Manic hat geschrieben:Ist unsere Staatsführung noch ernsthaft fähig uns zu leiten?
Unter diesem Thema starten wir am heutigen Abend eine nette gemütliche, aber auch ernste Diskussion.
Ich fang dann mal an...
Zunächst mal zum Diskussionsstart, der ist wirklich mehr als unglücklich. Wenn du eine ernsthafte Umfrage starten willst, dann solltest du nicht die "gewünschte" Antwort in deinen Post indoktrinieren. Denn da du gleich argumentierst, ist die Frage, die du eigentlich stellst, nicht: Welche Meinung hast du?, sondern Bist du in der Lage, mir zu widersprechen? Und das ist nichts weiter als Stimmenfängerei (im Prinzip das Gleiche, was z.B. Greenpeace in Fußgängerzonen macht: Schau dir mal diese Bilder von mißhandelten Tieren, vom Walfang, von Umweltkatastrophen an, bist du nicht auch für Umweltschutz? Unterschreib bitte hier).
Besser wäre gewesen, einfach einen neutralen Post voranzustellen: Ich stelle mir im Folgenden einen Meinungsaustausch über die jetzige Staatssituation vor und über die Wege, die der Staat in Zukunft einschlagen sollte. Des weiteren möchte ich eine Umfrage starten, ob du der Meinung bist, daß bisherige Staatsform/ bisherige Regierung ihre Pflichten und Aufgaben angemessen erfüllt, oder nicht?
Ende des ersten Posts, deine eigentliche Meinung bringst du erst im Laufe der Diskussion ein. Somit wäre ein repräsentativeres Ergebnis gewährleistet, da du demjenigen, der die Umfrage mitmachen will, nicht gleich von Anfang an versuchst, deine Meinung aufzudrängen.
By the way: Die Fragestellung, die dich eigentlich interessiert, ist auch eine andere, wie du gefragt hast. Du fragst dich doch gar nicht, ob die momentane Regierung ihre Arbeit gut macht, sondern ob das momentane Staatssystem für seine Aufgaben gewachsen ist.
----------------------------------------------------------------------------------
Nun erstmal zum Topic: Ich persönlich habe eine andere Regierung gewählt als die, die uns momentan vertritt. Das bedeutet aber nicht, daß ich der jetzigen von vorneherein keine Chance einräumen will. Politik ist in vielerlei Hinsicht ein sehr undankbarer Job. Die wenigsten können die Probleme, von denen von Politikern Entscheidungen abverlangt werden, nachvollziehen. Dennoch steht man im Mittelpunkt des Interesses. Jeder hat eine Meinung dazu, ob er nun qualifiziert dafür ist, oder nicht. Hinzu kommt, daß man es eh nicht jedem recht machen kann.
Es ist vlt. vergleichbar mit der Erziehung eines Jugendlichen. Probiere dem verständlich zu machen, wieso man als Elternteil das Sagen hat, obwohl das Kind ja gerade bemerkt: Man ist nicht allwissend (und im Trugschluß zu glauben beginnt: Es selbst ist den Eltern überlegen). Etliche Entscheidungen kann man erst nachvollziehen, wenn genug Zeit ins Land gegangen ist, man selbst Erfahrungen gemacht hat und vor allem ein wenig Abstand gewonnen hat (das muß nicht bedeuten, daß man überzeugt wird, die Entscheidungen der Eltern waren alle richtig, aber man gewinnt mehr Verständnis dafür, wieso so entschieden wurde).
Es wurden hier einige Dinge genannt, wo in den Augen der Leute die Regierung Fehler macht. Manches stimmt sicherlich, so ist es definitiv unglücklich, Paninibilder in einer Tagung zu tauschen, denn es demonstriert eine desinteressierte Haltung. Skandalträchtig ist es jedoch nicht und sagt über die Politiker auch nicht aus, ob sie ihre Arbeit gut oder schlecht machen. Denn Bundestags-/ratssitzungen sind nunmal nichts weiter, als dem Volk zu erzählen, wie man sich vorher schon entschieden hat. Die Diskussionen, die dort geführt werden, wurden bereits vorher in Sitzungen geführt. Im Grunde genommen könnte man auch einen Pressesprecher hinstellen, der der Öffentlichkeit erzählt: Die und die Parteil ist aus den und den Gründen folgender Meinung...
Was mich an den Politdiskussionen immer stört ist dieses Stammtischniveau. Man sucht sich immer ein Fakt heraus und bildet seine Meinung, dann beleuchtet man es in dem Licht, in dem man es haben möchte und stellt es als unumstößliche Aussage hin. Beispiel?
Ich sags einfach mal so das wir verschuldet sind liegt an viellerlei und ich denke da hat Herr Kohl und Weigel wohl ne ganz große rolle drin, sie mussten ja unbedingt die hauptstadt verlegen (sag ich obwohl ich im osten wohne) das hat unverstellbare summen verschlungen,...
Unsummen wurden verschlungen, da die Hauptstadt nach Berlin verlegt wurde. Dieses ist mit Sicherheit ein Faktum. Aber nur das zu sehen ist Scheuklappen aufhaben. Wohin gingen diese Unsummen denn? In die Bauindustrie, in den Handel, in die Logistik, ect. Eine Unzahl von Firmen wurde für diesen Umzug beschäftigt, um die Gebäude herzustellen, um die Infrastruktur aufzuwerden, ein Verkehrssystem zu schaffen, die Innenausstattung aufzubauen, einen Verwaltungsapperat zu kreieren, der mit den Aufgaben klarkommt, ect. Dadurch wurde die Wirtschaft angekurbelt und Arbeit gesichert. Berlin hat dadurch eine Modernisierung erfahren, ist als Standort attraktiver geworden auch für ausländische Gesellschaften.
Hinzu kommen die politischen Aspekte, die dieser Umzug bedeutet. Man setzte damit ein (zugegebenermaßen teures) Zeichen, zum einen für das eigene Volk, aber auch, und was viel wichtiger ist, für das Ausland: Die ehemalige DDR wird von der BRD nicht als annektiertes Gebiet angesehen, sondern es ist wirklich eine Heimholung des entzweiten Bruders. Die Notwendigkeit, dem Ausland das zu zeigen, darf nicht unterschätzt werden.
BTW: Damals, als die Entscheidung des Umzugs getroffen wurde, habe ich sie nicht nachvollziehen können. Es ist auch nicht so, daß ich diesen als unproblematisch ansehe, oder daß ich den Zeitpunkt als glücklich sehe oder glaube, es hätte keine Alternativen gegeben. Ich will nur an diesem Beispiel aufzeigen, daß es in einem komplexen System nicht ausreicht, ein Fakt zu nehmen, es mit einer bestimmten Entwicklung in Verbindung zu stellen und doktrinär zu sagen: Das resultiert aus dem. Jede Entscheidung hat mehrere Auswirkungen, manche gut und andere schlecht, die meißten jedoch kaum absehbar.
----------------------------------------------------------------------------------
Nun zur Meinung von Kai aus der Kiste: Sorry, wenn ich zu deutlich werde, aber ich hab selten so viel doktrinäre Kommunismuspropaganda auf einem Haufen gesehen, und vieles davon ist einfach nur Bullshit.
Dein größtes Problem, du läßt bei deiner Diskussion die Motivation der Menschen vollkommen außer acht. Dazu jedoch gleich mehr.
Als Grundvoraussetzung, damit ein kommunistisches System funktionieren kann, muß folgendes gegeben sein:
- Die Möglichkeit, alle Teilnehmer des Kommunismus, gleich zu versorgen
- Der Wille der Teilnehmer, nicht nach mehr zu streben, als ihm zugestanden wird.
- Der Wille der Teilnehmer, seine Aufgabe zu erfüllen
Dieses führt jedoch zu Problemen. Es wurde von Enteignung der Besitzer gesprochen. Dieses wird ohne Zwang nicht möglich sein, denn naturgemäß sind die Besitzer Vertreter des Kapitalismus und werden nicht aus Überzeugung zur kommunistischen Ideologie ihren Besitz freiwillig aus den Händen geben.
Menschen reagieren auf Zwang nicht sonderlich gut und wäheln normalerweise eine folgender Optionen: Sie wehren sich, was Gewalt zur Folge hat, oder sie fliehen. Die Folge dessen wäre der Verlust der Kapitalgüter, die transportabel sind, in ein nichtkommunistisches Land. Die dritte Option: Akzeptanz der Enteignung, wird wohl eher seltener zu finden sein.
Des weiteren werden wohl die Leute gehen wollen, die der Meinung sind, in einer nichtkommunistischen Gesellschaft mehr erreichen zu können, als die Kommunisten bieten.
Um eine Flucht zu vermeiden wäre die einzige Möglichkeit die Abschottung gegenüber der Außenwelt, was noch mehr Zwang beinhaltet. Ich bezweifel, daß eine solche Maßnahme in einem Volk durchführbar wäre, die mit der DDR die Auswirkungen solchen Zwanges gerade hinter sich gebracht hat.
Anders sähe natürlich die Sache aus, wenn alle Länder dabei an einem Strang zögen. Würde sich die Welt auf diese Staatsform einigen, fielen
obige Probleme weg.
Da bleibt also das Problem: - Die Möglichkeit, alle Teilnehmer des Kommunismus, gleich zu versorgen
Es wurde leichtfertig behauptet: Die Welt hat die Mittel, um jedem Menschen eine angemessene Versorgung zu gewährleisten. Was das reine Überleben angeht, wirst du recht haben. Was darüber hinaus geht, sehe ich die Sache schon etwas anders.
Probiere, jedem Menschen auf der Welt das zuzugestehen, was in Deutschland der durchschnittliche Arbeiter (aus der Arbeiterschicht entstammend) hat, und du wirst auf erstaunliche Probleme stoßen. Eine 3-Zimmer-Wohnung mit Strom, Herd, Telefon, Fernsehen, warmes Wasser, Heizung, vielleicht ein Kleinwagen oder zumindest ein Motorroller, eine Ikea-Möblierung, der Computer, 1 Kinobesuch im Monat sowie eine Woche Urlaub auf Malle alle 5 Jahre. Ich denke, daß wären nicht zu hoch geschraubte Ansprüche.
Allein schon jeden Menschen mit einem Motorroller zu versorgen wäre nicht möglich, da gar nicht genügend Treibstoff geliefert werden könnte, diese zu betreiben. Es fehlen die Ressourcen, um jedem Menschen auf der Welt die medizinische Versorgung zu gewährleisten, die hierzulande Standard ist. Von den Problemen, überall eine ausreichende Infrastruktur aufzubauen, will ich gar nicht sprechen. Insofern: Nein, wir haben nicht die Ressourcen, jedem Menschen den Lebensstandard eines (deutschen) Arbeiters zu gewährleisten.
Kommen wir nun zum Motivationspunkt: Die Aussage war:
Bedenkt man aber das Arbeit auch Selbstverwirklichung ist und nur wenige Bock haben den ganzen Tag frei zu haben, und jeder wohl noch irgendwo nen Pflichtgefühl gegenüber dem mitmenschen hat, ist diese Sorge unbegründet.
Das ist nun wirklich Utopie. Wer was anders glaubt, braucht sich nur dortz umzusehen, wo Arbeit auf freiwillige Basis verteilt wird. Jeder mit einem Kindergartenkind wird das nachvollziehen können. Für die Kinder werden immer wieder tolle Dinge geplant, wie Ausflüge, Feste, oder das Übernachten im Kindergarten. Doch wo sind denn die vielen Freiwilligen, wenn es darum geht, für die Grillparty den Einkauf zu erledigen, oder aber den Kindergarten für das Faschingsfest zu schmücken? Es bietet sich immer das gleiche Bild: Es gibt ein paar Leute, die die Sozialkompetenz haben und sich anbieten, etwas zu machen, und den großen Haufen von Leuten, die nie etwas machen, aber laut meckern, wenn etwas nicht funktioniert. Es sind IMMER die gleichen Eltern, die "den Würstchenverkauf" machen, die Kinder zum Bahnhof fahren und abholen, dafür sorgen, daß Konfetti und Luftschlangen besorgt werden oder einen Freund haben, der für die Kinder den DJ macht. Und es ist auch leider immer die Minderheit. Und nun willst du etwas, was schon im Kindergarten nicht funktioniert (wobei man doch denken sollte, daß das Pflichtgefühl dem eigenen Kind gegenüber recht groß sein sollte) auf eine ganze Wirtschaft übertragen?
Es wurde behauptet: Zusammenarbeit hat keine Nachteile. Das ist falsch. Um z.B. das Forschungsbeispiel aufzugreifen: Zusammenarbeit kann eine Einschränkung sein. Sicherlich ist ein Meinungsaustausch förderlich, eine Zusammenarbeit würde jedoch dazu führen, daß gewünschtes Problem nur auf einem Weg angegangen wird. Man tauscht sich aus und einigt sich dann auf einen Weg, den man für den Besten hält. Forschen zwei unterschiedliche Teams an einem Problem, werden sie naturgemäß unterschiedliche Wege einschlagen, was die Chance auf Mißerfolg verringert.
Der andere Weg der Zusammenarbeit: Jeder ist nur für ein Teil des Endprodukts zuständig, hat auch Nachteile, nämlich die Nachteile, die Spezialisierung mit sich bringt: Ich bin nicht mehr in der Lage, autak (selbstständig) zum Endprodukt zu kommen, sondern bin auf den Arbeitsprozeß der Leute, mit denen ich die Arbeit teile, angewiesen. Evtl. wüßte ich noch nicht einmal, wie man das Endprodukt erreichen kann.
Aber diese Form der Zusammenarbeit ist kein Beispiel für die Unterlegenheit des Kapitalismus, denn sie hat mit Staatsformen wenig zu tun und existiert schon lange. Insofern hat dieses Beispiel eigentlich gar nichts in dieser Diskussion zu suchen.
-----------------------------------------------------------------------------------
Macht also die jetzige Regierung ihren Job gut, oder nicht?
Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Mir fehlt einfach der Einblick, um sagen zu können, ob dem so ist. Ich habe in vielen Dingen eine andere Meinung, als die Regierung, und ich denke, es könnten sicherlich andere Wege beschritten werden. Ob diese dann zwangsweise besser sind, würde sich zeigen müssen. Auf jeden Fall muß man einsehen, daß es das Handbuch: Ruling för Dummies nicht gibt, daß eine Regierung auch nicht viel mehr machen kann, als ausprobieren und zu sehen, ob es was bringt.
Des weiteren sollte man auch nie irgendwelche Mißstände nur an den Politikern festmachen. Denn die wenigsten Entscheidungen werden getroffen, weil ein Politiker seinen Kopf durchsetzen will, sondern weil ein ganzer Haufen von Beratern und Sachverständigen dazu eine Meinung hat, der die regierende Fraktion Glauben schenkt.
----------------------------------------------------------------------------------
Zur eigentlichen Frage: Ist die Staatsform für diese Aufgabe geeignet? Ich bin der Meinung, die Demokratie hat ihre Probleme, ebenso wie der Kapitalismus. Sie sind leider nicht kriesensicher. Der Staat ist auf seinen Etat angewiesen. Gerade in Kriesenzeiten sinkt das Geld, welches der Staat zur Verfügung hat, naturgemäß. Gleichzeitig steigen jedoch die Ausgaben, die vom Staat übernommen werden müssen. Dadurch kommen diese Defizite, die wir momentan haben und die immer größer werden. An dem Problem wird der noch so gute Politiker nichts ändern können.
Hinzu kommt jedoch ein hausgemachtes Problem, welches wir momentan der Ära Kohl zu verdanken haben: Einzugestehen, daß man in einer Kriese steckt, ist unpopulär. Deswegen schiebt man diese so lange wie möglich vor sich her. Das geht eine Zeit lang gut, verschlingt jedoch Geldmittel. Wären einige Probleme schon damals angegangen worden mit den Reserven, die und dort noch zur Verfüngung standen, dann wäre der Problemberg, vor dem wir jetzt stehen, bei weitem nicht so hoch. Reformen, die notwendig sind, würden jetzt anfangen, zu greifen (es ist ja nunmal so, daß eine Reform eine unheimlich lange Zeit braucht, um zu wirken).
Insofern: Ja, die Demokratie steht sich selbst im Weg, insbesondere dadurch, daß ihr oberstes Kriterium nicht ist: Was ist das Beste für das Volk, sondern: Was kann ich machen, um beim Volk nicht in Ungnade zu fallen und trotzdem effektiv zu bleiben?
Mein Fazit: Die Probleme hängen im Endeffekt nicht an der Staatsform. Jede hat Vor- und Nachteile. Mag sein, momentan wären wir mit einer (funktionierenden) Monachie besser dran, da sie die Probleme anders anpacken könnten. Mag sein, der Kommunismus ist in der Tat sich fairere Staatsform und für eine ideale Welt perfekt. Aber jede Staatsform hat ebenso ihre Schwächen. Momentan ist die Demokratie unser Mittel der Wahl, und ich kann sagen, ich kann mit einem ruhigen Gewissen damit leben, und genauso verteufel ich den Kapitalismus nicht.