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von Prinegon » 24. Jul 2009, 04:38
Es gibt genügend Fälle in Freewar, in denen in Ingame-Kontakt in eine RL-Beziehung geführt hat. Insofern kann es einen extrem großen Grad an Vermischung der Grenzen führen.
Sicherlich, durch die Moderation der Mods kann man hoffen, daß es in Freewar nicht annähernd in diese Richtung gehen wird, die in meinen Beispielen angeführt wurde. Theoretisch möglich wären die Fälle schon, wenn man z.B. bedenkt, daß ein Flüsterchat nicht moderiert ist und viele Mods selbst dann nicht reagieren, wenn man ihnen Beleidigungen im Flüsterchat meldet, da sie der Auffassung sind, dieser Chat ist privat (oder noch besser, der Gruppenchat, in dem gleich mehrere Leute einen mobben könnten).
Man sollte auch bedenken, daß das typische Mobbing-Opfer irgendeine Form von sozialem Stigma hat, sei es ein eher kindliches Gemüt, sei es der Mangel an Fähigkeit, sich ädequat auszudrücken oder aber eine übertriebene Prinzipientreue. Ein Opfer muß in der Regel durch irgendeine soziale Diskrepanz auffallen. Und hier kommt gleich ein weiteres Problem: Das Opfer muß sich in der Regel an den Mod wenden. Ein Mod muß oft genug erst einmal überzeugt werden, daß der Einsatz der Zauber halt über das normal übliche Maß hinausgeht und/oder einen persönlichen Hintergrund hat, daß ein Spruch halt nicht nur grenzwertig ist, sondern für einen selbst durchaus eine Verletzung darstellt. Der Mod kann nicht die Vorgeschichte kennen, insbesondere dann nicht, wenn das Opfer ausgewählt wurde, weil bereits im RL Probleme bestanden.
Jetzt nochmal zum Genießen: Eine Person, die normalerweise eh sozial nicht bestens bestellt ist, die sich vielleicht auch so nicht durchsetzen kann, die sich nicht venünftig ausdrücken kann oder deren Gedankengänge für Otto-Normalverbraucher eher verworren erscheinen, soll also jemanden überzeugen, im Recht zu sein? Hier ist irgendwie ein Widerspruch in sich zu sehen. Ich denke, oft genug wird von den Mods halt Mobbing gar nicht als solches erkannt, einfach weil das Opfer nicht in der Lage ist, es verständlich zu umschreiben.
Es kam, auch schon in der anderen Diskussion, das Argument: "Wer so psychisch labil ist, sollte...."
Ich glaube kaum, daß das Mädchen, welches sich erhängt hatte, zuvor bereits gedacht hatte: Ich bin psychisch labil, wenn mir jemand blöde kommt, bring ich mich um. So eine Tat ist eher eine Kurzschlußreaktion. Aber auch im weniger extremen Fall kann ich nur sagen: "Das kann doch wohl nicht wahr sein". Den Rat, den ihr einer Person geben wollt, die darunter leidet, sozial ausgegrenzt zu werden, soll sein: Dann nimm halt nicht an sozialen Events teil? Man kann oft davon ausgehen, daß eine Person, die im Internet gemobbt wird, im Realleben ebenfalls gemobbt wird (wenn auch von anderen Personen). Oft ist diese Person gerade deswegen im Internet, da sie hofft, zumindest hier soziale Anerkennung zu finden, da sie über das Internet sich selbst ein wenig verschleiern kann. Und nun sagt ihr: Selbst schuld, wenn du im Internet bist und es nicht abkannst?
Auch kam die Äußerung: "Die Person sollte sich mal überlegen, was sie falsch macht...". Hier kann ich aus meiner RL-Erfahrung sprechen: Die gesamte Schulzeit über Außenseiter und Mobbing-Opfer. Dabei habe ich durchaus mehrfach die Schule gewechselt, jedes Mal wieder gehofft, dieses Mal wird es anders. Man beschäftigt sich irgendwann nur noch mit dem Gedanken: Was ist an mir falsch? Was kann ich anders machen? Man versucht, sich zu verstellen, oder aber einfach nicht mehr aufzufallen, man probiert, die anderen glauben zu lassen, es sei einem egal, oder man reagiert über und hofft, die anderen werden irgendwann zu viel Angst haben, weiterzumachen. Das einzige, was man feststellen muß, ist daß man nichts machen kann, um aus seiner Position auszubrechen, zumindest nichts, was einem nicht das Gesicht vor sich selbst verlieren läßt. Denn die einzige Chance, "dazuzugehören", wäre sich einer Clique als Mitläufer (und etwas besser gestellter Fußabtreter) anzuschließen. Die Antwort, wieso man dieses Stigma nicht loswird, ist ebenfalls sehr einfach: Weil es irgendjemanden geben muß, der diese Rolle einnimmt. Klingt brutal, ist aber so.
Und hier dann die Krönung des Ganzen: Diese Zeit liegt nun ein halbes Leben zurück. Es könnte mir prinzipiell vollkommen egal sein, wie die Idioten mich damals behandelt haben. Ich weiß, daß ich mich zu einer Person entwickelt habe, die ich charakterlich mag. Ich kenne von meinen ehemaligen Klassenkameraden niemanden mehr und möchte sie auch gar nicht mehr kennen. Und eigentlich waren es auch damals eher Fremde für mich. Und trotzdem prägt diese Zeit mein Verhalten noch heute, habe ich immer noch Probleme, daß ich mich in einer Gruppe unwohl fühle, aus Angst davor, aufzufallen und anzuecken, flirte von vorne herein nicht, weil ich den Gedanken nicht loswerde, das Mädchen könnte dieses als Beleidigung oder Angriff auffassen (und nein, es ist nicht Schüchternheit, ich bin eigentlich eher extrovertiert), bin eher bereit, selbst ziemliche Unannehmlichkeiten aufzunehmen, als auch nur eine Unannehmlichkeit jemand anderem zuzufügen, da ich niemandem wehtun möchte, schätze mich selbst gering, Dinge, die ich für andere tue, als Selbstverständlichkeiten ein, auch wenn sie mir einen Aufwand abverlangen.
Vielleicht muß man selbst wirklich in der Situation gewesen sein, um zu wissen, wieso sich jemand ins Mobbing hineinsteigern kann. Aber man kann sich sicher sein, nur weil das soziale Umfeld hier "virtuell" existiert, macht das für ein Mobbing-Opfer nicht unbedingt ein Unterschied. denn er bekommt trotzdem vermittelt, daß es eine Gesellschaft gibt, die ihn ablehnt. Und hinter den Alter-Egos stehen nunmal Menschen, die sich verhalten.
Leider kann man gegen Mobbing nichts tun. Gegenzauber schützen vielleicht vor den direkten Auswirkungen, nicht aber vor der Botschaft, die durch die ständigen "Angriffe" übermittelt wird. Sotrax ist sicherlich nicht für jeden Einzelnen verantwortlich, noch kann er mobbing unterbinden. Man kann aber aufrufen, daß die Personen, die als "Mitläufer" zum Mitmachen angestachelt werden könnten, daß diese erst einmal das Hirn einschalten und aufmerksamer werden, um zu merken, was hier eigentlich passiert.
Das Gegenteil von "gut" ist "gut gemeint".
Es ist nur Sand. Doch manchmal kann auch Sand töten...