontakt" miteinander aufnehmen, indem sie ihre Uhren aneinander halten. Dabei gibt es folgende Möglichkeiten:
Spieler 1 Infiziert +0<-> Spieler 2 Normal +0 => Beide Infiziert +0
Spieler 1 Normal +0<-> Spieler 2 Normal +0 => Beide Normal +1
Spieler 1 Normal +x<-> Spieler 2 Normal +y => Spieler 1 Normal +x+1 und Spieler 2 Normal +y+1
Spieler 1 Infiziert +0<-> Spieler 2 Infiziert +0 => Nichts ändert sich
Spieler 1 Infiziert +0<-> Spieler 2 Normal +1 => Spieler 1 Normal +0, Spieler 2 Infiziert +0
Spieler 1 Infiziert +0<-> Spieler 2 Normal +2 => Spieler 1 Normal +0, Spieler 2 Infiziert +1
Überdies kann man mithilfe seine Armbanduhr einen Zähler (+1) abgeben, um sich von einer Infektion zu befreien. Diese Zähler stehen für die Anzahl an Gegenmitteln, die man gesammelt hat. Zwei Spieler können während des gesamten Spiels nur ein einziges Mal ein Gegenmittel miteinander herstellen, also können Spieler A, B und C, wenn sie alle Normal +0 sind, nach mehrfachem Kontakt nur auf Normal +2 kommen, niemals höher.
Ziel dieses Spiels ist es, einen Status von Normal +4 oder höher zu erhalten. Wer dies nicht schafft, fliegt raus. Allerdings gibt es keine Möglichkeit, mit absoluter Sicherheit festzustellen, welchen Status ein Mitspieler hat. Auch hier wird wieder gelogen und intrigiert bis sich die Balken biegen.
(Ich habe dieses Spiel was die Regeln betrifft extra ausformuliert, damit euch die Komplexität des Mangas bewusst wird. Oben stehen noch längst nicht alle Regeln und Kniffe des Spiels und es gibt noch weitaus kompliziertere Spiele)
Auf jeden Fall ist mathematisches Denken zu empfehlen, wenn man der Story des Mangas folgen will, da der Sieg immer durch logische Überlegungen und taktisch hochwertige Pläne errungen wird. An schlauen Gegenspielern fehlt es nur in der ersten Runde, ab dann gibt es immer mindestens einen intellektuell gleichwertigen oder sogar stärkeren Gegner.
Wer nach einer rein entertainenden Story sucht, wird mit Liar Game nichts anfangen können. Wer allerdings packende und fordernde Literatur mag, dem kann ich diesen Manga nur schwerstens ans Herz legen. Er ist das ausgeklügelste, was ich in meinem Leben bisher gelesen habe (die Planungsphasen des Autors für eine einzige Runde betragen meist >6 Monate) und besticht durch seine fast immer überraschenden Wendungen und die Fähigkeit der Handelnden, auch einen vermeintlichen Nachteil zielstrebig in einen Vorteil zu verwandeln. Innerhalb einer Runde kann man nie sicher sein, wer den Sieg davontragen wird.
Weitere Rezensionen und Diskussionen zur aktuellen Runde erwünscht. Link zu einer Seite, auf der man den kompletten Manga auf Englisch lesen kann, gibt es per PN, falls Google nicht reicht (Scanlations, also Scans+Translations sind nicht zwingend illegal, aber man ist auf der sicheren Seite, wenn man sie nicht bewirbt).
EDIT: Adresse zu einer Scanseite: http://www.mangafox.com/manga/liar_game/