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von Geist von Fool » 28. Sep 2010, 21:39
Ich glaube, bezüglich Gleichberechtigung sind wir auf einem guten Weg - aber bis sich wirklich in den Köpfen der Menschen manche Vorurteile auflösen wird es noch einige Generationen gehen. Und dann kommt die berufliche Gleichberechtigung automatisch mit. Nehmen wir das Beispiel, dass Frauen wegen der zu erwartenden Elternzeit und Kindkrank-Ausfälle öfter fehlen (die Schwangerschaft wird ihnen natürlich nicht so schnell einer abnehmen können). Inzwischen gibt es auch gar nicht so wenige Männer, die in Elternzeit gehen oder sich krank melden wenn das Kind krank zu hause liegt. Die Mehrheit ist das aber so lange nicht, wie die Leute es als seltsam empfinden, dass der Mann den Haushalt macht und sich um die Kinder kümmert während die Frau zur Arbeit geht. Meistens bleibt die Frau aber schon aus finanziellen Gründen zuhause, weil der Mann die bessere Karrierechancen und den höheren Verdienst hat, was daran liegt dass bei der Frau davon ausgegangen wird, dass sie zuhause bleibt.... usw. Das ist eine Spirale, die man nur sehr langsam aufweichen kann. Das Bild eines luschigen Hausmannes in Jogginghosen, der sich von seiner Frau durchfüttern lässt weil er einfach ein Weichei ist muss sich langsam aus den Köpfen verabschieden. Männer müssen die Chance ergreifen, sich um die Familie zu kümmern. Personaler müssen bemerken, dass die Männer ebenfalls familienbedingte Ausfallzeiten haben und es sich vielleicht trotz Schwangerschaftsrisiko lohnt, eine Frau einzustellen (immerhin sollen die ja im Ausgleich gesünder leben). Frauen dürfen nicht mehr als Rabenmütter oder "Emanzen" bezeichnet werden, wenn sie trotz Kind zur Arbeit gehen und ihre Karriere planen.
Das alles passiert nur langsam, aber soweit ich weiß passiert es. In meiner Firma gehen immer wieder junge Männer in Elternzeit. Wir haben eine Bundeskanzlerin. Die Zahl der Männer die zugibt, mit Computern nichts anfangen zu können und sich nicht dafür zu interessieren ist höher als die, die, obwohl sie von Tuten und Blasen nichts versteht, meint herumposen zu müssen und mir am Ende am besten noch bescheint "also für eine Frau verstehen Sie ja ganz schön viel von Computern, Kompliment!". Inzwischen kapiert sogar eine Mehrheit, dass es sinnvoller ist, dass die Person die Tür aufhält, die im entsprechenden Winkel ankommt und nicht die, die zufällig 3-20 cm mehr Fleisch zwischen den Beinen hat.
Klar, ausgemerzt sind die Vorurteile noch lange nicht, dazu schlummern sie auch einfach zu tief. Man darf keine Frauen schlagen - auch nicht im Training. Auch wenn das bedeutet dass diese dann nichts vernünftiges lernen weil die Angriffe nicht ordentlich kommen. Werkzeug für Frauen muss rosa sein, damit die sich trauen es anzufassen. Frauen können ihren WLAN-Router nicht einrichten, außer ein Mann hilft ihnen dabei, und selbst dann machen sie dabei vermutlich alles kaputt. Wenn ein Mann Kuchen auf Arbeit mitbringt hat seine Frau den gebacken - oder die Mutti, weil Männer können das nicht, außer vielleicht sie sind schwul. Jungs die mit Puppen spielen sind verweichlicht und peinlich - da ist ein wildes Mädchen das auf jeden Baum klettert und Fußball spielt akzeptabler - an dem ist wenigstens "ein Junge verloren gegangen".
Sowas kriegt man einfach nicht innerhalb kürzester Zeit aus den Köpfen, nicht mit Verordnung, nichtmal mit Einsicht sondern nur mit einer schrittweisen Umgewöhnung. Ich nehme mich davon selbst nicht aus - auch wenn ich weder moralisch noch grundsätzlich etwas dagegen habe, es fällt mir schwerer einen Mann in Minirock und Strumpfhosen ernst zu nehmen als eine Frau im Anzug. Das wird vermutlich so sein, bis erstere zum ganz normalen Straßen- und Bürobild gehören.
So gesehen - Gleichberechtigung? Ja gerne. Umsetzung? Ist in Arbeit!
Noch ein Nachsatz zum Sprachlichen:
Man kann in der deutschen Sprache durchaus auch den Mann als benachteiligt sehen - muss er sich doch seinen Begriff immer mit dem Neutralen, Unbestimmten teilen:
Hören wir von einer Gruppe Studenten, so können wir (inzwischen) aufgrund der Lebenswirklichkeit davon ausgehen, dass sich diese aus Studentinnen und Studenten zusammensetzt. Ist ausschließlich Weibsvolk anwesend, so lässt sich das leicht bezeichnen - dann wird korrekterweise von einer Gruppe Studentinnen gesprochen. Besteht die Gruppe jedoch nur aus - ja, männlichen Studenten, so muss man, wie ich auch hier, genauer definieren. Denn sobald sie in Gruppen auftreten müssen sie sich den Begriff mit dem anderen Geschlecht teilen.
Anders zum Glück bei den Kaufleuten, würde man meinen - immerhin gibt es hier die Kauffrauen (wenn die Damen unter sich sind), die Kaufmänner (wenn es eine reine Herrentruppe ist) und für gemischtgeschlechtliche Gruppen die Kaufleute. Doch nein, spätestens im Gesetz müssen die Herren auch hier wieder mit den Damen teilen, da laut Definition Kaufmann ebenso für Kauffrau steht, weil dem Gesetzgeber das Wort "Kaufperson" zu dämlich war und die Gesellschaft für deutsche Sprache beim besten Willen keinen neutralen Singular finden konnte.
Also wer ist hier benachteiligt - die Hälfte der Bevölkerung, die ihren eigenen Begriff hat, oder die, bei deren Nennung auch immer die anderen mit gemeint sein könnten, die man ohne weitere Beschreibungen nicht klar definieren kann?